Читать книгу Vertraue niemandem - Horst Buchwald - Страница 13
Acht
ОглавлениеSie hatten es nicht anders erwartet. Das Magazin „Streitlust“ brachte einen Artikel, der sich auf zwei zentrale Aussagen konzentrierte: 1. Die neue Außenministerin treibt das Land leichtfertig in einen Konflikt, der sehr schnell in einen größeren Krieg ausarten kann. 2. Sie hat vermutlich nicht die Unterstützung der Kanzlerin. Deren Sprecher stimme dem nicht zu, dementiere aber auch nicht.
Kaum hatten Karin und ihr Pressesprecher den Artikel besprochen, bemerkte sie auf dem Display ihres Handys, daß die Kanzlerin anrief.
„Wie ist es heute um 14 Uhr bei mir im Büro. Ich spendiere auch einen guten Cappuccino.“
Karin spürte, daß die Kanzlerin vorerst nicht auf Konfrontation aus war. Wenn es mal Differenzen gab, war der Cappuccino das Symbol für die Friedenspfeife. Aber würde das in diesem Fall auch funktionieren? Karin war skeptisch, sagte aber dennoch zu.
„Gerne, ich komme um 14 Uhr rüber. Bis dann.“
Die Kanzlerin trug schwarz, Karin fast nur rot. Sie lächelten sich an und die Kanzlerin winkte sie zu der gemütlichen Sesselgruppe. Als Karin saß, begann sie für beide einen Cappuccino zu kochen. Drei schnelle Klicks auf das Display der Kaffeemaschine – das reichte für einen köstlichen Trunk. Während die Maschine leise summte, setzte sich die Kanzlerin zu ihr.
Karin hatte sich vorgenommen, jeder Konfrontation aus dem Weg zu gehen, geschmeidig an einer Zuspitzung vorbeisteuern, hieß ihre Devise. Dennoch wollte sie wissen, ob Ruth mit der Redaktion von „Streitlust“ gesprochen hatte.
„Nein. Kein Wort. Aber ich konnte gegenüber einigen Presseagenturen nicht dementieren, daß es Differenzen zwischen uns in der Frage gibt, ob und wie wir uns zu dem Fall Kongo positionieren.“
„Hast du dir dazu eine Meinung bilden können?“
„Nichts Hundertprozentiges. Darum möchte ich dich bitten, mir deine Argumente zu nennen und mich zu überzeugen oder auch nicht.“
Die Kanzlerin war immer sehr direkt. Karin entschied sich für eine kurze Erklärung: „Auf dem Markt für strategische Rohstoffe – und dazu gehört Tantal – herrscht eine sehr angespannte Lage. Für uns als Hightech-Nation ist dieser Rohstoff überlebenswichtig. Also müssen wir einen sicheren Zugang zu diesem wichtigen Rohstoff haben. Im Kongo hat Golden Security die Förderung in der Hand. Das ist nach unseren Informationen eine Terrorgruppe, die sich aus ehemaligen Elitesoldaten zusammensetzt. Sie kommen aus den USA, England, Rußland, aber auch Deutschland und einigen anderen Ländern. Sie manipulieren den Weltmarktpreis. Das geht, weil die Produktion des Kongo etwa ein Drittel des Weltmarktes ausmacht. Tantal ist ein knappes Gut und knappe Güter steigen im Preis. Sind es auch noch sehr wichtige Güter, steigen die Preise noch mehr. Tantal steckt in jedem Hightech-Produkt der Elektro- und Computerindustrie. Die Förderbedingungen für die Arbeiter sind mörderisch. Die Arbeiter sind Lohnsklaven, das senkt die Produktionskosten und erhöht die Gewinne der Terrorgruppe erheblich. Der kongolesische Staat ist machtlos und hat die internationale Gemeinschaft um Hilfe gebeten. USA, GB, Frankreich und auch Rußland haben eine Hilfe offengelassen. Der Grund ist einfach: Sie beziehen Tantal von anderen Zulieferern. Dennoch kritisieren sie die Preismanipulationen. Wenn wir uns nun entschließen, dort für Ruhe zu sorgen, wird uns die Regierung des Kongo Privilegien einräumen, und das bedeutet: Unsere Unternehmen werden diesen Rohstoff sicher vorteilhafter nutzen können als gegenwärtig.“
„Aber warum müssen wir dann Soldaten dort unten haben? Es reicht doch, wenn du mit deinen Diplomaten Überzeugungsarbeit leistest.“
„Nein, das kann gar nicht erfolgreich sein, weil diese Diplomaten nicht ernst genommen werden, und zwar weder von der Regierung im Kongo noch von Golden Security. Was haben sie zu bieten? Sprüche, Ratschläge. Man wird sie mit leeren Händen nach Hause schicken. Eine entsprechend starke und gut ausgerüstete Armee jedoch kann die Terrorgruppe zwingen, die Waffen niederzulegen. Ist das erst einmal erreicht, leiten wir – wenn notwendig Verhandlungen ein – oder wir jagen die Terrorgruppe zum Teufel.“
„Und wie werden die Amerikaner, Briten, Franzosen und Russen reagieren?“
„Sie können gar nicht anders, als uns Beifall zu zollen. Denn auch sie benötigen in den nächsten Jahren mehr Tantal als gegenwärtig.“
„Klingt – zumindest theoretisch – gut, aber der entscheidende Haken ist: Wie gelingt es unserer Armee, die Golden Security dazu zu bringen, daß sie ihre Waffen niederlegen? Wie hoch ist das Risiko? Mit welchem Personal- und Waffeneinsatz müssen wir rechnen und welche Folgekosten entstehen maximal?“
„Das lasse ich ab morgen prüfen und ausrechnen.“
„Also habe ich richtig vermutet: Du hast eine militärische Aktion angekündigt, ohne zu wissen, mit welcher Strategie und mit wie viel Soldaten, Panzern und Flugzeugen wir einsteigen müssen und welche Kosten das minimal und maximal verursacht?“
„Okay, ich lasse das prüfen und dann reden wir noch mal. Dabei sollten wir den zutiefst humanen Sinn dieser Aktion und seine wirtschaftliche Bedeutung immer im Auge haben: Nach vielen Jahren sinnlosen Abschlachtens sorgen wir dort unten für Ruhe und Frieden. Das wird unser Image erheblich anheben und es wird auch unseren wirtschaftlichen Interessen in Afrika nützen.“
Die Kanzlerin blieb ungehalten, überlegte nun aber, wie sie ihr Unbehagen formulieren sollte. Schließlich meinte sie:
„Deine Ankündigung war vorschnell und nicht reiflich überlegt. Wenn du mit deinen Experten in den nächsten zwei Tagen eine überzeugende Analyse vorlegst, halte ich mich mit öffentlichen Äußerungen erst einmal raus.“
Sie erhob sich und verabschiedete Karin ohne Lächeln.