Читать книгу Sammelband 4 Horst Bieber Krimis: Zeus an alle / Was bleibt ist das Verbrechen / Moosgrundmorde / Nachts sind alle Männer grau - Horst Bieber - Страница 26

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11.


Der Duft von Spiegeleiern auf Speck zog schon durch die Wohnung, als Hans-Werner Bockel anrief, «von Privat zu Privat», wie er in dem vergeblichen Versuch betonte, Holm zu ärgern. «Arno, ich glaube, ich habe was für dich.»

«In Frankfurt soll’s ja auch alles geben.»

«Vor allem Dussel, die so tun, als seien sie echt dusslig. Diese Zeichnung, die du mir geschickt hast ...»

«Ja?»

«Der Kerl heißt Mischa. Ist Anfang des Jahres im Bahnhofsviertel aufgetaucht und hat wohl Anschluss gesucht.»

«Nur Mischa? Kein anderer Name?»

«Leider. Mein Informant behauptet aber, Mischa habe sich ausgewiesen mit einem Entlassungsschein aus dem Hartenstein.»

«Ach nee!»

«Ein Einzelgänger, so sieht es aus. Bis jetzt jedenfalls.»

«Ist dein Informant zuverlässig?»

«Das schon. Aber er ist in letzter Zeit mächtig in Verschiss geraten und traut sich nicht weiter vor.»

«Na vielen Dank, Ha-We. Das hilft ein großes Stück weiter.»

«Gern geschehen. Man munkelt ja tolle Sachen über euch.»

«Nicht am Telefon. Bis bald mal. Und danke!»

Er schaufelte lustlos die inzwischen zäh gewordenen Spiegeleier in sich hinein, überlegte und telefonierte dann hinter Cordula Matthies her. Sie saß in ihrer Wohnung neben dem Telefon, weil sie Bereitschaftsdienst hatte.

«Ich hätte Sie gern unter vier Augen gesprochen.»

«Ja?» Verwunderung und Misstrauen hielten sich die Waage; sie hatte ihm den Abend bei «James &Jim» noch nicht verziehen.

«Wo können wir uns treffen?»

«Im Präsidium?»

«Nein», lehnte er scharf ab. «Ich möchte, dass unser Gespräch - nun ja - vorerst geheim bleibt.»

Sie schwieg, ihr Widerstreben war förmlich zu spüren, aber schließlich resignierte sie: «Meine Adresse haben Sie ja.»

Sie wohnte in einem gesichtslosen Hochhaus mit abschreckend vielen Mietparteien. Die Zweizimmerwohnung war klein und farbenfroh eingerichtet; schon bei der Begrüßung ließ sie ihn deutlich ihre Verstimmung darüber fühlen, dass er sich den Zutritt zu ihrem privaten Reich regelrecht erzwungen hatte. Auf dem Balkon stand eine Liege, und der eilig hingeworfene Bikini verriet, dass sie sich gesonnt hatte; sie hatte auch tatsächlich Farbe bekommen, was ihr gut zu Gesicht stand.

Weil sie ihn rasch wieder loswerden wollte, hielt er sich nicht mit Floskeln auf: «Ich brauche Ihre Hilfe.»

«Und was soll ich tun?»

«Schreiben Sie einen Bericht, aus dem klar hervorgeht, dass Sie nicht weiterkommen, weil die Opfer nicht vernehmungsfähig sind und wichtige Zeugen jede Bereitschaft zur Kooperation vermissen lassen.»

«Ingeborg Wendel?»

«Ich werde Sie schriftlich anweisen, die Akte an die Staatsanwaltschaft abzugeben.»

«Wagner wird mir was husten», entgegnete sie spontan.

«Soll er! Aber dazu wird er sich Rückendeckung beim leitenden Oberstaatsanwalt verschaffen. Und der wird noch eine Etage weiter oben anfragen, wie er sich verhalten soll.»

«Ehrlich gesagt, ich verstehe nicht ...»

«Ich möchte die hohen Herren etwas unsanft aus ihrem Wunschtraum wecken, sie hätten sich mit der SoKo Ruhe vor dem Zorn einer Politikerin erkauft.»

Das musste sie erst einmal verdauen. Aus ihren verstohlenen Blicken schloss er, dass sie ihm nicht vertraute, aber er dachte nicht im Traum daran, sie in seine Pläne einzuweihen.

«Waldeck erkundigt sich jeden Tag nach dem Fall», gestand sie plötzlich unsicher.

«Ach ja? Und warum?»

«Der Präsident stehe mächtig unter Druck.»

«So? Aber doch nicht unter dem Druck der Presse und Öffentlichkeit?», spottete er, und sie schaute verlegen zur Seite: «Nei...ein, das nicht. Der Oberrat vergattert mich jeden Tag, den Namen Sara Wendel unbedingt geheimzuhalten.»

«Das verwundert mich nicht. Was sagt denn Waldeck zu Ihren geringen Fortschritten?»

Wieder konnte sie ein nervöses Blinzeln nicht unterdrücken. Sie rang mit sich, aber Holm kam ihr nicht einen Schritt entgegen. Endlich platzte sie heraus: «Also, manchmal hab ich das blöde Gefühl, dass es ihn gar nicht stört!»

Über ihre wütende Miene musste er unwillkürlich lächeln: «Auch das verwundert mich nicht», erwiderte er fröhlich.

«Wie bitte?»

«Es wundert mich nicht», wiederholte er sanft und betrachtete sie dabei mit freundlichem Mitgefühl.

In ihrem Gesicht wechselten Ratlosigkeit und Zorn. Sie setzte sich gerade hin, fixierte ihn. Aus eigener Erfahrung und aus ihrer letzten dienstlichen Beurteilung kannte er ihr Temperament (was in einer Akte besser klang als fehlende Selbstbeherrschung), das sie schon mehr als einmal in Schwierigkeiten gebracht hatte. Er wollte sie jetzt gar nicht reizen, aber es störte ihn, dass sie nicht den Mut oder die Konsequenz besaß, aus ihren eigenen Beobachtungen selbst die richtigen Schlüsse zu ziehen. Doch dann überrumpelte sie ihn, als sie sich plötzlich entspannte und heiter bemerkte: «Sie machen Ihrem Ruf alle Ehre.»

«Welchem Ruf?»

«Den Sie im Präsidium haben.» Sie zählte an den Fingern ab: «Sie sind unfreundlich, mürrisch, kurz angebunden, misstrauisch und unbeliebt. Ein Einzelkämpfer, dem jeder so weit wie möglich aus dem Weg geht. Weil Sie aber, wenn es sein muss, höflich und zuvorkommend, fast herzlich sein können, halten die Kollegen Sie für falsch.»

Kurz vor Ende ihrer kleinen Rede hatte sie der Mut verlassen, ihre Lippen begannen zu zittern, und er staunte sie an. Nicht beleidigt, sie hatte ihm nichts Neues erzählt, aber verblüfft über ihre unerwartete Offenheit. Sie wich seinem Blick aus, als habe sie ein schlechtes Gewissen.

«Im Präsidium hätten Sie sich nicht getraut, mir diese - hm - Wahrheiten an den Kopf zu werfen?»

Zaghaft schüttelte sie stumm den Kopf.

«Aber in Ihrer Wohnung rechnen Sie fest mit meinen guten Manieren.»

Sein Spott ließ sie tief Luft holen: «Herr Holm, was erwarten Sie eigentlich von mir? Sie wollen mich vor Ihren Karren spannen, okay, Sie sind der Chef. Gleichzeitig haben Sie nicht einmal genug Vertrauen, mir zu verraten, wohin die Reise gehen soll. Wenn man von Ihnen wüsste, dass Sie zu Ihren Leuten stehen - na schön, vielleicht würde ich mich dann auf Ihr Wort verlassen. Aber so?» Erregt beugte sie sich vor und angelte nach der Zigarettenschachtel auf dem Tisch. Er konnte ihr tief in den Ausschnitt des weiten Kleides sehen, unter dem sie nichts trug, und beinahe hätte er ehrlich ausgesprochen, was ihm in diesem Moment durch den Kopf schoss: «Sie haben einen wunderschönen Busen.» Zum Glück beherrschte er sich gerade noch; sie hatte nichts bemerkt.

«Gut», begann er leise, eigentümlich erschüttert über diese zwei, drei Sekunden, die ihn jetzt zwangen, Dinge auszusprechen, die viel mehr Vertrauensbeweis waren, als sie verstehen würde. «Ich will mich nicht verteidigen oder rechtfertigen. Aber Offenheit verdient Offenheit. Erstens bin ich gegen meinen Willen an dieses Präsidium versetzt worden. Zweitens ist mir nach vier Wochen klargeworden, dass man mich gern als eisernen Besen verschleißen würde. Drittens wissen Sie so gut wie ich, dass es viele Anlässe gäbe, mit harter Hand durchzugreifen. Viertens aber hätte ich erwartet, dass einige wenige Kollegen klug genug wären, diesen Zusammenhang selbst zu erkennen, diesen und noch ein, zwei andere, Frau Matthies.» Er stand auf und verabschiedete sich trocken: «Entschuldigen Sie die Störung, und vergessen Sie, was ich Ihnen vorgeschlagen habe.»

Sie blieb sitzen und senkte den Kopf.

*


AM MONTAGMORGEN KNÖPFTE er sich Schultheiß vor, der offenkundig mit etwas Ähnlichem gerechnet hatte. «Es geht um Hehlerei.»

«Und um Diebstahl und Einbruch, Herr Kriminalrat.»

«Richtig. Genau darum werden sich die Reviere und Wachen kümmern.»

Nach diesem Befehl zeigte Schultheiß das völlig ausdruckslose Gesicht eines Mannes, der anderer Meinung ist, aber genau wusste, wann er zu gehorchen hatte.

«Ich wünsche, dass Lincke entscheidet, in welchem Fall nicht zugegriffen wird.» Schultheiß schwieg noch immer unbewegt. «Ich will nicht die Hehlerei-Struktur einer Großstadt dokumentieren, sondern in erster Linie Diebe und Einbrecher fassen. Alpha, Beta, Gamma und Delta werden so lange nicht behelligt, bis sich neue Hehler etablieren. An diesem Nachfolgemuster sind Sie doch besonders interessiert, wie ich vermute.»

«Unter anderem, Herr Kriminalrat.»

«Meiner Meinung nach biete ich Ihnen einen fairen Kompromiss an, Herr Schultheiß. Die Hälfte Ihrer Kapazität für meine Arbeit, die andere für Ihre Programme, die mich dann nicht weiter interessieren.»

Zwar hatten sie leise und höflich miteinander gesprochen, aber allen Männern und Frauen, die ohne Unterbrechung tippten und tasteten, war völlig klar, dass sich in der entferntesten Ecke des Saales Entscheidendes abspielte. Die Spannung lag wie Gewitterschwüle in der Luft, und während Holm sein Gegenüber nachdenklich musterte, registrierte er die atemlose Stille, die seltsamerweise durch das matte, sanft beharrliche Klicken der Kunststofftasten noch verstärkt wurde.

«Vielleicht rede ich ja mit dem falschen Mann, Herr Schultheiß. Aber ich bin so altmodisch zu glauben, dass Fiktionen manchmal ganz hilfreich sind.»

Plötzlich lächelte Schultheiß: «In diesem Punkt unterscheiden wir uns nicht.»

«Sehr schön. Dann bis heute Abend.»

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