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|43|Mancur Olson (1932–1998)

„Fachleute versäumen ihre Pflicht, wenn sie einer Gesellschaft nicht helfen, sich über die Tragweite alternativer Entscheidungen Klarheit zu verschaffen.“ Mancur Olson (1968, 1991; S. 185)

Mancur Olsons Logik kollektiven Handelns

Mancur Olson gehört zu den prominentesten und prononciertesten Verfechtern einer theoretischen Integration der Sozialwissenschaften. Theoretische Integration zielt auf eine Analyseperspektive, die unterschiedliche soziale Phänomene nicht unverbunden nebeneinander stehen lässt, sondern systematisch miteinander in Verbindung bringt, um vergleichende Lernprozesse zu ermöglichen. Olson ist ein vehementer Befürworter theoretischer Integration sowohl innerhalb seiner eigenen Disziplin, der Ökonomik, als auch zwischen traditionell unterschiedenen Disziplinen, insbesondere zwischen Ökonomik, Soziologie und Politikwissenschaft. Zum einen bemüht er sich, die traditionelle Trennung von Mikroökonomik und Makroökonomik zu überwinden, und zum anderen ist er bestrebt, die Analyse wirtschaftlicher, sozialer und politischer Phänomene zu vereinheitlichen. In beiden Fällen ist die Argumentationsfigur, auf die sich sein Bemühen um theoretische Integration stützt, jeweils dieselbe: Im Kern geht es um die – teilweise nicht-intendierten – Wirkungen intentionaler Handlungen. So führt Olson makroökonomische Phänomene wie Stagflation und Arbeitslosigkeit im Wege einer mikroökonomischen Anreizanalyse auf die Einflussfaktoren individueller Kosten-Nutzen-Kalküle zurück, und analog sind es die Einflussfaktoren individueller Kosten-Nutzen-Kalküle, aus deren Analyse sich Olson ein systematischer Zugang für die Untersuchung von Organisationen und politischen |44|Regimes erschließt. Sowohl in intra- als auch in inter-disziplinärer Hinsicht also strebt Olson theoretische Integration an, indem er eine konsequente Anwendung mikroökonomischer Kategorien dazu benutzt, neue Fragen aufzuwerfen bzw. alte Fragen neu zu stellen, d.h. in einem anderen Licht erscheinen zu lassen.

Vor diesem Hintergrund ist es das Ziel der folgenden Ausführungen, die Spezifika des Olsonschen Ansatzes, seine Problemstellung, herauszuarbeiten. Es geht um eine konstruktive Lesart für das Gesamtwerk: Worin liegen die positiven – gesellschaftstheoretischen – und normativen – gesellschaftspolitischen – Beiträge, die sich mit diesem Werk verbinden? Zu welchen Erkenntnissen führt Olsons Bemühen um theoretische Integration, und welche forschungsstrategischen Konsequenzen lassen sich daraus ableiten? Um diese Fragen zu beantworten, erweist es sich als zweckmäßig, das Werk chronologisch in drei Teile zu untergliedern, die sich durch eine jeweils eigenständige und eigentümliche Problemstellung auszeichnen: in die „Logik des kollektiven Handelns“[60], in „Aufstieg und Niedergang von Nationen“[61] und in die neueren Schriften[62], die im Wege einer komparativen Analyse politischer Regimes Autokratie und Demokratie miteinander vergleichen. In Bezug auf diese drei Teile, die nicht nur zeitlich aufeinanderfolgen, sondern auch inhaltlich aufeinander aufbauen, lässt sich eine Entwicklungslogik nachzeichnen, die deutlich werden lässt, welchen Beitrag Mancur Olson zu den theoretischen Grundlagen demokratischer Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik leistet. Die im folgenden zu entwickelnde These lautet, dass sich Olson sowohl theoretische Integration als auch demokratische Aufklärung von einer konsequent ökonomisch instruierten, auf Anreizwirkungen abstellenden, Kategorienbildung verspricht.

Moderne Klassiker der Gesellschaftstheorie

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