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2.4 Zur Mikrostruktur von Texten: Kohärenz und Kohäsion

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Kohärenz ist also ein konstitutives Merkmal von Texten und Diskursen. Kohärenzrelation und rhetorische SubordinationFormal ist KohärenzKohärenz eine inhaltliche Beziehung (eine Relation) zwischen zwei Diskursabschnitten, häufig (wenn auch nicht notwendigerweise) zwischen zwei unmittelbar aufeinander folgenden (kommunikativen) Äußerungen (vgl. z. B. Hobbs 1979). So sind (2.1) und (2.2) über die Antwortrelation und (2.2) und (2.3) über eine Begründungsrelation verknüpft. Die beiden genannten KohärenzrelationenKohärenzrelation haben dabei genuin asymmetrischen Charakter: Eine Antwort setzt eben eine Frage voraus, und eine Erklärung setzt etwas voraus, das erklärt werden soll. In diesem Sinne ist z. B. die Äußerung (2.3) hier der Äußerung (2.2) untergeordnet. Man spricht auch von rhetorischer [23]SubordinationSubordinationrhetorische. Subordinierende Relationen lassen sich graphisch wie in Abbildung 2.4 skizziert darstellen.


Abb. 2.4: Graphische Darstellung einer subordinierenden Relation

Angenommen, Erna würde (2.4) statt (2.3) äußern:


Dann hätte ihre Antwort eine etwas andere Struktur: Sowohl die Äußerung in (2.2) als auch die Äußerung in (2.4) würden sich dann gleichermaßen auf die übergeordnete Frage beziehen, was Erna trinken möchte. In diesem Sinne hat die kontrastierende Beziehung zwischen den Äußerungen in (2.2) und (2.4) einen symmetrischen bzw. nebenordnenden Charakter. Man spricht dann auch Kohärenzrelation und rhetorische Koordinationvon rhetorischer KoordinationKoordinationrhetorische. Koordinierende Relationen können graphisch wie in Abbildung 2.5 angedeutet dargestellt werden.


Abb. 2.5: Graphische Darstellung einer koordinierenden Relation

Mit dem Begriff der KohärenzrelationKohärenzrelation bezeichnet man eine inhaltliche Beziehung zwischen zwei (oder mehr) Äußerungen. Dabei wird auf diskursstruktureller Ebene zwischen koordinierenden und subordinierenden Relationen unterschieden.

Markiert man nun außerdem enger zusammengehörende Diskurseinheiten mit umschließenden Boxen, dann kann die inhaltliche Struktur des Dialogs [24]bestehend aus (2.1), (2.2), (2.3) und (2.4) in der Art von Abbildung 2.6 Graphische Repräsentation von Diskursenrepräsentiert werden.


Abb. 2.6: Graphische Repräsentation der Mikrostruktur des Diskurses (2.1) – (2.4)

Mit der Struktur in Abbildung 2.6 sollte deutlich geworden sein, dass Texte und Diskurse eine komplexe inhaltliche Struktur aufweisen können. Gleichzeitig sollte aber auch deutlich geworden sein, dass diese in systematischer Weise erfasst und dargestellt werden kann. Ausgangspunkt ist dabei die Annahme, dass jede neue (kommunikative) Äußerung über eine Kohärenzrelation an einen früheren Diskursabschnitt angebunden werden Kohärenzaxiommuss (KohärenzaxiomKohärenzaxiom). Wie diese Anbindung im Einzelnen erfolgt, ist eine nicht triviale Frage. Klar ist, dass Anbindungen nicht beliebig erfolgen.

Obige Darstellung orientiert sich stark an der Segmented Discourse Representation Theory (SDRT) wie sie in Asher & Lascarides (2003) entwickelt wird. Vergleichbare Strukturen und Annahmen finden sich aber auch in anderen Ansätzen wie der in Mann & Thompson (1988) entwickelten Rhetorical Structure Theory (RST). Welche Kohärenzrelationen im Einzelnen angenommen werden, variiert stark von Theorie zu Theorie. In den meisten Modellen finden sich aber zumindest Kohärenzrelationen, die entweder Antwortbeziehungen (answer), Erklärungen (explanation), Erläuterungen (elaboration), Folgerungen (consequence), Unerwartetes (violated expectations), Kontrastbeziehungen (contrast), parallele Strukturen (parallel) oder die Darstellung einer Abfolge von Ereignissen (narration) zum Gegenstand haben. Manche dieser Kohärenzrelationen werden klar über Konjunktionen oder Konjunktionaladverbien kommuniziert. Die subordinierende Konjunktion weil etabliert z. B. notwendig eine (wie auch immer geartete) Form der Begründung. Die Konjunktion und dagegen ist ziemlich flexibel, sie kann als und weil (explanation) oder auch als und dann (narration) interpretiert werden, kann aber auch parallele Fortführungen wie in Lisbeth mag Muffins und Erna Donuts einleiten. Die Konjunktion aber ist nicht ganz so flexibel wie und, aber sicher flexibler als weil: Sie kann kontrastive Beziehungen etablieren (wie in Lisbeth mag Muffins, aber keine Donuts), sie kann aber auch das Nichteintreffen von Erwartetem ausdrücken (Greuther Fürth spielt immer oben mit, steigt aber nie auf). Man sieht an diesen Beispielen, dass es zum einen keinen Konsens gibt, was Art und Anzahl von Kohärenzrelationen betrifft, und dass zum anderen die Beziehung zwischen Kohärenzrelation und kohäsiven Mitteln ziemlich komplex ist. Ein guter erster Überblick findet sich in Kehler (2002).

Betrachtet man nochmals den gerade besprochenen Text, dann sieht man schnell, dass Kohärenzrelationen nicht notwendigerweise sprachlich kodiert werden, sondern unter Umständen kontextuell inferiert werden müssen. So wird z. B. an keiner Stelle explizit gesagt, dass (2.3) als eine Erklärung für (2.2) verstanden werden soll. Aber wir wissen, dass man nach drei Tassen Kaffee bereits eine Menge Koffein zu sich genommen hat und zu viel Koffein nicht gut für uns ist. Daher ist es einfach plausibel, dass dieser Sachverhalt als Grund für die negative Antwort aufzufassen ist. Etwas anders liegt dagegen der Fall bei der Äußerung in (2.4). Die Äußerung in (2.4) wird durch die (syntaktisch) koordinierende Konjunktion aber eingeleitet, mit der inhaltlich explizit ein Kontrast zu einer vorhergehenden Aussage ausgedrückt wird. An dieser Stelle sind wir also nicht auf Mutmaßungen angewiesen. Konjunktionen wie und, aber, weil oder wenn und Konjunktionaladverbien wie trotzdem, deswegen oder dennoch haben (unter anderem) offenbar die Funktion, die Verschränkung zweier Diskurseinheiten sprachlich zu vermitteln. Man spricht hier auch Kohäsion und kohäsive Mittelvon KohäsionKohäsion und bezeichnet die sprachlichen Ausdrücke als kohäsive Mittelkohäsive Mittel (vgl. z. B. Halliday & Hasan 1976).

Neben diesen expliziten Verknüpfungen zweier Diskurseinheiten gibt es weitere sprachliche Phänomene, die Bezüge zwischen (Teilen) zwei(er) Diskurseinheiten herstellen. Eines dieser Phänomene ist die Anaphorische Ausdrückeanaphorische Verwendung von Pronomina, wie man sie in dem folgenden kleinen Textbeispiel beobachten kann:


[26]Pronomina wie das Personalpronomen sie in (2.6) zeichnen sich dadurch aus, dass ihr referenzieller Bezug (auf welche Person sich der Sprecher mit dem Pronomen beziehen möchte) entweder situativ (wir sprechen dann von einer deiktischen Verwendungdeiktischer Gebrauch) oder sprachlich über einen Vorgängerausdruck (ein AntezedensAntezedens) vermittelt werden muss (wir sprechen dann von einer anaphorischen Verwendunganaphorischer Gebrauch). In unserem Beispiel ist dieser Vorgängerausdruck der (unterstrichene) Eigenname Erna in (2.5): Wenn wir (2.6) im Kontext von (2.5) hören oder lesen, dann gehen wir sehr schnell davon aus, dass sich das Pronomen sie auf Erna beziehen soll. Würden wir den Satz in (2.6) isoliert lesen, dann könnten wir gar nicht sagen, was genau mit ihm kommuniziert werden soll. Die anaphorische Verwendung von pronominalen Ausdrücken erzeugt auf diese Weise weitere inhaltliche und strukturelle Verschränkungen im Diskurs und trägt so zum Eindruck eines kohärenten Textes wesentlich bei (vgl. z. B. Hobbs 1979).

Das zweite in diesem Kontext häufig genannte EllipsenPhänomen ist die EllipseEllipse. Mit dem Begriff ›Ellipse‹ bezeichnet man verschiedene Formen der Auslassung von sprachlichen Ausdrücken (vgl. z. B. Klein 1993, Reich 2018). Ähnlich wie bei anaphorisch verwendeten Pronomina kann die Auslassung sprachlicher Ausdrücke ebenfalls situativ oder sprachlich motiviert sein. Ist sie sprachlich motiviert, dann gibt es wie bei den anaphorischen Verwendungen von Pronomina einen sprachlichen Vorgängerausdruck (ein Antezedens), über das die Auslassung rekonstruiert werden kann. Ein Beispiel findet sich bereits in unserem obigen Mini-Diskurs (2.1) bis (2.3): In der Äußerung (2.1) von Lisbeth wird eine Tasse Kaffee thematisiert, in der Äußerung (2.3) von Erna wird jedoch nur noch von drei Tassen gesprochen und nicht (was präziser wäre) von drei Tassen Kaffee. Im Kontext von (2.1) kann Erna in ihrer Äußerung offenbar auf die explizite Erwähnung von Kaffee verzichten, da über den Kontext klar ist, dass es um Kaffee geht. Hätte Lisbeth dagegen Eine Tasse Tee? geäußert, dann würden wir Ernas Äußerung so interpretieren, dass sie bereits drei Tassen Tee getrunken hat. Ellipsen führen also zu vergleichbaren inhaltlichen und strukturellen Verschränkungen im Diskurs, wie wir das bereits bei den anaphorischen Verwendungen von Pronomina gesehen haben. Entsprechend tragen auch Ellipsen wesentlich zum Eindruck von Textkohärenz bei.

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