Читать книгу Sammelband 4 Horst Bieber Krimis: Zeus an alle / Was bleibt ist das Verbrechen / Moosgrundmorde / Nachts sind alle Männer grau - Horst Bieber - Страница 25

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10.


Maria Müller hatte beschlossen, ihre Schwester und die Neffen und Nichten mit einem Besuch zu beglücken. Als sie ihn das erste Mal fragte, ob sie ihn übers Wochenende allein lassen könne, hatte Mischa instinktiv mit dem Jammern begonnen: «Muss das sein? Ich hab Angst - wenn die Schmerzen ...»

«Na, so viele Schmerzen hast du ja wohl nicht mehr», höhnte sie ärgerlich. «Ein starker Mann wie du!»

«Ich war mal stark», jaulte er. «Ich wünsch Ihnen ja nichts Böses, aber Sie sollten mal versuchen, mit diesem verdammten Bein mehr als zwanzig Meter zu laufen.»

Sein ständiges Stöhnen zahlte sich aus. Sie war nicht nur gefühllos, sondern auch ungeduldig. Sicher wurde sie für ihre Pflegedienste gut bezahlt, das nahm er wenigstens an, aber an ihm hatte sie nicht das Geringste Interesse. Im Gegenteil, dass seine Wunde angeblich überhaupt nicht heilen wollte, störte sie zunehmend. Der «Arzt» bestärkte sie in ihrer Vermutung, dass Mischa einer dieser Weichlinge sei - große Klappe, dünne Nerven und mehr Angst als Vaterlandsliebe.

«Die zwei Tage wirst du ohne mich überstehen», entschied sie unwirsch. «Und hier ist eine Telefonnummer - wenn wirklich was ist, kannst du mich anrufen.»

Sein Gezeter hatte sie wirklich aus dem Haus getrieben. Am Samstagmorgen staunte Mischa nicht schlecht: Die Schlampe ohne Geschmack hatte sich in eine fast elegante ältere Dame verwandelt. «Mach’s gut!», knurrte sie in ihrem alten Tonfall. «Und geh nicht ans Telefon, wenn’s läutet.»

«Okay, okay», resignierte er.

Er gab ihr zwei Stunden Vorsprung, bevor er abhaute. Als er aufstehen und die ersten Meter laufen konnte, hatte sie ihm Sachen besorgt, Jeans, Hemden, Wäsche, Socken und ein Paar Schuhe. In der ganzen Zeit war ihr ein einziger Fehler unterlaufen, als sie einmal telefonierte und nicht bemerkte, dass er auf dem Rückweg von der Toilette an der halboffenen Wohnzimmertür vorbeischlich: «Du bist verrückt, der weiß viel zu viel ... wenn du mich fragst, lieber kein Risiko.»

So ähnlich hatte er selbst schon kombiniert. Der Boss - kühl, unsentimental und vorsichtig - konnte keinen Mitwisser dulden. Und so, wie er den unbekannten Mann einschätzte, hatte der sich längst mit Carlo unterhalten. Carlo würde ihm erzählt haben, dass Mischa vor Zeugen versucht hatte, Bremmel am Schießen zu hindern. Das würde Mischa, sollte er geschnappt werden, zwar nicht vor einer Anklage bewahren, aber vielleicht vor einem harten Urteil. Mit anderen Worten: Es saßen nicht mehr alle vier im selben Boot. Das traf auf Juke zu, der auf dem Ebertdamm abgehauen war - ob die Kripo ihn schon geschnappt hatte?, das galt noch mehr für Bremmel, diesen renitenten Vollidioten, der ihnen den ganzen Schlamassel eingebrockt hatte. Carlo genoss offenbar das Vertrauen des Bosses, aber was dachte der Meister über Mischa?

Er musste den festen Wohnzimmerschrank aufbrechen, um an seine Papiere und an das Geld heranzukommen. Maria Müller - ihren richtigen Namen wusste er immer noch nicht - bewahrte dort dreitausend Mark in bar auf, die er als eine Art Schmerzensgeld einkassierte. Danach verdrückte er sich durch den Keller; so blöd war er nicht, die Haustür zu benutzen, und das Glück, das er jetzt so dringend benötigte, war ihm hold. Ungesehen überquerte er den Hof und trat auf der anderen Seite des Blocks auf eine andere Straße. Langsam, aber gleichmäßig lief er los. Er traute seinem Bein und seinen Kräften nicht.

Mit dem Bus fuhr er Richtung Innenstadt, kaufte kurz vor Geschäftsschluss noch ein und verstaute alles in einem kleinen Koffer, den er sorgfältig aussuchte: nicht zu groß oder zu protzig, aber auch nicht so, dass er wie ein mittelloser Stadtstreichcr aussah. Den Hauptbahnhof mied er und stieg eine Station später in die S-Bahn nach Wiesbaden ein.

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