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Kapitel 9
ОглавлениеZuhause angekommen checkte ich nochmal meinen Messenger. Es waren unglaubliche vierzig neue Fälle hinzugekommen! Verteilt auf die komplette Republik. Das Besondere daran war nur, dass keine Details abrufbar waren. Stattdessen folgte bei genaueren Recherchen eine Fehlermeldung. Dies war für I-Maps wirklich untypisch. Der signifikante Anstieg war bemerkenswert. Ein leises Surren kündigte an, dass Carla vor der Tür stand. Ich öffnete die Tür, sie stand leicht verkrampft da und lächelte mich an. „Hallo James, danke dir, dass ich kurz vorbeikommen konnte. Ich war heute ziemlich durcheinander. Es kommt nicht oft vor, dass ich bei einem fremden Mann aufwache und mit ihm dann gemütlich frühstücken gehe.“ Ich lächelte etwas verlegen, um die Situation ernst zu halten. Gedanklich sah ich diese Frau mindestens einmal pro Woche bei einem fremden Mann im Bett aufwachen. Die scheue Pferde Nummer wollte ich ihr nicht abkaufen. Nicht, nachdem wir uns in der Shag-Station getroffen hatten. Dort verliefen sich selten scheue Engel. „Schon okay, Carla, kann ich gut verstehen, mir ging es genauso. Für mich war das heute auch ein Sonderfall.“ Verdammt, ich spielte die Antwort auf ihre Nummer im gleichen Tenor. „Komm rein, die Wohnung kennst du ja bereits“, wir lachten. Ich besorgte ihr etwas zu trinken und wir setzten uns auf meine kleine, bescheidene Couch. Ich zog meinen Messenger raus, und erzählte ihr meine Recherchen. Das war sicher nicht das Thema, das man mit einer Frau auf der Couch besprach, trotzdem ließ es mich nicht los. Ich fühlte mich immer noch, als sei ich das Schwein, das den Schlachthof riechen konnte. Sie sah die Karte an und ihre Augen vergrößerten sich. Sie erschrak genauso wie ich bei der Anzahl der Pins. Ihre Augen wurden zunehmend glasiger, sie konnte ihre aufkommende Angst nicht mehr verstecken. In dieser Sekunde meldeten sich beide Messenger zeitgleich, als hätte der Teufel persönlich diese Situation arrangiert. Es war eine offizielle Meldung vom Gesundheitsrat. „Liebe Bürgerinnen und Bürger von Hamlin! Wie wir vor kurzem berichteten, haben wir in den letzten Tagen ungewöhnliche Vorkommnisse in der Stadt. Teilweise verloren ältere Bürger das Bewusstsein und begingen in der Oststadt eine schreckliche Tat. Zwischenzeitlich wurden die Verantwortlichen von der örtlichen Security gestellt und in das Zentralklinikum gebracht, um die Ursache zu finden. Im Moment liegen hierzu noch keine konkreten Hinweise vor. Der europäische Zentralrat hat aus Sicherheitsgründen, basierend auf den English-Quarantine-Regulations beschlossen, für Deutschland eine Sicherheitsmaßnahme der Stufe 3 zu verhängen.“ Stufe 3, ich blickte Carla fragend an. „Ab morgen, den 14. März 2156, 15 Uhr MEZ, bitten wir alle Bürger der Stadt, die vor dem 01.01.2081 geboren sind, in ihren Wohnungen zu bleiben. Alle Betroffenen bekommen ab sofort über ihren Messenger entsprechende Instruktionen. Bis Mittag haben Sie die Möglichkeit, besonders wichtige Termine wahrzunehmen. Ein Team des Health Care Centers wird sich für einen Kurzcheckup mit Ihnen in Verbindung setzen. Wir bitten Sie, in Ihren Wohnungen zu bleiben. Diese Maßnahme dient Ihrer eigenen Sicherheit und der der Bürger von Hamlin. Bitte beachten Sie, dass dieses Gesetz europäischem Recht entspricht und Zuwiderhandlungen strafrechtlich verfolgt werden. Wir bitten an dieser Stelle alle Bürger in diesen Tagen um einen besonnenen Umgang mit unseren älteren Mitbürgern. Seien Sie alle Vorbilder, damit wir diese Situation nächste Woche wieder aufheben können. Diese Nachricht hat bis auf weiteres Bestand. Für Fragen haben wir einen virtuellen Konferenzraum eingerichtet, den Sie jederzeit besuchen können. Wir danken Ihnen für Ihr Vertrauen.“ Carla sah mich schweigend an. „James, was sollte das gerade? Was wollen die von uns?“ „Carla, ich weiß es nicht. Ich glaube, dass wir es hier mit einer kleineren Epidemie zu tun haben. Das ist meine Vermutung. Warum es nur Alte trifft, kann ich mir auch nicht erklären, ich bin kein Biologe. Für mich scheint es, als wäre es eine Krankheit, die auf das Gehirn Älterer wirkt und sie schlichtweg austicken lässt.“ Ich versuchte, sie zu beruhigen, indem ich ihre Hand nahm, während ich ihr mit ruhiger Stimme meine Theorie erläuterte. Ich beschloss, Carla kurz auszuführen, um sie auf andere Gedanken zu bringen. Ich orderte ein SmallCab, das uns in kleines Spielcenter brachte. Dies war ein Ort, an den ich gerne ging, um der Realität zu entfliehen. Hier konnte man die neuesten Games spielen. Es war das Eldorado für Zocker. Ich öffnete die Tür und wir standen im Adenauer Space Center. Ich buchte eine Runde Virtual Golf für zwei. Golf half mir, wenn mich meine dunklen Gedanken würgten. Als Golfplatz suchte ich eine schöne, sonnige Location in Dubai, als Trainer keinen unbekannteren als „The Snake“, ein Golftalent, wie es die Welt bis dato noch nicht gesehen hatte. Snake erläuterte uns in den nächsten fünfundvierzig Minuten, worauf es beim Golf ankam und warum unsere Technik nicht so gut war. Carla schien es zu gefallen, sie lachte als „Snake“ ihr auf den Arsch klopfte, um die Haltung zu korrigieren. Sie war auf dem Court und konnte vergessen. Ich hatte mein Ziel erreicht.
Nach einer knappen Stunde verließen wir das Spielcenter. Draußen war es zur Abwechslung mal trocken und die Werbeflächen vor uns strahlten in voller Intensität auf die Stadt und auf meine neuen Sneaks, die das Licht herrlich widerspiegelten. Wir schlenderten gemütlich zum SmallCab Collective, von wo aus wir heimfahren wollten. Das Collective lag ungefähr fünf Gehminuten entfernt. Der Weg dorthin führte uns über eine kleine, unbedeutende Seitenstraße. Die Nacht war klar und leicht frostig, normal für das Frühjahr in Hamlin. Normal, bis wir einen Schrei hörten. Es klang nach einem Schrei von jemandem, der unter ziemlichen Schmerzen zu leiden hatte. Die Straße verlief geradeaus, ich konnte den Lärm nicht orten. Es hörte sich brutal an, mein Herzschlag beschleunigte sich, ich zog Carla näher zu mir. Nach ein paar Metern sah ich, dass links eine enge Gasse abging. Von dort kamen die Schreie, sehen konnte man von hier aus nichts. Ich bat Carla, an der Ecke zu warten und ihren Messenger in den Emergency Mode zu bringen. „Carla, renn bitte zur Not die Straße zum Spielcenter hinunter und schrei so laut du kannst. Geh bitte auf keinen Fall auch in die Gasse, egal, was passiert, ich schaue nach.“ Die Gasse war dunkel und dreckig. Es sah aus, als wäre es eine kleine Zufahrt, um den Müll aus den Hochhäusern abzutransportieren. Es war fast völlig dunkel, da die Hauswände links und rechts das Licht auffraßen. Ich lief in die Gasse, mein Herz raste, mein Puls war im oberen Bereich, Adrenalin schoss durch meine Adern, ich zitterte. Es wurde Schritt für Schritt dunkler, bis ich plötzlich vor den Rücken von vier Jugendlichen stand. Einer davon schlug mit voller Wucht auf einen fünften, der am Boden lag. Ich konnte nichts erkennen. Ich rief in meiner Verzweiflung: „Stopp, aufhören, seid ihr des Wahnsinns!“ Einer der vier drehte sich zu mir, sah mich und schlug mir mit voller Wucht ins Gesicht. Seine Hand formte sich zu einer Faust, die mich mit einem dumpfen, harten Schlag direkt auf das linke Auge traf. Ich spürte nur noch Schmerzen und verlor mein Gleichgewicht. Ich taumelte nach hinten. „Verpiss dich, du Arschloch!“ Ich hörte diese Worte, als mein Kopf auf dem Asphalt aufschlug. Ein zweiter Fußtritt in meine Magengegend signalisierte mir, dass ich hier an die falschen Jungs geraten war. Ich schützte mein Gesicht vor weiteren Tritten, mein Nervensystem signalisierte mir durch starke Schmerzen, dass ich schwere Treffer erlitten hatte. Aus einem Augenwinkel heraus sah ich, wie einer der Jungs mit einer Eisenstange auf den am Boden Liegenden einschlug. Ich hörte, wie die Knochen des Verprügelten brachen. Erneut traf mich ein Fuß, dieses Mal in meinen unteren Rücken. Ich schrie vor Schmerzen: „Fuck, ihr abgefuckten Pisser!“ Das Intervall der Tritte wurde kürzer und der nächste Schlag ging gegen meine Brust. Mein Atem wurde durch den Schlag schwerer und die Wahrnehmung der Situation schwächer. Ich verlor die Orientierung. Sekunden später traf mich ein letztes Mal ein Gegenstand am Kopf. Es war, als hätte einer der Jungen den Hauptschalter getroffen. Mir wurde schwarz vor Augen und mein Verstand schaltete auf Standby.