Читать книгу Broken World 2 - Jana Voosen - Страница 12
7
ОглавлениеIn meinen Schläfen beginnt es zu pochen. „Wie meinst du das?“, frage ich unnötigerweise, denn schließlich gibt es da keinen großen Interpretationsspielraum.
„Komm mit!“ Kimi packt meine Hand und zieht mich aus der Küche. Schräg über den Flur und in ihr Zimmer hinein. Zerwühlte Bettdecken. Es riecht nach Sex. Kimi macht sorgfältig die Tür hinter sich zu und schließt ab. Dann wendet sie sich mir zu.
„Sie waren hier und haben nach dir gefragt. Mehr als einmal.“
Ich spüre, wie mir das Blut in die Füße sackt.
„Hat dir jemand was getan?“, frage ich mühsam, doch sie schüttelt den Kopf.
„Nein. Sie fanden mich wohl glaubwürdig. Aber Yma, sie wissen, dass du lebst. Oder sie sind sich jedenfalls ziemlich sicher. Weil deine Leiche nicht gefunden wurde. Und weil jeder, den sie gefragt haben, bestätigt hat, was für eine unglaubliche Sportskanone du bist. Wie gut du schwimmen kannst.“
„Scheiße“, sage ich inbrünstig.
Kimi geht zu einem kleinen Tisch in der Ecke, auf dem sich Unmengen von Papieren stapeln. Sie zieht ein Blatt hervor und reicht es mir. „Du musst doch wissen, dass sie nach dir fahnden. Die ganze Stadt ist hiermit plakatiert.“
„Ich lebe nicht in Johtaja“, sage ich tonlos, während ich auf mein Konterfei starre. Ich weiß sofort, dass sie das Bild von Adriel bekommen haben, und es versetzt mir einen Stich. Obwohl er mir weit Schlimmeres angetan hat als das. Obwohl er derjenige war, der mich verraten hat. Der dafür gesorgt hat, dass ich gefangen genommen und gefoltert wurde. Wie konnte er das tun? Wir haben zusammengelebt. Uns vielleicht sogar geliebt. So lange habe ich nicht mehr an Adriel gedacht. Weil meine Gedanken bestimmt waren von Len. Und vom täglichen Überlebenskampf. Aber jetzt denke ich an ihn. Erinnere mich daran, wie er dieses Bild von mir geschossen hat, bei einem unserer ersten Dates. Ich kann in meinen Augen sehen, wie verliebt ich in ihn war. Und gleichzeitig wie unsicher, ob er dasselbe für mich empfindet. Ob ich gut genug für ihn bin. Meine roten Haare umrahmen mein sommersprossiges Gesicht wie ein Schleier, ich bin dezent geschminkt und sehe, ich muss es zugeben, ziemlich hübsch aus. Das Bild hat nur noch wenig Ähnlichkeit mit dem blassen, mageren Mädchen mit der Stoppelfrisur, das mir morgens aus dem Spiegel entgegenblickt. Was vermutlich ein Glück ist.
„Wieso? Wo wohnst du denn?“, reißt Kimi mich aus meinen Gedanken.
„Ein paar Stunden Richtung Osten. Ich arbeite unter falschem Namen in einer Elektronik-Fabrik.“
„Das ist wohl ein Glück“, sagt Kimi und nimmt mir den Fahndungszettel aus der Hand. „Der hier hängt überall. Vor allem in den ärmeren Gegenden. Zwanzigtausend Credits sind auf dich ausgesetzt und das ist … Verdammt!“, unterbricht sie sich selbst und starrt in Richtung Tür. „Hat dich jemand gesehen?“, fragt sie, um gleich darauf selbst zu antworten. „Natürlich hat dich jemand gesehen. Wie solltest du sonst hereingekommen sein? War es Marla?“
„Ich weiß nicht, wie sie heißt. Die mit dem … Daddy“, gebe ich widerstrebend zurück.
„Marla.“ Kimi nickt. „Glaubst du, sie hat dich erkannt?“
Unsicher sehe ich sie an. Schüttele langsam den Kopf.
Kennen wir uns?
„Warum guckst du so komisch?“
„Weil sie genau das getan hat“, gebe ich zu. „Sie hat mich komisch angeguckt.“
Kimi stürzt an mir vorbei in Richtung Tür.
Als ich ihr folge, steht sie schon in der Küche, wo Marla, die Beine hochgelegt, am Tisch sitzt und ein Glas Wasser trinkt. Sie trägt einen blauen Jogginganzug und sieht erstaunlicherweise jünger aus als in ihrer Verkleidung von eben. Neben ihr liegt ein ziemlich altmodisches Handy, auf dessen Bildschirm gerade das Licht erlischt.
„Mit wem hast du gesprochen?“, fragt Kimi und Marla hebt den Kopf.
„Mit niemandem. Ich habe eine Nachricht abgehört.“
„Von wem?“
Die Andere hebt eine Augenbraue in die Höhe und schaut spöttisch zu Kimi auf.
„Hör mal, Kleine, das geht dich gar nichts an. Wieso fragst du?“
„Weil …“ Kimi bricht ab. Was soll sie dazu sagen? Ich betrete die Küche und sie fährt zu mir herum. Im selben Moment fällt mir auf, dass es keine gute Idee ist, mich erneut zu zeigen. Falls Marla mich nicht erkannt hat, falls sie noch immer darüber nachgrübelt, woher mein Gesicht ihr bekannt vorkommt, sollte ich ihr nicht noch eine Hilfestellung geben. Abrupt wende ich mich ab.
„Wer ist eigentlich deine Freundin?“, fragt Marla in meinem Rücken. „Willst du uns einander nicht vorstellen?“
„Ich bin Winona“, sage ich rasch, weil ich fürchte, mich sonst noch verdächtiger zu machen. „Und ich muss leider schon wieder los.“
„Nicht wegen mir, hoffe ich?“ Irgendwas an ihrer Stimme ist bedrohlich, aber vielleicht ist das auch nur Einbildung. Ich kenne die Frau ja überhaupt nicht.
„Natürlich nicht“, sage ich, noch immer halb abgewandt. „Ich muss zur Arbeit.“
„Das ist eine richtig schöne Mütze, die du da aufhast.“ Kimi und ich wechseln einen Blick. Scheiße!
„Freut mich, dass sie dir gefällt“, sage ich mühsam. „Kimi, ich glaube, ich habe doch noch ein paar Minuten Zeit.“ Ich werfe Marla einen schnellen Blick zu, auf deren Gesicht bei dieser Aussage ein zufriedenes Lächeln erscheint. „Komm, wir gehen nochmal in dein Zimmer.“
Weil es mir nicht schnell genug geht, greife ich nach ihrer Hand und ziehe sie mit mir.
„Was machst du denn?“, wisperte sie mit kaum verhohlener Verzweiflung, nachdem die Zimmertür sich hinter uns geschlossen hat. „Du musst hier weg. Sie hat dich erkannt. Was meinst du, weshalb sie das mit der Mütze gesagt hat? Weil sie weiß, dass darunter deine roten Haare versteckt sind. Sie hat garantiert die Bullen gerufen.“
Statt einer Antwort bin ich mit zwei Schritten am Fenster und reiße es auf.
„Du kannst da nicht runterspringen, bist du irre?“, fragt Kimi entsetzt. „Das sind mindestens acht Meter.“
Und keine Fangnetze, denke ich. Sehe hinunter auf die Straße vor dem Haus, lasse den Blick schweifen. Da hinten kommen sie. Schwarze Autos mit blinkendem Blaulicht. Eine ganze Kolonne. Die Sirenen haben sie nicht eingeschaltet, natürlich nicht. Sie wollen mich nicht vorwarnen. Sie kommen lautlos.
„Du musst hier weg. Yma, du musst …“ Kimi fängt an zu weinen. Ich spüre den Impuls, sie in den Arm zu nehmen. Sie zu trösten. Aber wir haben keine Zeit. Es war dumm von mir, hierher zu kommen.
„Gib mir dein Telefon“, sage ich drängend.
„Was? Wieso?“
„Gib es mir!“
Während sie ihr Telefon vom Nachtschrank nimmt und es mir reicht, hebe ich den Fahndungs-Steckbrief auf, den Kimi aufs Bett geworfen hat. Mein junges, strahlendes, ahnungsloses Ich schaut fragend zu mir hoch.
„Hier.“
„Danke.“ Mit fliegenden Fingern tippe ich die Nummer, die unten auf dem Zettel steht, warte ungeduldig auf das Freizeichen.
„Was machst du denn?“, fragt Kimi verständnislos.
Ich beachte sie nicht, sondern gehe neben ihrem Bett auf die Knie. Es ist nur so eine Ahnung, aber tatsächlich befindet sich darunter eine Kiste, die ich hervorziehe. Während ich darin zu wühlen beginne, Kondome, Dildos und allen möglichen anderen Kram achtlos zur Seite werfe, knackt es in der Leitung.
„Sie haben das Dezernat Dreiunddreißig in Johtaja, Abteilung für Fahndung erreicht.“
„Ja, guten Tag! Mein Name ist Kimi Nathan. Ich möchte eine Anzeige aufgeben. Ich habe Yma Topi gefunden.“
Kimi stößt einen Schrei aus, fast zeitgleich mit mir, als ich endlich finde, was ich gesucht habe. Mit einem seltsamen, und wie ich zugeben muss völlig unpassenden Gefühl des Triumphes schwenke ich die Handschellen.
„Wo ist sie denn?“
Ich nenne der Dame am anderen Ende der Leitung Kimis Adresse.
„Wir haben eben schon einen Anruf erhalten.“
„Das wird meine Mitbewohnerin gewesen sein“, bestätige ich. „Bitte schicken Sie jemanden zu uns.“
„Wo befindet sich die gesuchte Person in diesem Augenblick? Ist sie noch dort?“
„Ja“, sage ich. „Sie ist in meinem Zimmer. Ich habe sie mit Handschellen ans Bett gefesselt. Bitte kommen Sie schnell!“