Читать книгу Rayan - Der Stich des Skorpions - Indira Jackson - Страница 29
Anfang September 2015 – München Innenstadt: Am Stachus – Ein Einkaufsbummel
ОглавлениеKaum hatten sie den U-Bahnhof verlassen und waren an die Oberfläche zurückgekehrt, rief Rayan seinen Freund Harun an. Nach einer kurzen Begrüßung und dem Austausch einiger Floskeln berichtete der Scheich dem Fürst von Damaris von ihrem Erlebnis. Der hatte zwar eine Ahnung, wer der Mann vermutlich gewesen war, stellte ihn jedoch als harmlosen Irren hin. Sonst hätte er ihn kaum laufen lassen und lediglich mit Verbannung bestraft. Was mit „Skorpion“ gemeint sei, darauf könne er sich auch keinen Reim machen, vermutlich fantasierte der Mann. Sie überlegten einen Augenblick, ob der ominöse Fremde Rayan erkannt hatte, als er sagte „und dich auch“, aber sie kamen zu dem Schluss, dass das sicher nicht der Fall gewesen war. Für alle Fälle wollte Harun Erkundigungen einziehen, ob jemand mit „Skorpion“ etwas anfangen könne.
Dann bat er Rayan, Carina an ihr Versprechen zu erinnern: Sie habe ihm zugesagt, bald nach Damaris zu kommen. Woraufhin der Scheich versprach, dass sie beide sicher im Anschluss an das bald anstehende Stammestreffen gemeinsam Zeit finden würden, ihren alten Freund zu besuchen. Er würde seine Reisepläne entsprechend anpassen. Dies war er Harun schuldig, wo es doch seine Männer gewesen waren, die Carina vor einigen Wochen nach dem Flugzeugabsturz gefunden und gerettet hatten. Sie verdankte ihm also mit großer Wahrscheinlichkeit ihr Leben.
Rayan konnte trotz dieser Umstände einen Ausdruck von Eifersucht nicht verbergen, als er Carina nach Beendigung des Telefonats von diesem Versprechen berichtete. Da war etwas in Haruns Stimme gewesen … oder bildete er sich das etwa ein? Und nun färbten sich auch noch Carinas Wangen rot, als wäre ihr das Thema unangenehm. Er nahm sich vor, bei Gelegenheit noch einmal auf diesen Besuch zurückzukommen und sich vor allem detailliert die Ereignisse der Rettung schildern zu lassen.
Carina dagegen war froh, als Rayan das Thema unerwartet schnell auf sich beruhen ließ. Nur zu deutlich war ihr in Erinnerung, wie sie und Harun Said sich geküsst hatten. Damals, als sie glaubten, er wäre beim Absturz gestorben. Doch es war bei einem Kuss geblieben, denn danach hatte sie dem Herrn von Damaris einen Korb gegeben. Sie schalt sich als übersensibel, dass sie deswegen ein schlechtes Gewissen hatte.
Als sie den Torbogen durchschritten, der den Eingang zur Fußgängerzone bildete, nahmen sich alle beide vor, sich jetzt erst einmal ganz dem Flair von München hinzugeben. Jassim folgte wie üblich mit ein wenig Abstand und hielt die Umgebung wachsam im Auge.
Rayan war schon verschiedene Male in der bayerischen Landeshauptstadt gewesen, vor allem weil hier auch die Europazentrale seiner Firma TanSEC war, aber noch nie hatte er es bis in die Innenstadt geschafft. Der Weg vom Flughafen zur Filiale und zurück war ihm vertrauter. Und natürlich hatte er bei seinem letzten unglücklichen Besuch im Januar unfreiwillig einen Teil des Englischen Gartens kennengelernt. Er verscheuchte diesen unangenehmen Gedanken schnell.
Hand in Hand schlenderten sie die Passage entlang und kommentierten die Schaufenster und Passanten, ganz wie bei einem gewöhnlichen Pärchen. Carina strahlte. Als zu ihrer rechten ein Schild auf die Traditionsbrauerei und deren im hinteren Bereich befindlichen Biergarten hinwies, zog sie Rayan mit sich hinein. Jassim blieb aufmerksam die vorbeischlendernden Passanten beobachtend, vor der Tür stehen.
Vermutlich, da es ein Wochentag war, ergatterten sie problemlos einen Tisch. Trotz des reichhaltigen Frühstücks sah Carina auf ihre Uhr und stellte erleichtert fest, dass es kurz vor 11 Uhr war, und sie somit noch früh genug dran waren zum „Weißwurstessen“. Dazu bestellte sie sich ein Weizenbier. Rayan beobachtete ihre Begeisterung lächelnd, er selbst entschied sich für den „Obatzten“, da er kein Schweinefleisch aß. Er sah sich in dem kleinen Innenhof um und bewunderte die Verzierungen an der Steinfassade.
Entspannt scherzten und plauderten sie eine ganze Weile, dann gesellten sie sich wieder zu Jassim. Sie bewunderten den Blick auf die Frauenkirche und die sonstigen Sehenswürdigkeiten dieser Straße, bis sie zum Marienplatz kamen. Erstaunt fragte Rayan seine Begleiterin, was denn die vielen Menschen machten, die dort offenbar auf etwas warteten. Es waren überwiegend Touristen, viele davon aus Asien.
Lachend zeigte Carina auf die Fassade des neuen Rathauses und berichtete vom Glockenspiel. Sie zeigte dabei auf die Figuren. Jassim schüttelte den Kopf, er war Pragmatist und hatte wenig Sinn für derlei „Attraktionen“.
Interessant fanden beide auch die vielen Fahrräder, mit denen Touristenführer Touren durch die Stadt anboten - so etwas gab es in Alessia nicht.
Sie drehten eine Runde über den Viktualienmarkt und staunten über die Pferdemetzgerei. Nachdem die edlen Rösser aus der Zucht von Zarifa eher als Gefährten, denn als Transportmittel angesehen wurden, konnte sich keiner von den dreien vorstellen, diese jemals essen zu wollen.
Auf dem Rückweg schlenderten sie die rechte Seite entlang und als wäre Rayan gerade etwas eingefallen, schob er Carina in ein alt eingesessenes Juweliergeschäft.
Der Mann hinter dem Tresen sah interessiert auf, denn außer ihnen war der Laden leer. Mit geübtem Auge musterte er Carina von oben bis unten und konnte seine Enttäuschung nur schlecht verbergen. Die Frau war zwar attraktiv, und ihre Kleidung adrett, aber so eindeutig von der Stange, dass diese Dame bestimmt keinen größeren Betrag bei ihm zu lassen gedachte. Dann wanderte sein Blick weiter auf ihren Begleiter und ein Ruck ging durch seinen gesamten Körper, fast als würde er Haltung annehmen. Auf Anhieb erkannte er eine maßgeschneiderte Hose, wenn er sie vor sich hatte, und auch das Hemd war unverkennbar hochwertig. Demonstrativ hatte der Kunde seinen Arm um seine Freundin gelegt, offenbar hatte er den abschätzenden Blick sofort bemerkt.
Ein wenig verlegen, dass er so offenkundig durchschaut worden war, erkundigte sich der Angestellte mit besonderer Höflichkeit nach den Wünschen seiner Kunden. Erleichtert stellte er daraufhin fest, dass sich der elegant gekleidete Mann wieder entspannt hatte. Er hatte also den richtigen Ton getroffen.
Auf Englisch informierte Rayan den Angestellten, dass sie heute auf eine Hochzeit eingeladen seien und er seiner Freundin - der Verkäufer freute sich innerlich, dass er die Beziehung richtig eingeschätzt hatte - einen angemessenen Schmuck zu kaufen gedenke. In einer internationalen Stadt mit vielen Touristen wie München, war es keine Seltenheit, Englisch zu sprechen und so wechselte der Verkäufer problemlos in ein flüssiges, allerdings mit eindeutig deutschem Akzent versetztes Englisch. Wie bei so vielen anderen Deutschen machte ihm das „th“ zu schaffen.
Auf einmal erstarrte er und blickte wie gebannt auf Rayans Uhr. Als hätte er den goldenen Gral gefunden, begann er über die „Richard Lange Ewiger Kalender“ zu schwärmen, genau, wie Peter es am Vortag schon gemacht hatte. Gelangweilt maulte Carina, die über Ketten und Ohrringe und nicht über Uhren zu sprechen gedachte. Bevor Rayan es diesmal verhindern konnte, erläuterte der Juwelier: „Meine Dame! Diese Uhr ist eine Seltenheit! Es gibt nur einige wenige davon und sie kostet immerhin 180.000 Euro …“