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WENN DAS ZWEITE KIND KOMMT

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Das Dreieck Vater-Mutter-Kind verändert sich mit der Geburt des zweiten Kindes, und nachhaltige soziale Prozesse halten Einzug in den Familienalltag. Aus dem geschwisterlosen Kind entsteht eine »Zweierbande«, die die Eltern vor neue Herausforderungen stellt. Marcel Rufo (* 1944), ein französischer Kinderpsychiater, hat diese Veränderungen so auf den Punkt gebracht: Mit der Geburt des zweiten Kindes halte »Gerechtigkeit Einzug in den Familienalltag«. Das erstgeborene Kind kann nicht mehr alles bekommen, es steht nicht mehr allein im Mittelpunkt. Da ist noch ein anderer Satellit, der um die Eltern kreist und Aufmerksamkeit verlangt. Das zweite, wie natürlich das dritte und jedes weitere Kind auch, bringt Unterschiede in die Familie. Und es bietet Eltern damit die Chance, Elternschaft anders zu gestalten, auch anders zu genießen und andere Persönlichkeitsanteile als Mutter oder Vater in sich wahr- und anzunehmen. So betrachtet sind Geschwisterkinder eben Geschenke.

AUS DEM FAMILIEN-LOGBUCH

Alu schreibt an ihre jüngste Tochter über ihre Gefühle und Erfahrungen: »Müde bin ich heute. Ich sitze seit neun Uhr in der Uni, inzwischen seit mehr als sechs Stunden. In meinem Kopf rauscht es, es reiht sich Vortrag an Vortrag – und ich weiß, Papa holt dich ab, Marie.

›Hat alles geklappt?‹, frage ich ihn per Messenger. Natürlich hat alles geklappt. Warum sollte es auch nicht? Er hat ja auch drei Kinder, holt dich ja sehr oft ab. Du liebst das.

›Hier ist alles okay, wir vermissen dich‹, schreibt mir dein Papa zurück, und ich antworte nur kurz mit ›Dito‹.

Ja, ich vermisse dich. Manchmal sogar sehr an diesen Tagen, die so voll sind mit ›wichtigen‹ Dingen und an denen so wenig Zeit bleibt für dich und für deine Geschwister. Du bist doch mein jüngstes Kind. Ich will dich wachsen sehen, will keinen wichtigen Schritt verpassen, denn du hast mein Herz! Du bist und bleibst mein letztes Kind.

Ich weiß das, denn mein Herz hat so entschieden. Als du da warst, da wusste ich es sofort: Du machst uns komplett. Du bist (m)ein Geschenk an diese Familie.

Jeden Tag lernst du Neues dazu. Du sprichst schon Vierwortsätze wie ›Mama auch Mütze auf‹, und du zeigst mir sehr genau, was du willst, und manchmal auch, was ich eigentlich will. Ich möchte all diese Schritte mit dir gehen. Ich möchte hören, wie du lernst und mir ganze Lieder vorsingen kannst, in denen ›die Sonne lacht‹.

Deine Geschwister sind inzwischen schon so groß. Schon so lange ist es her, dass deine große Schwester so klein gewesen ist wie du. Sie konnte in dieser Zeit noch nicht gut sprechen. Aber an so vieles erinnere ich mich auch nicht mehr genau. Ab und an machen mich diese Lücken traurig.

Du hilfst mir, mich zu erinnern, ein Vergleichen im Positiven: ›Weißt du noch, wie süß die große Tochter als Kleinkind war?‹ Ich sehe sie und den Mittleren durch deine Augen. Ihre Locken, seine Augen, dein Wille!

So wenig Spielzeug oder Bücher sind noch aus den Kleinkindertagen deiner Geschwister übrig. Andere Kinder haben sich darüber gefreut. Wir haben die Dinge mit vollen Händen verschenkt. Dir ist das egal. Du brauchst nicht viel Spielzeug, du tanzt und malst gern, du spielst Kaffeetrinken mit Ikea-Bechern und Verstecken mit meinem Schal.

Ja, ich vermisse dich an diesen Tagen, an denen wir uns entweder nur am Morgen oder am Abend sehen. Das ist wohl der Alltag.

Aber ich liebe auch deine Freude, wenn ich nach Hause komme! Ich lausche gern deinem Glucksen, wenn deine Geschwister zur Tür reinkommen. Ich liebe es, wenn du alles wiederholst und rufst: ›Gucke mal, Mama!‹ Und: ›Ich auch!‹

Als mein Handy das nächste Mal aufblinkt, hast du mir eine Nachricht geschickt. Wild hast du auf die Tasten von Papas Telefon gehauen, und dein Papa hat es abgeschickt. Ich muss grinsen und antworte dir ebenso mit bunten Emojis. Mein Handy blinkt wieder. Deine große Schwester schickt mir nun Fotos von euch beiden. Ihr sitzt auf dem Teppich und sortiert die Bausteine. Du versuchst, einen Turm zu bauen, der dann umfallen kann. Im Hintergrund sehe ich deinen Bruder, und ich weiß: Es ist alles in Ordnung zu Hause, auch ohne mich.«

Geschwister - eine ganz besondere Liebe

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