Читать книгу Mein Kampf, das Leben - Ines Glantz - Страница 14
11. Meine Schullaufbahn
ОглавлениеIch war sehr stolz, dass ich den Wechsel aufs Gymnasium geschafft hatte. Aber damit ergaben sich neue Probleme und meine Leistungen wurden schlechter. Als ich noch zu Hause gewohnt hatte, hatte ich mich für mich und meine Mutter geschämt. Wie es so bei einem Schulwechsel ist, musste erst mal eine Rangordnung hergestellt werden. Es gab welche, die waren einfach beliebt und cool. Ihr Vorteil war, dass sie tolle Klamotten hatten, schon reifer aussahen und ausreichend Selbstbewusstsein besaßen, um sich durchzusetzen. Dazu gehörte ich definitiv nicht. Mir fehlte es an allem, was die anderen hatten. Und so herrschten die Stärkeren über die Schwächeren, um sich groß zu machen. Ich war damals einfach ein hässliches und zurückgezogenes Englein, das andere dazu einlud, mich zu tyrannisieren. Es gab genügend Situationen, die die Gemeinheit der anderen offenbarten. Keiner half mir, sie hielten sich raus. Ich weiß nicht, wie oft ich mich in der Toilette versteckte, um nicht schon wieder die blöden Sprüche zu hören. Zu meinem Nachteil, war die Toilette auch ein Ort, in den ich zwar reinkam, aber später kaum noch raus. Denn die Mädels bekamen das spitz und führten ihre Gemeinheiten dort weiter. Auf der Toilette gab es keine Aufsicht, die mir hätte helfen können. Für viele waren es einfache nur Streiche, aber für mich, die Betroffene, war es eine riesige Qual. Es fing damit an, dass sie ihre Pausenbrote über die Tür und Seitenwände warfen und endete damit, dass auch Klobürsten flogen. Es war sehr erniedrigend für mich. An eine Situation erinnere ich mich besonders. Ich hatte mir nach monatelangem Sparen meine erste eigene Hose gekauft. Es war zwar nur eine Hose aus Polen, aber mein ganzer Stolz, und ich hatte sie mir selbst ausgesucht. Ich habe die hellblaue Schlaghose heute noch vor Augen. Sie saß gut und ich fühlte mich in ihr auch nicht so dick. Da ich mich in der Hose wohlfühlte, störten mich mein Körperumfang und mein Gewicht nicht. Natürlich zog ich sie auch in die Schule an, aber das war ein großer Fehler. Meine Klassenkameradinnen bewarfen mich mit Dreck und traten mich. Ich war mal wieder gedemütigt worden und meine Hose zerstört, dabei war ich so stolz drauf, vor allem, weil ich sie mir selbst gekauft und ausgesucht hatte.
Die Schule war vor dem Wechsel immer ein sicherer Ort für mich gewesen, aber auch den hatte ich verloren. Es gab keinen Raum mehr für mich, wo ich mich sicher fühlte. Zu Hause wartete meine alkoholisierte Mutter auf mich und in der Schule empfingen mich Ärger und Demütigungen. Leider traute ich mich nicht, die Schule zu schwänzen, aus Angst davor, meine Mutter könnte zum Elterngespräch gebeten werden. Dann würden auch meine Mitschüler sie sehen. Ich schämte mich für sie und tat alles, damit andere sie nicht sahen. Es war die reinste Qual für mich, und meine Lust und Freude an der Schule und am Lernen schwand immer mehr.
Während meiner Heimzeit änderte sich das. Ich bekam mehr Selbstbewusstsein und wehrte mich, dadurch änderte sich auch meine Position in der Klasse. Meine Freude auf die Schule wuchs wieder. Leider hielt das nicht lange an, denn mit dem Umzug des Heims kamen neue Probleme und Ängste auf mich zu. Es erdrückte mich und ich hatte keine Motivation zur Schule zu gehen. Ich hätte mich eh nicht auf den Unterricht konzentrieren können, und so fing es an, die Schule zu schwänzte. Ich trieb mich lieber irgendwo allein draußen herum. Stundenlang streifte ich durch die Natur, immer an der Spree entlang, setzte mich ans Wasser und genoss die Ruhe und Beschaulichkeit meiner Umgebung. Vielleicht entwickelte sich da meine Liebe zur Natur, denn auch heute bin ich gern einfach nur draußen. Wenn es mir nicht gut geht, suche ich Plätze der Stille auf. Auch im Winter war ich, während ich der Schule fernblieb, oft auf der gefrorenen Spree gelaufen. Bis zu dem Zeitpunkt, als ich ein Klopfen auf dem Eis wahrnahm. Da bekam ich Angst. Damals dachte ich, es könnte ein Taucher sein, der mich holt. Ab diesem Zeitpunkt habe ich das Eis für längere Wanderungen gemieden.
Die neunte Klasse schaffte ich gerade so; die zehnte viel mir sehr schwer, weil mir der ganze Lernstoff fehlte. So entschied ich mich, nach der zehnten Klasse das Gymnasium zu verlassen, da ich das Abitur nicht geschafft hätte. Trotz meines nicht so guten Abschlusses bekam ich ein Platz an einer Privatschule und hatte dort die Möglichkeit mein Fachabitur für Sozialwesen zu machen. Die elfte Klasse viel mir nicht schwer. Es war eine reine Wiederholung, um alle auf den gleichen Stand zu bringen. Die, die vom Gymnasium kamen, hatten einen guten Vorsprung. Im Mathematikunterricht spielten wir oft Skat. Leider verpasste ich irgendwann den Anschluss und so rutschen meine Leistungen langsam wieder nach unten. Hinzu kam mein Drogenkonsum. Wir rauchten öfter Joints vor dem Unterricht, wodurch sich meine Konzentration und Aufnahmefähigkeit verringerten.
Trotz des Praktikums, das ich mit Erfolg abschloss und den noch sehr guten Noten in der elften Klasse, war ich in der zwölften Klasse kaum noch anwesend. Es kam irgendwann dazu, dass ich drei Monate fehlte. Der Grund dafür lag in meinem Drogenkonsum und meinem Umzug in eine WG. Damit fingen die Probleme erst an. Aber dazu mehr in einem anderen Kapitel. Ich brach das Fachabitur ab. Ich hätte die zwölfte Klasse zwar wiederholen können, sogar mit einem Stipendium, aber ich nahm die Chance nicht an. Meine Situation hätte sich dadurch nicht geändert und die Erfolgschancen auf einen guten Abschluss waren dadurch auch nicht höher.