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VIII

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»Peter Gavrilitsch!« donnerte Herr Ratsch, sich zu mir wendend, »erlauben Sie mir, Sie mit meiner . . . mit meinem . . . meinem Nr. 1 bekannt zu machen. Ha – ha – ha! Susanna Ivanowna.«

Ich verbeugte mich stumm und dachte sogleich: »Also paßt auch ihr Name nicht zu allem Uebrigen,« Susanne aber erhob sich ein wenig, ohne zu lächeln oder ihre fest zusammengepreßten Hände zu trennen.

»Und wie steht es mit unserem Duo?« fuhr Ivan Demjanitsch fort. »Alexander Daviditsch? Eh, Wohlthäter? Ihre Cither ist bei uns geblieben und mein Fagott habe ich schon aus dem Futteral gezogen. Lassen Sie uns die Ohren der ehrbaren Gesellschaft ergötzen! (Herr Ratsch liebte es, seine russische Rede mit ungewöhnlichen Ausdrücken zu spicken: es entrissen sich ihm fortwährend Ausdrücke, gleich denen, welche die ultra-volksthümlichen Poesien des Fürsten Wjasemsky schmücken.) »Also? Kommt er?« rief Ivan Demjanitsch, als er sah, daß Fustoff nichts erwiederte. »Kolka, marsch in das Cabinet, trage die Notenpulte herbei! Olga, schleppe die Cither her! Und Du, meine Rechtgläubige, geruhe Lichte für die Notenpulte zu genehmigen! (Herr Ratsch drehte sich wie ein Kreisel im Zimmer umher.) Lieben Sie die Musik, Peter Gavrilitsch? Wie? Wenn nicht, so machen Sie Conversatiom aber: Pst! unter der Sordine! Ha – -ha – ha! Wo mag doch dieser Narr von Fictor hingekommen sein! Könnte doch auch zuhören! Sie haben ihn sehr verwöhnt, Eleonore Karpowna.«

Eleonore Karpowna brauste auf.

»Aber was kann ich denn, Ivan Demjanitsch . . .«

»Nun, gut, gut, lasse mich zufrieden! Bleibe ruhig, hast verstanden? Alexander Daviditsch, wenn’s gefällig ist?«

Die Kinder führten den Befehl des Vaters augenblicklich aus, die Notenpulte wurden aufgestellt und die Musik begann. Ich habe schon gesagt, daß Fustoff ausgezeichnet die Cither spielte, allein dieses Instrument macht immer den allerbedrückendsten Eindruck auf mich. Mir war immer, und ist bis jetzt, als wenn die Seele eines Wucherjuden in der Cither eingeschlossen sei, und als wenn diese Seele näselnd wehklagte und weinte über den unbarmherzigen Virtuosen, welcher sie zwingt, Töne herauszugeben Ratsch’s Spiel konnte mir auch kein Vergnügen gewähren, zudem hatte sein plötzlich blau-roth gewordenes Gesicht mit den bösen, weißen, rollenden Augen einen Unglück verheißenden Ausdruck angenommen: es war, als wenn er mit seinem Fagott Jemand ermorden wollte, und im Voraus schon drohte und schimpfte, indem er heisere, erstickte, grobe Töne einzeln herausstieß. Ich näherte mich Susannen, und die erste, augenblickliche Pause wahrnehmend, fragte ich, ob auch sie, gleich ihrem Vater, die Musik liebe?

Sie machte eine Bewegung als hätte ich sie gestoßen und sagte kurz: »Wer?«

»Ihr Vater,« wiederholte ich, »Herr Ratsch.«

»Herr Ratsch ist nicht mein Vater.«

»Nicht Ihr Vater? Vergehen Sie mir . . . So habe ich wohl falsch verstanden . . . Mir scheint aber, Alexander Daviditsch . . .«

Susanne sah mich scheu und unverwandt an.

»Sie haben Herrn Fustoff nicht verstanden, Herr Ratsch ist mein Stiefvater.«

Ich schwieg.

»Und Sie lieben die Musik nicht?« fing ich wieder an.

Susanne sah mich wieder seltsam an. In ihrem Blicke war entschieden etwas Menschenscheues. Sie erwartete und wünschte die Fortsetzung unseres Gespräches offenbar nicht.

»Das habe ich Ihnen nicht gesagt,« brachte sie langsam hervor.

»Tru—tu–tu–tu–u—u . . .« ertönte plötzlich das Fagott mit einer wahren Wuth, die Schlußpassage ausführend. Ich wandte mich um, und sah den rothen, aufgeblasenen Hals Herrn Ratsch’s unter seinen abstehenden Ohren und er kam mir sehr widerwärtig vor.

»Aber . . . dieses Instrument lieben Sie gewiß nicht,« sagte ich halblaut.

»Nein . . . ich liebe es nicht,« sagte sie, wie wenn sie meine versteckte Hindeutung verstanden hätte.

Also! dachte ich, und mir war, als wenn ich mich über Etwas freute.

»Susanna Ivanowna,« sagte hierauf Eleonore Karpowna in ihrer russisch-deutschen Sprache, »liebt die Musik sehr und spielt selbst vortrefflich das Klavier, sie will aber niemals spielen, wenn man sie sehr darum bittet.«

Susanne antwortete Nichts – sie sah Elennora Karpowna nicht einmal an, und wandte nur leicht unter den gesenkten Lidern die Augen nach ihrer Seite hin. Aus dieser Bewegung, der Bewegung ihrer Pupille allein, konnte ich entnehmen, weiche Gefühle Susanne für die Frau ihres Stiefvaters hegte, und ich freute mich wieder.

Unterdessen war das Duo beendigt. Fustoff stand auf, näherte sich unsicheren Schrittes dem Fenster, an welchem ich mit Susanne saß, und fragte sie, ob sie von Lenhold die Noten erhalten habe, die er ihr aus Petersburg zu verschreiben versprochen hatte.

»Ein Potpourri aus »Robert dem Teufel« fügte er hinzu, sich zu mir wendend, »jener neuen Oper, über die jetzt so viel geschrieben wird.«

»Nein, ich habe sie nicht erhalten,« antwortete Susanne und, das Gesicht zum Fenster wendend, flüsterte sie hastig: »Ich bitte, Alexander Daviditsch, – ich bitte sehr, veranlassen Sie mich heute nicht zu spielen; ich bin gar nicht dazu aufgelegt.«

»Was? Robert der Teufel von Meierbeer!« rief Ivan Demjanitsch, zu uns herantretend, aus, »ich wette, daß das Ding ausgezeichnet ist! Er ist ein Jude, und alle Juden, so wie auch alle Czechen sind ausgezeichnete Musikanten! Besonders die Juden! Nicht wahr, Susanne Ivanowna? Wie? Ha – ha – ha – ha!«

Die letzten Worte Herrn Ratsch’s und sein – Lachen selbst enthielt diesmal mehr als seinen gewöhnlichen Scherz – sie enthielten die Absicht, zu verletzen. So kam es mir wenigstens vor, und so verstand sie auch Susanne. Sie erbebte unwillkürlich, erröthete, und biß sich in die Unterlippe. Ein heller Punkt, dem Glanze einer Thräne ähnlich, blitzte an ihrer Wimper; sich rasch erhebend ging sie aus dem Zimmer.

»Wohin, Susanne Ivanowna?« rief Herr Ratsch ihr nach.

»Lassen Sie sie zufrieden, Ivan Demjanitsch,« mischte sich Eleonore Karpowna hinein. »Wenn sie so Etwas im Kopfe hat . . .«

»Eine nervöse Natur,« sagte Ratsch, sich auf dem Absatze herumdrehend,und versetzte sich einen Schlag auf den Schenkel; – plexus solaris leidet. »Ah, sehen Sie mich nicht so an, Peter Gavrilitsch! Ich habe mich auch mit Anatomie beschäftigt, ha – ha! Ich verstehe mich auch auf die Heilkunst! Fragen Sie Eleonore Karpowna hier ich behandle sie in allen ihren Krankheiten! Solche Mittel habe ich!«

»Sie müssen immer Scherze machen, Ivan Demjanitsch,« sagte diese unwillig, während Fustoff lächelnd und sich beifällig schaukelnd die beiden Ehegatten betrachtete.

»Und warum denn nicht scherzen, mein Mütterchen!« nahm Ivan Demjanitsch das Wort.

»Das Leben ist uns zum Nutzen und noch mehr zur Zierde verliehen, wie ein bekannter Dichter sagt. Kolka! wische Deine Nase ab! Stachelschwein!l«

Die Unglückliche

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