Читать книгу Mord auf Antrag - Roland Benito-Krimi 2 - Inger Gammelgaard Madsen - Страница 12

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Er legte den Kopf zurück und genoss die Nachmittagssonnenstrahlen auf seinem Gesicht. Anfang Oktober hatten sie natürlich nicht mehr die intensive Wärme des Sommers, aber es war unglaublich, er konnte hier draußen nur mit einem warmen Pullover sitzen. Die anderen Gäste des Cafés waren auch mehr oder weniger sommerlich gekleidet. Wenn das wirklich die globale Erwärmung war, passte sie ihm ganz ausgezeichnet. Einige der Mädchen saßen und trugen ihre nackten Beine zur Schau, sodass er weit an den sonnengebräunten Oberschenkeln hinaufsehen konnte. Vor ihm floss plätschernd das Aarhuser Flüsschen und reflektierte das Licht. Das Summen der Stimmen machte ihn schläfrig. Oder war es vielleicht das zweite Fassbier? Er schloss die Augen, aber wusste, dass sie noch da waren. Er hörte ihre Stimmen. Nicht worüber sie sprachen, aber das war auch egal. Hauptsache er wusste, dass sie nicht gegangen waren. Die Sonnenwärme im Gesicht trug seine Gedanken in der Zeit zurück. Die Gedanken fingen an, sich nur noch um eine Sache zu drehen. Seine Kindheit.

Es war dieselbe Sonne, die sein Gesicht damals gewärmt hatte. Er war spät von der Schule heimgekommen. Die Haustür stand in der Sommerwärme offen. Er liebte ihre Stimme und freute sich, wenn sie sang. Sie stand mit dem Rücken zu ihm am Herd und kochte. Er brachte es nicht übers Herz, reinzugehen und sie zu stören. Sie sang ›What’s Another Year‹, das in dem Jahr den internationalen Grand Prix gewonnen hatte. Als sie ihm das Profil zuwandte, um etwas aus dem Kühlschrank zu holen, sah er, dass eine Zigarette zwischen ihren roten Lippen hing, während sie sang. Sie rauchte nur, wenn sie wusste, dass niemand es sah. Noch ein guter Grund, sie nicht zu stören. Sie wurde sehr wütend, wenn man sie erwischte. Mit geschlossenen Augen setzte er sich auf die Treppe und lauschte, während die Sonnenstrahlen Schweiß auf seine Stirn trieben und das Blut unter der Nase trocknete. Es würde ihre gute Laune ruinieren, dass er in der Schule wieder verprügelt worden war. Er hatte Löcher in beide Knie bekommen, als ihn die großen Jungs auf den Asphalt des Schulhofs geworfen hatten. Unter dem einen Arm war das Hemd aufgerissen, und er hatte Nasenbluten. Er schlug sich immer ihretwegen, aber das wusste sie nicht. Die Jungs aus der Neunten nannten sie eine Nutte und sagten, sie zöge sich in dem Nachtclub aus, in dem sie nachts kellnerte, aber er wusste, dass es eine Lüge war. Das würde seine Mutter nie tun. Der Rektor hatte ihn mit in sein zigarrettenverseuchtes Büro mit braunen Möbeln genommen und ihm gedroht, seiner Mutter von den vielen Prügeleien zu erzählen, aber das sollte sie nicht wissen, damit sie nicht wieder traurig wurde. Er hatte ihn angefleht, nichts zu sagen und versprochen, sich nie mehr zu prügeln. Aber er war ja nicht derjenige, der anfing. Das waren die, die etwas Böses über seine Mutter sagten.

Sie waren seit zwei Jahren allein, seit sein Vater bei einem Unfall auf der Baustelle umgekommen war. Er war gerade erst fünf geworden und erinnerte sich nicht so genau daran. Nur dass, als er noch lebte, alles anders war. Seine Mutter war immer zu Hause, kümmerte sich um ihn und seinen Vater. Manchmal durfte er auf einem Stuhl stehen und ihr beim Kochen helfen, bevor Papa von der Arbeit heimkam. Nichts Gefährliches, wie mit einem Messer zu schneiden oder so was, aber er durfte mit einem Löffel in einem Topf rühren oder Fleisch mit dem Fleischhammer klopfen, das machte am meisten Spaß. Damals war sie immer fröhlich. Aber als er starb, schloss sie sich im Schlafzimmer ein, und ein Sozialarbeiter der Gemeinde sorgte dafür, dass er in einer anderen Familie untergebracht wurde. Er hatte sie vermisst. Aber nach einem Jahr war sie total verändert und holte ihn in das kleine Haus zurück, in dem er die meiste Zeit seiner behüteten Kindheit verbracht hatte. Sie hatte einen Job als Kellnerin bekommen und konnte sie beide versorgen. Aber sie hatte nun auch einen Freund statt Papa. Er hasste ihn. Sie nannten ihn den »Afrikaner«, weil er immer nach Afrika reiste. Wenn er den lauten Motor seines verrosteten, roten Sportwagens hörte, konnte er sich genauso gut in seinem Zimmer einschließen, weil seine Mutter keine Augen mehr für andere hatte und so peinlich wurde.

Ein ungewöhnlicher Duft bahnte sich seinen Weg von der Küche über die Treppe nach draußen. Sie sollten heute etwas Besonderes essen. Nicht das gewöhnliche Mittwochsessen. Weder Fisch noch Gemüse, sondern etwas Leckeres. Der Hunger meldete sich wie ein leeres Loch im Bauch. Aber dann hörte er, wie sie eine Flasche Wein öffnete und danach das Geräusch von Gläsern, als sie diese aus dem Schrank nahm. Seine Nackenhaare stellten sich auf. Die Vorfreude erstarb. Sie kochte nicht für ihn. Er würde zum Abendessen kommen.

Er zuckte zusammen, als er einen Automotor brummen hörte. Schnell öffnete er die Augen. Das Geräusch, das ihn in die Wirklichkeit zurückgeholt hatte, kam von einem Taxi, das betrunkene Gäste aus dem Café einsammelte. Dann merkte er, dass ihre Stimmen nicht mehr zu hören waren. Ein Kellner war dabei, die leeren Tassen abzuräumen und ihren Tisch abzuwischen.

Er entdeckte sie, kurz bevor sie um die Ecke beim Kaufhaus Magasin in Richtung Immervad verschwanden. Er griff nach dem Kellner und bekam dessen Ärmel zu fassen, sodass der beinahe das Tablett mit Gläsern und Tassen fallen ließ. Er bezahlte seine Fassbiere und folgte ihnen schnell.

Mord auf Antrag - Roland Benito-Krimi 2

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