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Anfang September 2015 – München – Eine ungewöhnliche Fahrt

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Normalerweise folgte Jassim seinem Herrn in allem mit stoischer Ruhe. Er wurde nur wütend, wenn etwas den Scheich bedrohte, oder jemand sich seiner Meinung nach nicht respektvoll genug zeigte.

Diesmal jedoch sah er regelrecht beleidigt aus. Offenbar befand er das Transportmittel „U-Bahn“ als unter der Würde seines Anführers. Carina grinste fröhlich und auch um Rayans Mundwinkel zuckte es ab und zu. Er ließ sich seine Erheiterung darüber, dass sich sein treuer Gefolgsmann derart anstellte, aber nicht offen anmerken. Es ging ihm durch den Kopf, was Jassim wohl sagen würde, wenn er wüsste, dass sein Herr schon weitaus Schlimmeres mitgemacht hatte, als die Münchner U-Bahn, die alles in allem doch recht sauber war. Schon als er klein war, hatte sein Vater dafür gesorgt, dass er sich nicht etwa auf goldenen Kissen ausruhte, da war das Ausmisten der Ställe noch harmlos gewesen. Nach seiner Flucht aus Zarifa und später in Rabea Akbar hatte er quasi in der Gosse gelebt, bis er wieder auf die Beine gekommen war. Und auch bei seinen diversen Undercover-Einsätzen für seine Spezialeinheit hatte er sich mehr als nur die Hände schmutzig gemacht. Doch das alles konnte Jassim natürlich nicht wissen.

Sie waren fast beim „Stachus“ in der Innenstadt angekommen, als sich ein Mann näherte, der anscheinend um Kleingeld betteln wollte.

Carina merkte, dass sich sowohl Jassim, als auch Rayan sofort anspannten, denn der Mann war arabischer Abstammung. Sie selbst empfand die Art und Weise, wie dieser Arme die Aufmerksamkeit der Fahrgäste zu gewinnen hoffte als peinlich und begann, sich „fremd-zu-schämen“. Denn er kniete sich hin und schob ihnen einen Hut zu, in den sie dann etwas einfüllen sollten. Erst etwa eineinhalb Jahre zuvor, kurz bevor sie nach Dubai aufgebrochen war, war Carina beruflich in Prag gewesen und hatte auch dort bereits diese neue Art und Weise des Bettelns mit Schaudern zur Kenntnis genommen.

Dann fiel ihr Blick auf ihre beiden Begleiter und sie erschrak. Rayan hatte seine rechte Hand gesenkt und ließ den Arm scheinbar leger seitlich herunterhängen. Für einen Außenstehenden eine zufällige Geste. Doch Carina, die ihn sehr gut kannte, bemerkte sofort, dass sein Körper alles andere als locker war: Der Scheich hatte alle Muskeln sprungbereit angespannt. Und ihr war klar, dass er diese Körperhaltung immer nur dann einnahm, wenn er bereit sein wollte, seinen Dolch blitzartig hervorzuholen. Auch Jassim hatte seine Hand nun unter seinem Jackett, sicherlich war dort seine Waffe griffbereit.

Carina betete innerlich, dass die Bahn schneller fahren möge, um sie zur nächsten Station zu bringen, an der sie ohnehin hatten aussteigen wollen. Doch ihr Wunsch wurde nicht erfüllt. Ohne die Anspannung zu bemerken, kam der Bettler näher, bis er auch vor ihnen seine Show darbot: Er kniete nieder und schob seinen Hut auf Rayan zu.

Auf einmal fuhr Rayans Linke nach unten und drehte dem Mann das Handgelenk herum, sodass die Innenseite seines Unterarms sichtbar wurde. Ein arabisches Schriftzeichen war dort eingebrannt, welches Carina jedoch nicht genau erkennen konnte. Alleine die Vernarbungen, die durch das Brandzeichen entstanden waren, jagten ihr einen Schauer über den Rücken.

Entsetzt über die unerwartet gewaltsame Kontaktaufnahme, starrte der Mann zu Rayan hoch und richtete sich halb auf.

„Ich kenne dieses Zeichen!“, zischte der Scheich hasserfüllt. „Harun Said verwendete es, um Verräter in Damaris zu kennzeichnen.“ Er starrte den Bettler mit blitzenden Augen so voller Verachtung an, dass selbst Carina zurückzuckte. „Geh mir aus den Augen, bevor ich dir hier vor allen Leuten die Kehle aufschneide.“

Panisch riss der Mann sich los, packte schnell seinen Hut und rannte ein ganzes Stück den Waggon hinunter. Erst mit einigen Metern Sicherheitsabstand wandte er sich noch einmal um. Auf Arabisch schrie er: „Harun Said wird seine Arroganz bald bereuen! Der Skorpion wird ihn holen! Und dich auch!“ Dann spuckte er auf den Boden und rannte davon, als sei der Teufel hinter ihm her.

Jassims Gesicht war zu einer wütenden Fratze verzogen, einen Moment lang glaubte Carina, er würde dem Mann nachsetzen. Beruhigend legte Rayan die Hand auf den Arm seines Leibwächters und schüttelte leicht mit dem Kopf. Es starrten ohnehin schon alle anderen Fahrgäste alarmiert zu ihnen herüber.

Carina war dankbar, als wenig später der Zug in den U-Bahnhof einfuhr.

Rayan - Der Stich des Skorpions

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