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Das kleine Haus lag am Rande des Mojave National Preserve. Es lag sehr abgeschieden. Außerdem verirrten sich in diese Gegend bei weitem sich nicht so viele Touristen wie in dem benachbarten Joshua Tree National Park. Der Zufahrtsweg bestand aus einer Schotterpiste für die man unbedingt ein Allradfahrzeug benötigte. Vermutlich waren in dem letzten Jahrzehnt nur eine Handvoll Leute hier gewesen. Mit dem heutigen Tag sollte die Quote verzehnfacht werden.

Nur beim genaueren Hinsehen konnte man hinter den Vorhängen eine Gestalt ausmachen. Durch den Stoff war allerdings nicht zu erkennen, dass die Person geknebelt an einem Stuhl gefesselt war.

In etwa zwei Kilometer Entfernung beobachteten drei im Wüstenanzug getarnte Männer die Szenerie. Ihre Ferngläser konnten alle Details des Hauses festhalten. Einer der drei fotografierte jeden Quadratmeter.

„Ok, habe alles im Kasten. Was ergaben die Wärmeaufnahmen?“

„Zehn Personen. Eine bewegt sich keinen Millimeter, ist vermutlich gefesselt. Die anderen Geiseln kann ich auf Grund der Bewegungen nicht ausmachen. Auf einem Sofa sitzen fünf Personen. Die anderen vier scheinen sich die Patrouillen in zwei Gruppen aufzuteilen. Zwei sind immer draußen im Vorgarten, wenn man das verdorrte Stück Land so nennen kann. Wenn wir Glück haben, nimmt uns eine Klapperschlange ein bisschen Arbeit ab. Die anderen zwei bewachen den Eingang.“

Der dritte Mann nickte mit dem Kopf.

„Alles klar. Wir haben genug gesehen. Zurück zum Basislager. Die nächsten fünfhundert Meter bis zur großen Düne will ich kein Kleidungsstück oder irgendwas anderes von euch sehen, das mehr als 20 Zentimeter über den Sand ragt. Los.“

Als die drei fast unsichtbaren Gestalten hinter der großen Sanddüne verschwanden, fotografierte eine Drohne in fünftausend Metern Höhe das gesamte Gelände. Sekunden später schickte das unbemannte Flugzeug seine Daten ebenfalls hinter die große Düne.

Genau wie die drei getarnten Männer verschwanden die Daten der Drohne unter einem Einsatzzelt der Abteilung. Mike Stevens stand vor einer Computerwand, von der er alle Fotografien, Wärmebilder und Karten betrachten konnte. Nach wenigen Minuten trommelte er die drei Gruppenführer seines Zuges zusammen.

„Harry, John, Mark, wir haben nun ein komplettes Bild der Lage. Die sechs Terroristen befinden sich alle in dem Haus, wobei zwei abwechselnd draußen auf Patrouille sind. Die vier Geiseln sind ebenfalls im Haus, mindestens eine ist gefesselt.

Zum Anschein gehen wir auf Ihre Forderungen ein und lassen Muhammed Jafreezy aus Guantanamo Bay frei. Als Beweis übergeben wir einen Laptop mit einer Satellitenfernsehkarte, auf der sie die Ereignisse verfolgen können. Carlos konnte inzwischen ein sehr gut gespieltes Video von TTN faken, das wir in den ersten zehn Minuten abspielen werden. Die Terroristen werden also nicht TTN live sehen, sondern unser Video.“

John setzte ein fragendes Gesicht auf und hakte sofort nach.

„Wer sagt denn, dass die Kerle TTN gucken?“

„Wir werden einen breaking news Alarm auf allen Kanälen vorgaukeln. In der Laufzeile wird von TTN berichtet, dass sie über Videoaufnahmen die Freilassung Jafreezys zeigen. Wenn alles glatt geht, werden wir nicht mehr als die ersten fünf Minuten des Videos brauchen. Sobald ein Kollege den Rechner hundert Meter vor dem Haus ablegt, werden wir die Chance nutzen und uns von hinten an das Haus pirschen. Dazu tragen wir die Camouflage-Anzüge. Mit deren Temperatursensoren werden wir auf eventuell vorhandenen Wärmebildern nicht erkennbar sein. Als Waffen werden wir nur kleinkalibrige Walther PPQs mitnehmen. Jeder Mann drei Waffen, das macht dreißig Schuss pro Mann. Für’s Nachladen werden wir keine Zeit haben. Von der Munition her heißt das, dass wir es uns erlauben könnten, daneben zu schießen. Und das nicht nur einmal. Auch wenn ich das Danebenschießen keinen einzigem von uns zutraue Die Waffen passen prima unter den Camouflage-Anzug und sind auch sehr robust was das Gelände angeht. Der Sand wird weder Probleme im Lauf noch beim Abzug machen.“

Mike pausierte kurz und sammelte sich für die genaue Vorgehensweise.

„Harry, ihr seid Team Alpha. Ihr werdet euch auf mein Zeichen bis auf drei hundert Meter an das Haus anschleichen. Nach dem „Go“ pirscht ihr euch direkt an die Hauswand. Dort solltet ihr erst mal genug Schutz haben. Zu Viert habt ihr dort ausreichend Unterschlupf.“

Mike deutete auf die rechte Hauskante. Hier war in den Luft- und Landaufnahmen ein kleiner Überstand zu sehen.

„John, ihr seid Team Bravo. Ich werde euch folgen. Genau wie Team Alpha schleichen wir uns an das Haus an, gehen dann aber auf der linken Seite in Deckung.

Mark, eure Scharfschützentruppe postiert sich im fünfhundert Meter Abstand in einem Kilometer Entfernung um das Zielobjekt. Nachdem einer der Terroristen mit dem Computer wieder im Haus verschwunden ist, legt ihr die beiden Wachen um. Dann habt ihr erst mal Sendepause. Jeder Feind, der zu fliehen versucht, wird ohne Rückfrage eliminiert.

Wir werden beim Zugriff das Überraschungsmoment ausnutzen. Wenn Carlos die gefälschten Bilder von Muhammed Jafreezy sendet, wird die Aufmerksamkeit der Terroristen am geringsten sein. Genau in diesem Moment gibt mir Carlos sein Zeichen. Wenn nichts anderes dazwischen kommt, funke ich euch mein Zeichen und los geht’s.“

„Was ist denn dein Zeichen? Auf die Plätze, fertig, los?“, grinste Mark.

„Was hättest du denn gerne?“

„Naja, burn motherfucker burn, ist wohl etwas zu lang.“

„Ok, dann nehmen wir nur burn burn.

In dieser Sekunde wird Team Alpha den Eingang stürmen. Team Bravo wird sich durch das große Fenster kämpfen, ich selber werde durch das Fenster der Geisel kommen. Die Kerle sollten so überrascht sein, dass sie gar nicht wissen wohin sie zuerst schießen sollen. Im Idealfall ist jedes Team mit zwei Männern binnen zwei Sekunden im Haus. Wenn jeder von denen einen Terroristen erledigt, sind wir durch. Im Idealfall.

Wenn es anders kommt, hat die oberste Priorität der Eigenschutz, dann kommen die Geiseln und erst dann kümmern wir uns um die Bastarde. Achtet mir besonders auf Sprengstoffgürtel. Sobald ihr einen seht, durchfunken und im selben Moment den Mann erledigen, der ihn trägt. Ich halte es für unwahrscheinlich, dass die Jungs einen Totmannschalter haben, da sie den ja sonst die ganze Zeit gedrückt halten müssten. Die Totmannschalter werden gerne von Selbstmördern genutzt, da sie diesen drücken und erst beim loslassen die Ladung zünden. Wir brechen in 30 Minuten auf. Noch Fragen?“

Mark durchbrach das Schweigen.

„Nein, ich kann es gar nicht erwarten, den Jungs in den Arsch zu treten.“

„Alles klar, dann kampfbereit machen und aufbrechen. Wir sehen uns vor dem Haus wieder“.

Die Gruppenführer salutierten und gingen zu ihrer kleinen Einheit zurück. Dort brieften sie ihre eigenen Männer, bewaffneten sich und zogen sich die Tarnanzüge an.

Mike sah zu Tom herüber. Der hatte während des Briefings keine Miene verzogen. Tom hatte die Lage sehr gut vorbereitet. Die vier Geiseln waren Mitarbeiter der Abteilung, die sechs Terroristen wurden von ausländischen Agenten gespielt. Das Haus war eines der vielen Übungsobjekte über die die Geheimdienste und das Militär verfügen konnten.

„Ich habe den Anführer an der Leitung. Er möchte wissen, wie weit ihre Forderungen umgesetzt sind“, sprach ein Mann im olivgrünen Anzug Mike an und hielt ihm ein Handy hin.

„Hier ist Chief Inspector Stevens. Wie geht es den Geiseln?“ Mike hatte seine Dienstbezeichnung erfunden, um wie ein Großstadtpolizist zu erscheinen. Mit der ersten Frage nach dem Wohlauf der Geiseln wollte er diesem Image Nachdruck verleihen.“

„Halt die Fresse, du Tschakesch. Ich stelle die Fragen“, zischte die Stimme aus dem Telefon in schlechtem Englisch.

Das ist aber nicht nett, dachte Mike. Nennt der mich einen Zuhälter.

Mike wollte auf keinen Fall zu erkennen geben, dass er etwas von der Sprache verstand. Er wechselte das Thema und ging auf die Forderungen ein.

„Wir haben die Zustimmung des Präsidenten. Muhammed Jafreezy wird in etwa einer halben Stunde freigelassen. Als Beweis wird ein Kollege von mir einen Computer mit einer Satellitenfernsehkarte vor Ihrem Haus deponieren. Der ist für Sie. Ich gehe davon aus, dass Sie in dieser verlassenen Gegend weder Internet noch ein anderes Medium haben um sich zu informieren.“

Es dauerte wenige Sekunden bis Mike wieder das Zischen im Handy hörte.

„Sehr brav. Und unser Hubschrauber?“

Den Teil hatte Mike fast vergessen, aber auch hier hatte er einen Plan, zu dem es allerdings nie kommen würde.

„Ist ebenfalls unterwegs. Er wird in einer Stunde hier eintreffen. Wie ausgemacht, lassen Sie zwei Geiseln im Haus, die anderen begleiten Sie bis zur mexikanischen Grenze. Dort lassen Sie auch diese frei. Hinter der Grenze können Sie dann untertauchen.“

„Gut. Und keine Tricks, sonst fliegen alle Geiseln in die Luft.“

„Nein, natürlich nicht. Wir wollen die Geiseln ja lebend.“

„Das will ich euch auch geraten haben, Tulehzag.“

Das letzte Wort war noch nicht ganz ausgesprochen, da beendete der Terrorist das Gespräch.

Sohn eines Hundes, das werde ich mir merken. dich kauf ich mir noch, durchfuhr es Mike. Was für ein Arschkopf.

Er zog sich den Camouflage-Anzug über und checkte die drei Pistolen und deren Magazine. Dann verstaute er sie sicher in den Brusttaschen und am Gürtel. In Gedanken ging er den bevorstehenden Einsatz mehrmals durch. Er glaubte nichts vergessen zu haben.

Eine halbe Stunde später pirschten sich die drei Teams an das Haus an. Im Kriechgang ging es Meter für Meter voran. Als alle ihre Position eingenommen hatten, fuhr Carlos mit dem Laptop los.

Wie besprochen stieg er dreihundert Meter vor dem Haus aus dem Wagen und stellte den Laptop etwa hundert Meter davor ab. Carlos drehte sich langsam um und ging zurück zum Wagen. Nachdem er sich einige Meter entfernte hatte, verließ einer der Terroristen das Haus.

„Los, weiter zum Haus, aber langsam. Die beiden Wachen sind draußen. Eine bei Team Alpha, die andere in unserer Nähe. Habe positive Sichtkontakte.“

Nahezu unsichtbar robbten sich die sieben Gestalten immer näher an das Haus. Als der Terrorist mit dem Notebook die Tür von innen schloss, fielen die zwei Körper der Wachen in sich zusammen. Der Schall der beiden Schüsse aus den Scharfschützengewehren erreichte erst zweieinhalb Sekunden später das Haus. Durch die Nutzung der Schalldämpfer war aber für das menschliche Ohr nichts mehr zu hören.

„T minus 4“, funkten die Scharfschützen. Eigentlich ein Countdown aus der Raumfahrt, aber Mike benutzte ihn um alle Teams wissen zu lassen wie viele Schurken noch am Leben waren. Die Toten waren in diesem Fall natürlich nur virtuell tot. Alle Schauspieler, Geiseln und Agenten trugen ein Gerät am Mann, das über einen Treffer Auskunft gab. Sollte ein Gerät ausschlagen, vibrierte es ziemlich stark und ließ den Körper tatsächlich für wenige Sekunden handlungsunfähig werden. Danach mussten die Getroffenen brav liegen bleiben bis ihnen die Geräte das Aufstehen durch ein Piepen wieder erlaubten.

„Sucht Deckung am Haus, die beiden Ballerina sind ausgeschaltet“, funkte Mike. Die Gestalten bewegten sich nun sehr viel schneller, trotzdem war es noch schwer die Bewegungen auszumachen. Die Camouflage Anzüge passten sich perfekt der Umgebung an.

„Alpha hat Position erreicht“, hörte Mike.

„Prima, dann warten wir nun auf Carlos. Bereithalten.“ Mike robbte vor zum Fenster mit der gefesselten Geisel. Zuvor gab er Team Bravo ein Zeichen in Deckung zu bleiben.

Obwohl es brütend heiß unter dem Anzug war, schlug Mikes Puls ruhig und normal. Jahrelanges Training. Ein fastfood-verwöhnter Landsmann hätte spätestens jetzt ein Sauerstoffzelt zum Überleben gebraucht.

„Wir sind auf Sendung, die News laufen ab. Die Bilder kommen in zwanzig Sekunden. Viel Spaß“, hörte Mike aus dem kleinen Knopf in seinem Ohr.

Ruhig und konzentriert zählte er jede Sekunde runter.

Zwanzig, neunzehn, achtzehn.

Mike schloss die Augen und sammelte seine ganze Konzentration.

Dreizehn, zwölf, elf.

Seine rechte Hand umklammerte die Walther PPQ. Er checkte mit seinen Fingern, dass die Waffe entsichert war.

Acht, sieben, sechs.

Mike richtete sich neben dem Fenster auf und machte sich für den Sprung bereit.

Drei, zwei, eins.

„Burn burn“, schrie Mike ins Mikrophon.

Zeitgleich stürmten die Männer das Haus.

Mike schoss in das Fenster und hechtete rückwärts durch die zerborstene Schreibe. Sofort drehte er sich um und blickte auf die Geisel.

Scheiße, Tom du Mistkerl, durchfuhr es Mike. „Code Epsilon, Code Epsilon.“

Code Epsilon war das verabredete Signalwort für das Einstellen auf eine komplett andere Situation. Die anderen Trupps würden nun nach eigenem Ermessen entsprechend der vereinbarten Prioritäten handeln.

Mike blickte auf eine gefesselte Schaufensterpuppe. An ihrem Körper war eine Heizdecke angebracht, so dass man auf den Wärmebildern kein Unterschied erkennen konnte. Die Scheißkerle hatten also die Geiseln woanders untergebracht. Blitzschnell checkte Mike den Raum, im dem er sich befand. Rechts war eine geschlossene Tür. Links auch. Ein Blick nach unten verriet Stolperdrähte. Sicher waren sie an einer Sprengfalle angebracht. Zum Glück hatte er noch keinen berührt. Mike vermutete, dass die Sprengfalle in der Puppe selber versteckt war. Also blieb er auf Distanz.

„T minus drei. Hier lief einer rum“, vernahm Mike durch sein Ohrstöpsel.

Mike durfte keine Zeit mehr verlieren. Er musste die Geiseln so schnell wie möglich finden, wenn er sie noch lebend aus dem Haus bringen wollte. Mit jeder verstrichenen Sekunde wuchs die Gefahr, dass die Terrorbrüder ihre Geiseln in die Luft jagten.

Auch wenn Mike sehr viel von Eigenschutz hielt, Angriff war noch immer die beste Verteidigung.

Mike sprang über die Stolperdrähte und stürmte auf die linke Tür zu. Nach seinen Berechnungen würden die beiden anderen Teams eher auf der anderen Seite ihrem Job nachgehen.

Mike stieß die Tür auf und hechtete mit einer Rolle in den Raum. Noch bevor er wieder aufstand konnte er im Augenwinkel eine Bewegung ausmachen. Sofort knickte er seine Füße ein, um sich in diese Richtung drehen zu können. Was er sah, war sicherlich keine Geisel. Geiseln hatten kein Messer in der Hand und sprangen den rettenden Helden nicht an. Reflexartig drückte Mike den Abzug seiner Walther PPQ und brachte den Terroristen noch im Anflug zu Fall.

„T minus zwei.“ Diesmal war es Mike, der die Meldung an seine Kollegen weitergab.

Noch in der Rollbewegung sichtete Mike den Raum. Schließlich kniete er mit seiner Waffe im Anschlag. Nichts weiter zu sehen. Mike wechselte blitzschnell die Waffen. Er wollte lieber mit einem vollen Magazin in den nächsten Kampf gehen.

Dann machte er im hintersten Eck des Raumes doch eine Geisel aus. Ein Sprengstoffgürtel bekleidete den Mann. An seiner Brust lief eine Digitaluhr schnell herunter. Noch 30 Sekunden.

Im Laufschritt spurtete Mike zur Geisel. Beim Vorlaufen sicherte er den kompletten Raum. Keine weiteren Auffälligkeiten. Bis auf das Ticken der Uhr. Mike schaute auf den Gürtel. Ein übliches Modell, wie er es schon mehrfach zu Gesicht bekommen hatte. Während seiner Ausbildung hatte er schon viele dieser Gürtel entschärft. Er musste nur sehr vorsichtig sein. In der Regel explodierten die Dinger, wenn man sie versuchte abzulegen. Es gab meistens Drähte, die den korrekten Sitz kontrollierten. Wurde einer unterbrochen, bumm.

Mike riss die Abdeckung des Zünders auf. Noch fünfzehn Sekunden.

Er sah die Kabel, die zum Zünder gingen. Insgesamt vier Stück. Im Gegensatz zu den zahlreichen Actionfilmen hatten diese aber keine Farben. Mike kam somit nicht in die Verlegenheit sich zwischen dem blauen oder dem roten Draht entscheiden zu müssen.

Noch zehn Sekunden.

Zwei der Drähte führten zur Batterie, die anderen beiden zum Sprengstoff.

Noch acht Sekunden.

Mike nahm sein Messer aus dem Holster am Hosenbein und kappte das Kabel, das zur Batterie führte.

Die Uhr blieb bei vier Sekunden stehen. Zum ersten Mal sah er der Geisel ins Gesicht. Erleichterung machte sich breit.

„T minus eins“, hörte Mike aus dem Knopf im Ohr. Team Alpha schien ganze Arbeit zu leisten.

Gerade als Mike der Geisel helfen wollte aufzustehen, hörte er ein Rufen.

Er erkannte sofort die Stimme von Arschkopf. Na prima, mit dir habe ich eh noch ein Hühnchen zu rupfen, dachte Mike.

„Ich habe gesagt keine Tricks, ihr Schweinehunde.“

Mike blickte in die Richtung aus der die Stimme kam. Arschkopf hatte sich eine Geisel geschnappt und sie als menschliches Schutzschild vor sich gehalten. In seiner rechten Hand hielt er einen Auslöser. Die Kabel verliefen zur Sprengstoffweste, die um die Geisel geschnallt war. Auf Grund der hellen Hautfarbe seines Daumens von Arschkopf hielt er den Auslöser wohl schon einige Sekunden gedrückt. Eine Totmannschaltung.

Lässt er sie los, bumm.

„Damit habt ihr Pissköpfe nicht gerechnet, was?“

Ein beachtliches Repertoire an Schimpfwörtern hat der Gute auf Lager, dachte Mike.

Arschkopf war sichtlich angespannt. Er schwitzte stark und seine Hände zitterten leicht.

„Ok, du hast gewonnen. Was willst du?“, fragte Mike.

„Alle raus. Wenn ich in einer Minute noch einen von euch Pennern in diesem Haus sehe, fliegt die Geisel in die Luft. Und das wollen wir beide doch nicht. Haut ab und ich werde die Geisel bis nach Mexiko nehmen. Dann bleibt sie am Leben. Und schmeiß deine billige Cowboypistole weg.“

Mike betrachtete den Raum, in dem sie sich gerade befanden. Etwa vier auf vier Meter. Ein Fenster links hinter ihm. Arschkopf stand etwa zwei bis drei Meter diagonal vor ihm. Die vom Fenster einfallende Sonne musste ihn also leicht blenden.

Mike wandte einen alten Zaubertrick an. Wenn immer ein Magier das Objekt das er gleich verschwinden lassen wollte ganz offensichtlich mit einer Hand nach oben hob, um es den Zuschauern zu zeigen, konnte man sich sicher sein, dass die eigentliche Magie in diesem Moment in der anderen Hand passierte. Mike fiel das immer wieder auf, wenn er in Meetings sich selbst beobachtete. Sobald jemand mit der Hand auf eine Karte oder eine Grafik zeigte, wanderte der Blick automatisch mit der Handbewegung. Man musste sich schon sehr unter Kontrolle haben, um diesem Automatismus nicht bedingungslos zu folgen.

Mike nahm seine Walther PPQ von der rechten in die linke Hand. Dabei richtete er den Lauf der Waffe an die Decke und streckte sie weit nach oben. Die nun freie rechte Hand verschwand langsam und unauffällig unter seinem Anzug. Seine Hand ertastete die vollgeladene neue Waffe. Mit dem Daumen entsicherte er sie bereits.

Arschkopfs Blick folgte wie zu erwarten der Waffe in Mikes linker Hand.

„Ok, wie du willst.“

Mike warf die Waffe aus der linken Hand in einem hohen Bogen von sich Richtung Fenster.

Als die Waffe den höchsten Punkt der Flugbahn erreicht hatte, fügte er noch einen Satz hinzu.

„Ich bin übrigens nachtragend, Kallepuk.“

Mit dem letzten Wort krachte die Waffe durch das Fenster.

Arschkopf war sichtlich überrascht. Zum einen wegen Mikes Verhalten und dann darüber, dass er gerade in seiner Landessprache als Hohlkopf beleidigt wurde.

Diese zehntel Sekunde der geistigen Inaktivität von Arschkopf nutzte Mike gnadenlos aus. Er zog seine Waffe und schoss der Geisel in die linke Schulter. Noch bevor einer der beiden reagieren konnte, setzte Mike den zweiten Schuss direkt zwischen Arschkopfs Augen und hinterließ virtuell ein Riesenloch. Jetzt machte sein Spitzname wirklich Sinn.

Die Geisel flog durch die Schockwelle des Gerätes auf die Hand des inzwischen toten Geiselnehmers. Mike sprintete auf die beiden zu. Er wollte sicher gehen, dass sich die Schulter der Geisel bei der Landung noch immer auf dem Auslöser des Bombengürtels befand. Er erreichte die beiden noch bevor sie auf den Boden krachten. Die Schulter der Geisel kippte bedrohlich zur Seite und würde den Auslöser in den nächsten Sekundenbruchteilen nicht mehr drücken. Doch bevor es soweit kommen konnte, hatte sich Mike bereits entschieden, sich den Auslöser selber zu krallen. Im nächsten Moment war es nun Mike, der den Totmannschalter fest umklammerte.

„T minus 0. Over and Out.“

Eine halbe Stunde später versammelten sich alle Teilnehmer der Übung wieder hinter der großen Düne.

Tom ergriff das Wort.

„Gratulation meine Herren. Ich würde mal sagen, nicht optimal gelaufen, aber sehr gut auf die neuen Umstände reagiert.

Die Vorarbeit war passabel. Auf Grund der begrenzten Zeit aber nicht besser durchzuführen.

Die Stürmung des Hauses verlief koordiniert und diszipliniert. Bis auf, äh, Mike, kannst du uns die Eliminierung des Anführers selber schildern? Du hast doch nicht tatsächlich auf die Geisel geschossen, oder?“

Mike wusste, dass so etwas noch kommen musste. Bisher war er mit Toms Manöverkritik sehr zufrieden gewesen. Wer Tom kannte, wusste, dass bei ihm ein nicht schimpfen genug Lob war.

„Nun ja, das war eine ziemlich verzwickte Geschichte. Dadurch, dass uns die Kerle mit den Heizdecken reingelegt hatten, war der Überraschungsmoment erst mal dahin. Im weiteren Verlauf der Erstürmung hat mich dann das Oberhaupt eiskalt erwischt. Meiner Einschätzung nach hätte er mich in der Realität sowieso nicht gehen lassen. Die Geisel hätte er auch sicher hier in dem Haus nicht so mal eben sterben lassen wollen, denn dann wäre er niemals nach Mexiko gekommen, geschweige denn Muhammed Jafreezy freigekommen. Durch den Totmannschalter blieb mir keine andere Wahl als ein geeignetes Objekt zu suchen, das ich aus der Entfernung auf den Auslöser drücken lassen könnte. Da wir keine echte Munition dabei hatten, blieb mir nur der Schock des Erkennungsgerätes am Körper der Geisel. Den Treffer in die Schulter hätte er auf jeden Fall besser verdaut als fünf Kilo Sprengstoff.

Abschließend kann man nur sagen, Lage wie gegeben.“

Tom schüttelte mit einem Schmunzeln den Kopf. Naja, wo er Recht hatte, hatte er Recht.

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