Читать книгу Sammelband 4 Horst Bieber Krimis: Zeus an alle / Was bleibt ist das Verbrechen / Moosgrundmorde / Nachts sind alle Männer grau - Horst Bieber - Страница 29

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13.


Noch in der Nacht hatte er in die SoKo-Zentrale telefoniert, er werde erst gegen Mittag eintrudeln, und beim späten Frühstück holte er sich das Telefon. Marga Ahlsen hatte geglaubt, er sei bei der Frankfurter Kripo, und beinahe hätte er sich verraten und darauf verzichtet, die Vorwahlnummer zu notieren. Denn der oder die Unbekannte wohnte hier in der Stadt.

«Schubrick.»

«Entschuldigung - wer spricht dort?»

«Otto Schubrick, Künstlervermittlung.»

«Dann entschuldigen Sie bitte, ich habe mich verwählt.»

«Schon gut. Wiederhörn.»

Otto Schubrick, Makler und Agent, Danziger Straße 38. Gedankenverloren klappte er das Telefonbuch zu. Zufall, dass sich Benno Eiche diese Nummer aufgeschrieben hatte? Eine harmlose Verbindung? Marga, das Täubchen, war anderer Meinung gewesen, und als Wirtin einer solchen Kneipe sollte sie genug Erfahrung oder Instinkt besitzen ... Vorsichtshalber rief er Hans-Werner Bockel an, der sich die Geschichte stumm anhörte. Erst hinterher brach er in eine Serie von Grunzern und Schnaufern aus. «Was meinst du dazu?»

Ha-We hatte Erfahrung, er war nicht zufällig zum Leiter der Abteilung Organisierte Kriminalität berufen worden: «Hör mal, Arno, das spricht für Organisierte. Wenn einer so offen anwirbt, heißt das, die Typen machen ihre Arbeit, werden ausgezahlt und verstreuen sich wieder in alle Winde. Der Verbindungsmann zur Organisation verduftet ebenfalls und taucht unter.»

«Traust du Benno Eiche eine solche Funktion zu?»

«Kann ich nicht beurteilen. Ich hör mich mal um.»

«Pass bloß auf, dass meiner Marga nichts passiert.»

Ha-We kicherte maliziös: «Bist du bei unserer Taube gelandet?»

«Nix. Ich habe in meinem Bett geschlafen, schlag dir den Gedanken an eine Provision aus dem Kopf.»

«Schade. Hör zu, Arno, es wäre ungewöhnlich, wenn der Mann, der anwirbt, später auch als Verbindungsmann zur Spitze fungieren würde. Verstehst du? Er könnte auf den dummen Gedanken kommen, seine Personenkenntnisse zu Geld machen zu wollen.»

«Kapiert. Das bleibt alles schön unter uns?»

«Wie die Taube unter der Decke! Bis bald mal!»

Auf der Fahrt ins Präsidium machte er einen Umweg. Das Viertel östlich des Hauptbahnhofs war in den letzten Jahren schwer heruntergekommen. Alte Häuser in endlosen Reihen, sechs, sieben Stockwerke hoch, früher einmal Wohnungen mit guter Adresse. Inzwischen waren die Besserverdienenden in die Reihenhäuser am Stadtrand geflüchtet. Die Stadthäuser brauchten seit Jahren einen neuen Verputz, an Farbe war ebenso gespart worden wie an neuen Ziegeln. Die Balkongitter rosteten. Fast alle Straßenbäume waren geschlagen worden, um Parkplätze zu schaffen, und trotzdem standen die Autos kreuz und quer, mit Vorliebe auf den Bürgersteigen. Parterre reihte sich Geschäft an Geschäft, Büros hatten die Mieter aus den unteren Etagen verdrängt. Die Hinterhöfe waren längst zugebaut, mit Garagen, Lagerplätzen und Kleingewerbe. Die Büro- und Geschäftsschilder boten einen Querschnitt durch die europäische Sprachenwelt, und trotz dieser bunten Vielfalt war es ein düsteres Viertel, dessen graue Tristesse lähmend wirkte. Schmale Durchbrüche, verwinkelte Gänge und nachträglich geschaffene Passagen machten das Viertel unübersichtlich - ein staubiger Kaninchenbau hinter der verwitterten Fassade ehemaligen Bürgerstolzes. Der dichte Durchgangsverkehr dröhnte ohrenbetäubend.

Nummer 38 in der Danziger Straße unterschied sich in nichts von seinen Nachbarn. Auch hier war die ursprüngliche Haustür herausgerissen worden, um einen überdachten Vorplatz zu bauen. Links und rechts der Haustür kündeten über zwanzig Schilder von reger geschäftlicher Tätigkeit.

«Otto Schubrick, Agentur für Künstler und Bühnenpersonal. Makler und Finanzverwalter.» Holm grinste. Romeo auf der Suche nach einem Kredit für die Hochzeitsreise mit Julia nach Stratford 011 Avon. Schubricks Büro lag im zweiten Stock. Das Treppenhaus war hoch und düster, die breite Holztreppe mit dem geschnitzten Geländer knarrte leise. Vier Türen gingen vom Absatz ab. Nicht sehr günstig.

Er machte kehrt und suchte sich im Erdgeschoss einen Weg auf den Hinterhof. Viel zu viele Fenster. Und außerdem die Werkstatt eines Klempners. Da war nichts zu machen.

Er bummelte um den Block herum; die Posener Straße verlief parallel zur Danziger Straße und bot dasselbe Bild. Schubrick saß mitten in einem Kaninchenbau, und wer immer ihn beobachten wollte, lief Gefahr, bemerkt zu werden. Ärgerlich zog er ab.

Mit Stolle konnte er nicht darüber reden, Schultheiß wollte er nicht einweihen, und zu einer offiziellen Telefonüberwachung reichten die dürftigen Beweise nicht. Als Schultheiß die Zentrale verließ, um einen technischen Fehler zu beheben, setzte er sich an ein Terminal und rief das alphabetische Namensverzeichnis auf, das der Computer jeweils um Mitternacht anfertigte. Schubrick, Otto existierte nicht im Verzeichnis.

Auch der Fels konnte nicht weiterhelfen. «Nie in Verdacht geraten, Herr Holm.» Er lächelte sanft: «Kann unser Freund Schultheiß nicht helfen?»

«Könnte vielleicht, aber ich möchte es nicht.»

Siebold schwieg die unvermeidlichen zwei Minuten und brummte endlich: «Ich verstehe.»

Also blieb nur Cordula. Zuerst unterschrieb er die dienstliche Anweisung, die Ermittlungen im Fall Waldsaum einzustellen und die Akten an die Staatsanwaltschaft abzugeben, ging danach zu ihr, schloss nachdrücklich die Tür hinter sich und bat sie um Hilfe: «Zwei oder drei zuverlässige Leute, Frau Matthies. Es geht um eine Überwachung.»

«In einem laufenden Fall?» Sie verhielt sich neutral, zeigte weder Erstaunen noch Misstrauen, aber er gewann doch, als er sie schweigend musterte, den Eindruck, dass sie über die Unfreundlichkeiten nachgedacht hatte, die er ihr in ihrer Wohnung an den Kopf geworfen hatte.

«Im Fall eines Kollegen. Offiziell kann ich Sie schlecht anweisen.»

Eine Weile ging sie mit sich zu Rate. «Drei Mann?», bot sie endlich an und wich seinem Blick zum ersten Mal nicht mehr aus. «Intelligente Leute mit Initiative, bei denen ich trotzdem sicher sein kann, dass sie sich strikt an die Dienstvorschriften halten?»

In ihren Augen glomm etwas auf, das er nicht zu deuten wagte: «Halten Sie das oder Verschwiegenheit für wichtiger?»

«Im Idealfall hält es sich die Waage, Frau Kollegin. Otto Schubrick, Makler und Agent, Danziger Straße 38. Seine Privatanschrift steht wohl im Telefonbuch.» Er zögerte, aber ihre rechte Faust entspannte sich gerade. Sie hatte schöne Finger, lang und kräftig, mit kurz geschnittenen Nägeln. «Vorerst einmal eine Umfeldermittlung? - Vielen Dank.»

*


DUHMEN WAR VON DER Tür seines Zimmers aus kaum zu erkennen, so sehr hatte er sich mit einer dicken Zigarre eingenebelt. Als Holm hüstelte, knurrte der Chefredakteur, ohne den Blick vom Monitor zu wenden: «Regen Sie sich nicht auf. Der Mensch kann lange Zeit ohne Sauerstoff überleben.»

«Bis jetzt hab ich’s noch nicht trainiert.»

«Dann fangen Sie gleich damit an. Ich muss eben diesem jungen Schnösel beibringen, dass Meinungen gut, Tatsachen aber besser sind.»

Holm setzte sich und beobachtete halb erheitert, halb respektvoll, wie Duhmens Finger über die Tasten tanzten. Die grimmig gerunzelte Stirn deutete daraufhin, dass hier durch Redigieren eine Art Hinrichtung vollzogen wurde, und deswegen stichelte er: «Ich dachte immer, Journalismus sei Klatsch plus Vorurteil.»

«Nicht bei einem Reaktionär wie mir. Da gilt immer noch: Artikel sind Gerüchte minus Recherche.»

«Multipliziert mit Ideologie.»

«Wollen Sie mich um ein Volontariat bitten?» Duhmen haute auf die Return-Taste, dass Holm um die Anlage fürchtete, schob die Tastatur weg und enthüllte eine Reihe prachtvoller, gelb verfärbter Zähne.

«Nein. Ich brauche noch einmal Ihre Hilfe. Munition gegen Ingeborg Wendel.»

«So? Und warum, verehrter Herr Kriminalrat?»

«Wir reden doch vertraulich? Weil ich angeordnet habe, die Ermittlungen einzustellen.»

«Das wird die liebe Ingeborg freuen. Was wollen Sie wissen?»

«Warum ist die Ehe der Wendels geschieden worden?»

Duhmen paffte ein paar Züge, es legte sich wie graublauer Nebel um seinen mächtigen Schädel. «Obo hatte nach einiger Zeit vernünftigerweise die Schnauze voll von diesem Drachen und hat mit einer anderen Frau geschlafen.»

«Obo ist ...»

«Der Ex-Ehemann. Musiker, Oboist von Beruf, daher der Spitzname. Saras Vater. Ein netter Kerl, nur etwas plemplem, sonst hätte er Ingeborg nie geheiratet. Na, Liebe macht ja blind oder so, jedenfalls ließ er sich mit einer Freundin seiner Frau ein, Ingeborg kam dahinter und schickte ihn zum Teufel, wobei ich glaube, dass er es wohl eher als eine Art Paradies empfand.»

«Wie hieß denn Obos Privatserenade?»

«Marianne Reinecke.»

«Ach nee!» Holm starrte Duhmen an, der seine aufgesetzte Fröhlichkeit verlor und kummervoll seine Hände faltete. «Hm, mir stößt ein kleiner Widerspruch auf. Ingeborg Wendel verkehrt immer noch freundschaftlich mit den Reineckes? Obwohl Marianne Reinecke ihr den Mann ausgespannt hat?»

«Hach! Wie heißt das Motto unserer Abgeordneten? <Auge um Auge, Zahn um Zahn.>»

«Wie bitte? Christian Reinecke?»

«So wird gemunkelt, aber nur ganz vorsichtig!»

«Kennen Sie die Wendels und Reineckes persönlich?»

«Aber sicher. Stützen der Gesellschaft und so. Morsches Holz, aber es trägt.» Duhmen spottete, aber Holm hörte seine Wut heraus. «Eine Viererkiste? Sozusagen über Kreuz?»

«Kann ich nicht sagen. So gut kenne ich sie wiederum nicht.» Sein Ton drückte jetzt eine Warnung aus, und bevor Holm sich die nächste Frage überlegen konnte, wurde die Tür aufgerissen; ein junger Mann steckte den Kopf ins Zimmer und kreischte: «Chef, damit bin ich nicht einverstanden, das geht zu weit ...»

«Fand ich auch!» Blitzschnell hatte Duhmen umgeschaltet, und Holm bewunderte unwillkürlich die schauspielerische Leistung des Riesen, der sich aufrichtete wie ein wütender Stier. Der Verlierer stand bereits vor Beginn des Kampfes fest, und Holm verließ unauffällig die Arena.

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