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Kapitel 5

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Zuhause angekommen atmete ich erst mal auf. Das Hochhaus stand noch und auch meine Wohnung schien völlig unversehrt zu sein. Ich wechselte meine Kleidung und schluckte eine Easy Wake Up Pill. Mein Messenger vibrierte. Es war Meyers, er kam direkt zum Treffpunkt. Da es draußen wieder in Strömen regnete, beschloss ich, kein Mobibike zu nehmen, sondern forderte mir ein SmallCab an. Ich wollte nicht wie ein begossener Pudel vorfahren.

Ich stieg in das SmallCab ein. Der Chauffeur fragte mich freundlich nach dem Zielort. Es war ein X-10 Fahrsystem, das den Smallcap bediente. Eine projizierte Figur auf der vorderen Scheibe des SmallCabs. „Edison Tower, Level 0, danke.“ Ein paar wenige Worte und das Gefährt berechnete die beste und schnellste Route. Um kurz vor zehn war auf den Straßen wenig Verkehr und der Edsion Tower war in dreißig Minuten zu erreichen. Es war schon dunkel und die Stadt funkelte in allen Farben. Die Projektionen der neusten Produkte auf den Flächen der Häuser schillerten in den Fenstern meines SmallCabs. Wir hielten zwei Mal, um noch zwei weitere Personen mitzunehmen. Eine Frau und einen älteren Mann, beide recht schweigsam. So kam es, dass ich die Fahrt in Gedanken verbrachte, beim Ausblick auf die Straßen von Hamlin. Woran ich dachte?

Energie und Ressourcen sparen, diese Schlagwörter bestimmten die Nachrichten der letzten Wochen. Durch den Ausfall zweier Solarfelder in der Sahara stieg der Strompreis nun seit Wochen. Ein Sandsturm hatte dort mehrere kleinere Felder in Schutt und Asche gelegt und dabei eine Transportpipeline nach Europa zerstört. Die Regierung ging davon aus, dass der Strompreis bis Mitte dieses Jahres wieder fallen sollte. Trotzdem bildeten sich Gruppen, die zum Stromsparen aufriefen. So entstand das SmallCab-Sharing. Jeder konnte nun ein besetztes und für diesen Modus freigeschaltetes SmallCab buchen und mitnutzen. Ich fand diese Idee witzig, da man so in Kontakt zu neuen Leuten kam. Es war sicher nicht des Geldes oder des Stroms wegen. Ich war einfach nur einsam. Mal mehr, mal weniger. Meine letzte Beziehung lag nun schon fünf Jahre zurück. Knapp zweitausend Tage. Mit ihr ging auch die Ära eines glücklichen Mannes zu Ende. Ich liebte sie damals sehr. Die Ära Sarah war mit Sicherheit heute schon einer der Höhepunkte in meinem Leben. Auch wenn das unter normalen Umständen noch ein ganze Weile andauern sollte. Laut Statistik hatte ich dieses Jahr ein Drittel meines Lebens hinter mir. Scheiße, dachte ich, schon wieder war ich in Gedanken bei Sarah. Zweitausend Tage später – ich wollte nicht mehr an sie denken, aber in meinem Gehirn waren die Bilder von ihr gespeichert. Für diese Art der Speicherung gab es leider heutzutage noch keinen Löschbefehl. Gäbe es ihn, ich glaube, ich hätte ihn ausgeführt.

Der Edison Tower war komplett in gelb-rotes Licht gefärbt. An seiner Spitze leuchtete die Werbung eines großen Entertainment-Projektorherstellers. Im unteren Bereich, der Einfahrtszone, standen bereits ungefähr fünfzig SmallCabs, die alle darauf warteten, vom TTMS, dem TowerTrafficManagementSystem, geleitet zu werden. Aus meinem Fenster sah ich eine Traube Menschen, die am Eingang stand. Am Rand der Menschentraube stand auch Meyers. Er hatte sich in seinen schicken, schwarzen Anzug geschwungen, der seinen fetten Arsch elegant umhüllte. Er stand da, die Hände locker in der Hosentasche, in Begleitung zweier Frauen. Es waren Rebecca und Anna, unsere Dates. Als mein SmallCab endlich zum Stehen kam, lief ich zu den Dreien. Annas Augen begannen zu leuchten, als sie mich sah, sie lief auf mich zu und begrüßte mich klassisch mit einem Wangenkuss. Sie hatte ein verführerisches Parfüm benutzt. Eine weiche, feminine Note umströmte ihren Hals, als sie sich näherte. Es war eine Mischung aus Vanille und einem holzigem Duft, soviel konnte meine Nase aus dieser Vielzahl an Essenzen selektieren. Sie streifte meine Wange leicht beim Küssen, ich spürte, wie ihre zarte Gesichtshaut über meine raue Haut glitt. „Hi, James, ich freue mich so, dass du noch mitkommen konntest. Edward erzählte mir, dass du direkt aus einem Meeting in Warschau hier her gekommen bist. Das war bestimmt super stressig?“ Meyers zwinkerte mir zu, manchmal könnte ich ihn dafür umbringen. Verlegen versuchte ich es herunterzuspielen, ich wusste nicht, was dieser Penner erzählt hatte. Ich reichte Rebecca die Hand. Leicht gestreckt und distanziert, sie interessierte mich nicht wirklich. Meyers hob mal wieder die Hand, um seine Abcheckerbegrüßung zu starten. Ich spielte mit, als ob wir das Tag Team schlechthin waren. Seine Hände waren feucht, er war nervös. Am Eingang wartete bereits eine Schlange vor dem Foyer. Das Xpierence war einer der angesagtesten Clubs in der Stadt. Er war eher elitär gehalten. Zumindest wurde am Eingang streng selektiert. Wir hatten aber einen Bonus. An der Tür stand heute ein Bekannter von Edward, Jackson Soor, ein echter Engländer. Er war fast 2,10 Meter und wog unglaubliche hundertfünfzig Kilo. Seine Spiegelglatze unterstrich seine Erscheinung mit einer gewissen Härte und Stringenz. Er trainierte im selben Gym wie ein Freund von Meyers. Über ihn lernte Meyers Soor kennen. Das war unser erster Trumpf. Der zweite war, dass hier Gäste aus der Werbebranche gerne gesehen waren. Am beliebtesten waren aber wir Werbemenschen von Advertising Pilot, da wir die Eröffnungskampange für das Xpierence konzipiert hatten.

„Hey Meyers, how are you doing?“, Soor hatte Meyers in der Schlange entdeckt und uns nach vorne gewunken. „Nice to see you man, hello girls, hello boy!“ Mich begrüßte dieser Schrank mit Boy, ich kam mir vor wie ein Schulbube neben dieser Maschine. „Soor, old cowboy, how do you do?“, Meyers war sichtlich begeistert, dass er so empfangen wurde und alle um uns herum auf ihn starrten. Er genoss die Show. Nach kurzer Zeit öffnete uns Soor das Absperrseil hinter ihm und wir konnten endlich eintreten. Der Fahrstuhl katapultierte uns in Sekunden in den fünfundfünfzigsten Stock. Als die Tür aufging, schallte uns laute Musik entgegen. Von einem auf den anderen Moment vibrierten die Bässe im ganzen Körper. Das Herz und die Lunge bebten von diesem höllischen Druck, während die Vings total im Kopf resonierten. Diese Art der modernen Instrumente konnte einen absolut mitreißen und in eine andere Welt bringen. Der Club war recht gut besucht für diese Uhrzeit. Das Xpierence umfasste ganze drei Stockwerke des Towers mit unterschiedlichen Themenräumen. Die Musik wechselte in den Räumen von Roocie über klassischen Modern Hip Beat bis hin zu Sambian Rush. Die Dekoration in jedem der Räume war stets eine Herausforderung für die Augen der Gäste. Bis ins Detail geplante Accessoires schmückten die Räume in Farben und Lichtnuancen, fast surreal anmutend. An einem Eck des Towers, im Smoothroom, waren die Außenscheiben entfernt worden. Man konnte sich dort relaxt in eine der Couches setzen und saß wie auf einer Terrasse in über hundert Meter Höhe. Von hier aus konnte man seinen Blick auf den nordöstlichen Teil der Stadt schweifen lassen und dabei entspannt einen der neuesten Drink-Kreationen des internationalen Barkeeperteams genießen. Der mittlerweile komplett beleuchtete Hafen stellte den Mittelpunkt eines unglaublichen Beleuchtungsszenarios dar. Das war der Grund, warum alle in diesen Club wollten. Er war etwas ganz Besonderes, in jeder Hinsicht. Das Design war einmalig. Geradlinigkeit der Formen und Elemente, Puristik in allen Facetten. Eine weiß-schwarze Farbinszenierung in den Elementen. Dieser Club war für mich die Verkörperung des dreiundzwanzigsten Jahrhunderts, oder zumindest ein Ausblick auf dessen Kunstepoche. Rebecca und Anna liefen wie verwirrte Hühner direkt auf die Tanzfläche, um zu tanzen. Mich zog es mit Meyers erst mal an eine Innenbar, da der Smoothroom bereits voll war. Die Zahl der Gäste dort war auf Zwanzig begrenzt. Ein paar WakeUp Drinks waren jetzt nötig, um meiner leicht depressiven Stimmung zu entfliehen. Wir standen an der Bar und beobachteten die Mädels und Kerle auf der Tanzfläche. Es war eine heiße Mischung. Die Mädels trugen freizügige Outfits, die einen ins Schwärmen kommen ließen. Glitzernde Kleider mit entsprechenden Dekolletés wechselten ab sich mit eng anliegenden Tops, die die darunterliegenden Brüste voll zur Geltung kommen ließen. So stellte ich mir mein Paradies vor, mit dem Unterschied, dass die Frauen dort nur für mich tanzten. Der Altersdurchschnitt der Mädels hier betrug Anfang Zwanzig, die Herren lagen im Durchschnitt bei Dreißig. Ich war also noch im Rahmen, um hier zu jagen. „James, ich glaub mit Becci läuft nichts, die steht nicht auf mich!“ Meyers war frustriert. „Ich habe vorher eine Weile mit ihr gesprochen, ich glaube die hat zwischenzeitlich wieder Eine. So eine Lesbe! Die ist bestimmt Bi oder Tri oder was weiß ich, auf jeden Fall geht da nix!“ Er war wirklich frustriert. Ein roter Laserscheinpointer strahlte sein Gesicht an, als richtete gerade der Teufel sein Gewehr auf seinen Schädel! „Meyers, Mann, wenn das nichts wird, verschwinden wir anschließend an einen geheimen Ort, dann zeige ich dir mal ein kleines Geheimnis von mir.“ Ich schrie ihn an, weil die Musik mittlerweile ohrenbetäubend war. Wir tranken aus und suchten Rebecca und Anna auf der Tanzfläche. Anna tanzte mich an, als hätte ich einen Privatedance bestellt. Es war mir irgendwie unangenehm und begann mich zu stören. Plötzlich hatte ich keine Lust mehr, diese Frau flachzulegen. Ich hatte keine Ambitionen mehr, sie zu erobern. Ich fand sie plötzlich nur noch scheiße. Von einer Sekunde zur Nächsten wechselte meine Meinung von ihr. Sie machte mir Angst und als sie mich antanzte, mischte sich ihr einladender Duft von vorhin mit einer Nuance aus Schweiß. Mein Gott, Lichtjahre Unterschied zu Sarah! Diese Frau hatte keine Klasse und keinen Stil, soviel war jetzt klar. Ich zog Meyers zur Seite, der mittlerweile eine ältere Blondine antanzte. „Edward, komm mit, wir müssen reden“, ich zog ihn Richtung Toilette, wo die Musik allmählich leiser wurde. Drinnen, am Waschbecken konnte ich erst mal mein ermüdetes und geschocktes Gesicht wieder ein wenig auffrischen. Ich erzählte ihm von meinem Problem mit Anna, woraufhin er los lachte. „Corner, du bist echt total kaputt! Such dir wirklich mal einen Psychiater! Du bist echt so kaputt, mein Freund, dafür liebe ich dich!“ Er erkannte wohl, dass ich ein Problem hatte. Nichtsdestotrotz mussten wir hier raus aus diesem Club, am besten unerkannt! Wir verließen das Xpierence kurz vor zwölf, ohne die Mädels. Wir lachten am unteren Ausgang wie betrunkene Teenies. Wir waren soeben vor unseren Dates geflüchtet.

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