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|38|3. Resümee

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Worin liegt der Beitrag, den das Werk James Buchanans zu den theoretischen Grundlagen demokratischer Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik leistet? Die Beantwortung dieser Frage hängt davon ab, wie man das Werk liest. Die hier vorgeschlagene Lesart, die dezidiert methodische Fragen des Theoriedesigns betont und Buchanans Bemühungen um Konzeptualisierungen, um kategoriale Umstellungen, um diskursive Strukturierungen, um konstruktive Argumentationsaufrisse hervorhebt, gelangt dabei zu folgender Antwort: Die nachhaltige Bedeutung des Werks James Buchanans liegt darin begründet, dass es einen Weg theoretisch aufzeigt und praktisch beschreitet, auf dem die Ökonomik für normative Fragestellungen so geöffnet werden kann, dass sich Normativität als hypothetische Normativität im eigentlichen Sinne des Wortes ‚wertfrei‘ prozessieren lässt. Die Erklärungskraft des ökonomischen Ansatzes kann damit umgesetzt werden in intellektuelle Orientierungsleistungen, die die Wahrnehmung politischer Konfliktlagen verändern.[51]

Beispielsweise liegt die eigentliche Pointe der Unterscheidung zwischen Rechtsschutzstaat und Leistungsstaat darin, dass diese Unterscheidung hinfällig wird, weil sich beide Arten staatlicher Tätigkeit im Kern auf dasselbe Argument stützen: In beiden Fällen handelt es sich um Einrichtungen kollektiver Tauschakte, die so ausgestaltet werden können, dass sie allen Bürgern nützlich sind. Mit dieser Idee ist libertären Minimalstaatsvorstellungen von vornherein jede konzeptionelle Grundlage entzogen. Sie hängen – bildlich gesprochen – in der Luft. Für nicht unbeträchtliche Teile einer ihrem Selbstverständnis nach liberalen Ökonomik bedeutet das, sich von der normativen Vorgabe verabschieden zu müssen, einseitig nach Wegen zur Eindämmung staatlicher Tätigkeiten zu suchen, wenn sie – um im Bilde zu bleiben – (wieder) Bodenhaftung gewinnen will. Hier steht nichts Geringeres auf dem Spiel als ihre Politikfähigkeit, d.h. ihre Fähigkeit, Reformvorschläge zu entwickeln, die den Anschluss an die realen Probleme realer Bürger und damit letztlich auch Gehör in der demokratischen Öffentlichkeit finden. Im Anschluss an Buchanan kann es nicht länger um ‚containment‘ und ‚roll-back‘ gehen, nicht darum, Dämme zu errichten. Stattdessen geht es um eine den Bürgerinteressen entsprechende institutionelle Kanalisierung eigeninteressierten Handelns in allen Bereichen der Gesellschaft, insbesondere in Wirtschaft und Politik. Die Frage nach mehr oder weniger Staat ist falsch gestellt. Sie verfehlt die relevanten Alternativen. Ins Zentrum der Betrachtung gehört nicht die Quantität, sondern die Qualität kollektiven Handelns.[52]

Mit solchen Konzeptualisierungen lässt sich die Ökonomik aus defensiven und zudem unfruchtbaren Frontstellungen befreien und schließlich in die Lage |39|versetzen, als wissenschaftliche Konzeption den Anforderungen des politischen Liberalismus zu genügen, d.h. keine eigenen ‚externen‘ Ideale zu vertreten, sondern nach Wegen zu suchen, wie die Bürger ihre eigenen ‚internen‘ Ideale besser verwirklichen können.[53] Damit definiert Ökonomik ihren Ort als Wissenschaft in der Gesellschaft und übernimmt Aufgaben demokratischer Politikberatung. Aus dem Versuch, diese Aufgaben zu erfüllen, erwachsen die Ideen konstitutioneller Ökonomik, dass ein Verfassungskonsens erforderlich ist, um mehr Pluralismus möglich werden zu lassen, und dass politisches Handeln – analog zu wirtschaftlichem Handeln – geeigneter sozialer Restriktionen bedarf, um Ergebnisse hervorzubringen, die im Interesse der Bürger liegen. Letztlich sind es in einer Demokratie (solche) Ideen, die Politik machen.

Moderne Klassiker der Gesellschaftstheorie

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