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Frank Hauff war verärgert. Einmal im Jahr um die Osterzeit machte er drei Wochen Urlaub. Angelurlaub! Aber so etwas war ihm bisher noch nicht passiert. Dieser Junge bluffte nicht. Irritiert schaute auch er umher auf der Suche nach einem Verbotsschild, welches wohl normalerweise im Bereich des Angelstegs stand. ‚Das ist unser Steg‘ hatte sich der Junge entrüstet und ihm war schließlich nur ‚sorry‘ über die Lippen gekommen, es war ihm vorläufig nichts weiter dazu eingefallen. Die bereits gefangenen Forellen hatte er wütend im hohen Bogen in den Fluss zurück geschüttet. Wie ein begossener Pudel war er durch den Pfad zum Parkplatz gegangen, mit der Angelrute und dem leeren Eimer. Die Angelutensilien hatte er achtlos in den gemieteten Jeep geworfen, um dann voller Zweifel zum Hotel Haus Agnes zurück zu fahren.

Es gab zwei Möglichkeiten, entweder benutzte er unwissend seit eineinhalb Wochen den falschen Angelsteg und dieses Privatgrundstück gehörte nicht zum Hotel-Restaurant, wie es bisher für ihn den Anschein gehabt hatte, oder, und er wusste selbst nicht wieso ihm plötzlich dieser Gedanke kam, man brauchte mehr Gäste in dem Hotel? Ein Haus am Fluss – stand das nicht so in dem Flyer? Sollte dies eine Einladung speziell für Angler sein? Nur leider schloss ein steil abfallendes Ufer im Bereich des Hotels jede Angelmöglichkeit aus. Deshalb ließ man sich etwas einfallen auf Rückfragen betreffend Interesse am Angelsport? Man machte wissentlich falsche Angaben? Aber das wäre gesetzwidrig! Und das Schild, welches der Junge vermisste? War da nicht dieser Prospekt im Zimmer? Ein eigenartiges unerklärliches Gefühl beschlich Frank und er konnte es nicht einfach so verdrängen. Er parkte hinter dem Haus, schritt mit dem blauen Plastikeimer durch den Hintereingang direkt in die Küche, stellte ihn mit Nachdruck mitten auf einem Tisch ab und ging wortlos durch den Speiseraum zum Empfang.

Der Koch rief hinter ihm her: „Der ist ja leer“ und zeigte kopfschüttelnd auf den Eimer, den er mit ausgestrecktem Arm empor hielt.

Frank machte nur eine kurze verächtliche Handbewegung und eilte geradewegs zum Aufzug, der ihn in die zweite Etage brachte. Dort bewohnte er das Zimmer 206, wobei die 2 einzig und alleine für die Etage stand. Er trat ein, ging zielstrebig zum Schreibtisch auf dem der Fernseher platziert war, ebenso lag eine Mappe dort mit einigen Prospekten des Hauses und der näheren Umgebung. Frank suchte das Faltblatt mit der Beschreibung: ‚Zum Angelsteg‘ und sah, er warf genau an diesem bezeichneten Platz seine Angel aus. Es gab anscheinend überhaupt nur diesen einen Angelsteg. Ein privater Angelsteg, der laut diesem Blatt zum Hotel-Restaurant Haus Agnes, direkt am Fluss gelegen, gehörte und mit dem Auto bis Parkplatz oder per Fußmarsch über einen Pfad entlang dem Fluss, erreichbar war. Das verstehe wer will, erneut keimten Zweifel in ihm auf. Das feste Schuhwerk tauschte er mit Sandalen, warf seine Weste achtlos aufs Bett, fuhr in die Halle hinunter und bat die junge Empfangsdame: „Rufen Sie bitte Frau Hackler, ich muss sie dringend sprechen!“

Es vergingen einige Minuten, ehe die Inhaberin des Hotels freundlich lächelnd auf ihn zu kam. „Hallo, Herr Hauff, schon zurück? Das ging aber heute flott!“

Frank Hauff holte tief Luft. Was, wenn er sich täuschen ließ, wenn alles ganz anders, der Junge unwissend war? Egal, die Sache musste geklärt werden! „Frau Hackler, während meinem Angeln kam ein etwa zwölf- bis dreizehnjähriger Junge zu mir und fragte, ob ich nicht lesen könnte. Er suchte nach einem Verbotsschild, welches aber nicht an seinem Platz stand. Was soll ich davon halten, was sagen Sie dazu?“ Er zwang sich ruhig und bedächtig zu sprechen.

Frau Hackler senkte kurz ihren Blick. Beschämt suchte sie offensichtlich nach einer Ausrede oder Erklärung und begann stockend: „Ich – wir – ich meine, dazu war ich noch nicht gekommen, Frau Schnells um ihre Einwilligung zu bitten. Ich hätte es ihr bezahlt, aber wie gesagt … Mit dem Schild, das war mein Mann, es liegt unten im Keller, es ist unbeschädigt. Wir hätten es wieder aufgestellt, bald wäre der Steg ohnehin aus unserem Angebot gestrichen worden“, führte Frau Hackler ihre Erklärung fort: „In der wärmeren Jahreszeit müssen die Angler vom Ufer aus angeln, da dürfen wir den Steg nicht blockieren“, redete sie sich heraus. Sie sah flehentlich zu ihm auf und bat um Verzeihung für die ihm entstandene Unannehmlichkeit.

„Nein!“ Frank Hauff war jetzt endgültig verärgert. „Wie lange geht das denn schon so? Und überhaupt – wärmere Jahreszeit? Machen Sie meine Rechnung fertig, holen Sie das Schild aus dem Keller, mein Jeep steht hinten im Hof, legen Sie es rein. Und ich möchte die Adresse von dieser Frau, wie war noch der Name? Schnells? Also bitte, von Frau Schnells hätte ich gerne die Adresse!“ Sprach‘s, drehte sich auf dem Absatz um und verschwand wieder im Aufzug. Im Zimmer angekommen, führte sein Weg ins Bad, er duschte und fühlte tief innerlich nichts als Ärger, was eigentlich bei ihm eher selten vorkam. Sein Entschluss stand fest, ich haue ab. So packte er seinen Koffer und die Tasche, verließ das Zimmer, schloss die Türe hinter sich ab und fuhr erneut zum Empfang hinunter. Auf gar keinen Fall würde er hier auch nur noch eine Minute länger wohnen bleiben! „Bitte meine Rechnung!“ Frank legte den Zimmerschlüssel auf die Theke, stellte sein Gepäck ab und griff nach der Brieftasche.

Die Rechnung lag jedoch noch nicht vor und verdutzt fragt die Dame im Empfang: „Aber, Herr Hauff, wollten Sie nicht auch noch nächste Woche …?“

Frank Hauff ließ sie nicht ausreden, sagte sehr bestimmt: „Ich hole inzwischen meinen Jeep vom Hof. Mein Gepäck lasse ich so lange hier stehen, aber dann möchte ich zahlen!“

Die junge Dame, Hofmann stand auf dem Schild neben der Klingel, nickte leicht verschüchtert und griff zum Telefonhörer.

Als Frank Hauff um die Hausecke bog, entfernte sich der alte Hausmeister gerade vom Jeep. Er hinkte leicht und seine Bewegungen waren langsam. Er hörte wohl Franks Schritte, drehte sich um und grüßte wortlos mit seiner linken Hand. Frank bemerkte nun das Schild samt Befestigungspfahl im offenen Jeep und ging auf den alten Mann zu, der sogleich eine Erklärung lieferte: „Ich habe es aus dem Keller geholt. Habe Alfons längst gesagt, so was tut man nicht, aber gegen den kommt keiner an!“

„Interessant, Herr … Herr?“

„Müller, Müller ist mein Name.“

„Mein Name ist Hauff, Frank Hauff. Alfons ist wohl der Besitzer vom Hotel?“

„Ja, ja und mein Schwiegersohn. Wir sind alle froh, wenn er nicht allzu oft hier auftaucht. Der Kerl hat einen Puff in der Stadt, nennt das Bar, dieser dreckige Zuhälter. Irgendwann bleibt er mal in seinem schmutzigen Milieu auf der Strecke – werde ihm nicht nachweinen!“

Frank Hauff schwieg erschüttert, in was war er da nur hinein geraten? Einen Moment stand er noch unschlüssig da und sah Herrn Müller nach, der sich schwerfälligen Schrittes entfernte. Dann fuhr er den Jeep zum Haupteingang, stieg aus und lief hinein, um endlich zu zahlen und sein Gepäck zu holen.

Fräulein Hofmann hielt ihm die Rechnung entgegen. „Die Chefin hat Ihnen 180 Euro in Abzug gebracht, weil Sie ja nun schon viel eher auschecken. Die gewünschte Anschrift steht auf der Rückseite, soll ich Ihnen sagen.“

Er zahlte. Fräulein Hofmann meinte nichts ahnend: „Einen schönen Tag noch und beehren Sie uns bald wieder.“

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