Читать книгу Mord auf Antrag - Roland Benito-Krimi 2 - Inger Gammelgaard Madsen - Страница 8

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Roland hatte gerade nach einem Gespräch mit Gert Schmidt von der Kriminaltechnik aufgelegt, als der Kriminalbeamte Mikkel Jensen in sein Büro kam. »War das Gert?«, wollte er wissen, als ob er an der Tür gelauscht hätte.

Roland nickte. »Das war ein Tipp bezüglich der Mordwaffe.« Er nahm die Coca-Cola entgegen, die Mikkel ihm aus der Kantine mitgebracht hatte. Sie hatten untereinander eine Vereinbarung in der Abteilung, etwas für die anderen mitzubringen, wenn sie ›außer Haus‹ oder in die Kantine gingen. Er warf seinen Kaugummi in den Papierkorb und trank einen Schluck von der Cola, die, vermischt mit dem Geschmack von Nicotinell mit Lakritz, merkwürdig schmeckte.

Mikkel zog geräuschvoll einen Stuhl vor den Schreibtisch und setzte sich. Es war gegen drei Uhr nachmittags, und der Blutzucker war völlig im Keller. Roland sah ihn an, während er das erste rosafarbene schaumgummiähnliche Ding in den Mund steckte. Jeder hatte irgendwelche Laster. Seine waren italienischer Rotwein und Zigaretten. Mikkels’ waren diese Schaumdinger, obwohl sie überhaupt nicht zu seinem maskulinen Äußeren mit fast glatt rasiertem Schädel und einem jungen Gesicht mit kräftigen Kieferknochen passten. Extrastarkes Lakritz würde besser passen. Er überlegte, wann die Einnahme von Zucker an öffentlichen Stellen verboten werden würde, weil auch das ungesund war.

»Schwarzes Ebenholz«, sagte er.

»Wat?« Mikkel konnte seine echte Aarhuser Herkunft nicht verbergen.

»Die Mordwaffe. Gert Schmidt sagt, das sei Ebenholz. Afrikanisches Ebenholz«, erklärte er geduldig.

»Suchen wir nach einem Afrikaner?«, fragte Mikkel kauend mit einem naiven Gesichtsausdruck.

»Wer weiß? Das Ebenholz ist von sehr guter Qualität und ausgezeichnet verarbeitet. Vielleicht ein Souvenir. Aber das kann natürlich sonst woher kommen.«

»Afrikanische Souvenirs kann man auch hier kaufen. Im Netz zum Beispiel«, erklärte Mikkel.

Roland hatte an ein paar PC-Kursen teilgenommen, aber den Computer für etwas anderes als seine Arbeit zu verwenden, wäre ihm nicht in den Sinn gekommen. Mit den jungen Leuten war das etwas anderes, die benutzten den Computer und das Internet eigentlich für alles. Selbst seine Enkelin, Marianna, die gerade sieben geworden war, konnte Tastatur und Maus besser bedienen als er.

»Ich glaube kaum, dass ein Mörder bewusst ins Netz geht und ein aus Ebenholz geschnitztes Souvenir kauft in der Absicht, es als Mordwaffe zu verwenden. Ich glaube, es ist wahrscheinlicher, dass es sich am Tatort befunden hat und am schnellsten und leichtesten greifbar war.«

»Tja, aber eigentlich bin ich wegen der Suchmeldungen gekommen«, meinte Mikkel, der nicht dasitzen und sich über unbedeutende Dinge wie Souvenirs unterhalten wollte.

»Wir haben in dem Zeitraum keine Vermissten, die nicht gefunden wurden – also in Aarhus. Aber ich habe im ganzen Land gesucht und es gab Resultate.« Mikkel sah ihn an, die hellen Augenbrauen erhoben, um ihm die Wichtigkeit des Ergebnisses zu demonstrieren.

»Ja?« Roland schüttete ein neues Stück Kaugummi aus der Schachtel. »1983 wurde eine Frau aus Silkeborg als vermisst gemeldet. Sie wurde nie gefunden. Das könnte sie sein.«

»Passt das Alter?«

»Jep. Zweiunddreißig Jahre alt und Krankenpflegerin.«

Roland nickte abwesend. Eine Frau aus Silkeborg. Aber warum sollte sie in einem Moor in Mundelstrup landen? Er rief im Rechtsmedizinischen Institut an, um zu hören, ob die Ergebnisse des Zahnmediziners vorlagen, aber das war noch nicht der Fall; genervt legte er auf.

Mikkel erhob sich und warf die leere Süßigkeitentüte in Rolands Papierkorb. »Wann ist die Pressekonferenz? Die Journalisten belagern uns.«

Roland runzelte die Stirn. Die Journalisten. Die Aasgeier, wie er sie nannte. Wie schwarze Schatten hingen sie über ihnen und lauerten auf Neuigkeiten, die die Verkaufszahlen ihrer bedrängten Zeitungen steigen ließen. Der Leichenfund im Moor war ganz sicher ein Ereignis, auf das sie sehnlichst gewartet hatten, und der Kampf darum, wer als Erstes die makabre Neuigkeit brachte, war eröffnet. Unwillkürlich dachte er an die Journalistin vom Tageblatt, mit der er vor ein paar Jahren während der Ermittlungen im Gitte-Mord gekämpft hatte. Widerwillig musste er einräumen, dass sie ein gutes Team gewesen waren, und dass sie ihm bei der Aufklärung ein ganzes Stück weitergeholfen hatte, gemeinsam mit der blonden Fotografin, an deren Namen er sich nicht mehr erinnerte. Die Journalistin hieß Anne Larsen, das wusste er noch und fragte sich kurz, ob sie wohl noch beim Tageblatt arbeitete. Falls sie das tat, würde es wohl nicht lange dauern, bis er sie an den Fersen kleben hatte.

»Wir müssen bezüglich der Identität sicher sein, bevor wir an die Presse gehen.«

»Sonst fangen die doch selbst an, sich was zusammenzureimen, und das kann, wie wir wissen, noch viel schlimmer sein.«

Roland nickte und sah zur Tür, als sie aufgestoßen wurde und den Stuhl rammte, auf dem Mikkel saß. Der Platz in seinem Büro war nicht gerade überwältigend. Kurt Olsen, der Vizepolizeidirektor, stand in der Tür. Frisch rasiert und in einem sauberen Hemd. Er sah sehr viel besser aus als sonst. Es gab Gerüchte, er habe wieder mit seiner Frau zusammengefunden, aber was den Mann am meisten verändert hatte – die Rasur oder die Frau –, war nicht leicht zu beurteilen.

»Wir halten spätestens am Nachmittag eine Pressekonferenz ab, das werden wir verdammt noch mal müssen«, informierte er sie kurz, so als ob auch er an der Tür gelauscht hätte.

»Sollten wir nicht vorher die Bestätigung bekommen, dass es sich wirklich um die verschwundene Frau aus Silkeborg handelt?«, schlug Roland vor. »Wir sollten bald den Bescheid aus der Rechtsmedizin und der Kriminaltechnik bekommen.«

Eine junge Frau entschuldigte sich und quetschte sich an Kurt Olsen vorbei. Das Büro wirkte langsam klaustrophobisch.

Isabella Munch war eines der neu eingestellten Mädchen bei der Polizei. Sie war gerade zur Kriminalpolizei gewechselt. Erst jetzt war Roland klar geworden, wie sehr Beamte des anderen Geschlechts gefehlt hatten. Weibliche Intuition war dermaßen Mangelware gewesen. Oft bediente er sich Irenes, aber es gab auch Grenzen dafür, wie weit er seine Frau mit Fällen belasten konnte. In manchen Fällen war es auch nicht besonders zweckmäßig und er brach seine Schweigepflicht, aber Irene war aufgrund ihrer Tätigkeit als Sozialarbeiterin und als frühere Polizeisekretärin besser dafür geeignet als die meisten anderen Polizistengattinnen. Mit Isabella war die weibliche Intuition immer gleich vor Ort greifbar und er konnte sie nutzen, wann er wollte. Noch dazu kamen die anderen kleinen Vernügen, wie den maskulinen Mikkel erröten zu sehen, als die blonde Beamtin mit dem Pferdeschwanz ihn lächelnd ansah, weil sie ihm ziemlich nah kommen musste, um Roland ein Stück Papier zu reichen.

»Ich habe mir den Fall von damals mal näher angeschaut. Die Polizei von Mittel- und Westjütland ist sehr kooperationsbereit. Die Suche wurde 1984 eingestellt, nachdem man vier Monate lang keine heiße Spur gefunden hatte. Sie hat einen Sohn, Sebastian Juhl. Er wohnt in der Klosterstraße und arbeitet als Mechaniker in einer Autowerkstatt in Hasselager. Ich habe die Adresse rausgesucht, die dort angegeben war«, fuhr sie fort und verschwand genauso schnell, wie sie gekommen war.

Er bat Kurt Olsen, noch ein bisschen mit der Pressekonferenz zu warten, nahm seinen Mantel, der über der Stuhllehne hing, und winkte Mikkel zu sich.

»Wir fahren in die Klosterstraße«, teilte er kurz angebunden mit. Mikkel folgte ihm widerwillig. »Aber der Sohn kann doch nicht beantworten, ob das seine Mutter ist, die im Moor gefunden wurde. Und er kann sie unmöglich identifizieren«, murmelte er auf dem Weg zum Aufzug.

»Das mit der Identifizierung zieht sich anscheinend hin, also müssen wir die Sache wohl selbst in die Hand nehmen. Vielleicht kann der Sohn uns was erzählen.«

Mord auf Antrag - Roland Benito-Krimi 2

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