Читать книгу Broken World 2 - Jana Voosen - Страница 5
Prolog
ОглавлениеMeine Lungen brennen und mein rasendes Herz schmerzt in der Brust. Noch immer höre ich seine Rufe.
„Yma! Yma! Wo ist sie? Bitte helfen Sie ihr. Sie kann nicht schwimmen! Yma!“
Doch seine Stimme ist nur in meinem Kopf. Len ist weit weg. Und mit jedem Zug, den ich schwimme, streben wir noch weiter auseinander. Es ist eine schier übermäßige Kraftanstrengung weiterzumachen, und das liegt nicht an dem kalten Wasser. Nicht an meiner nassen Kleidung, die mich schwer hinabzieht. Noch nicht einmal an meinen Muskeln, die zwar gut trainiert, aber durch die Tage meiner Gefangenschaft – wie viele Tage waren es? – steif und unbeweglich geworden sind. Es liegt an Len. An der magnetischen Anziehungskraft, die er auf mich ausübt. Schon länger, als es mir überhaupt bewusst war. Viel zu abgelenkt war ich von all dem Elend, das uns umgab. Das wir zu lindern versuchten. Kein Platz für romantische Gefühle. Und doch …
Ich liebe dich, Len.
Immer wieder hat es mich zu ihm hingezogen, ich habe alles riskiert, um ihm nahe zu sein. Um seinen Kampf, nein, um unseren Kampf zu kämpfen. Gegen das System, das so grausam die Schwachen und Kranken im Stich lässt. Das uns Mitgefühl und Hilfeleistungen bei Strafe verbietet. Es war die beste Zeit meines Lebens.
Schwimm, Yma, schwimm. Nicht nachlassen.
Wir haben geholfen. Wir haben Leben gerettet. Sie haben uns erwischt. Höre ich noch immer die Motoren des Bootes, das Len ins Gefangenenlager bringt, oder bilde ich mir das nur ein?
Helfen Sie ihr! Sie kann nicht schwimmen!
Er ist so klug. Wahrscheinlich hätten sie die Suche nach mir nicht so schnell aufgegeben, wenn Len nicht so geistesgegenwärtig gewesen wäre. Sie würden noch immer ihre Kreise ziehen und ziellos ins Wasser schießen. Stattdessen haben sie sich darauf verlassen, dass ich untergegangen und ertrunken bin.
Die Muskeln meiner Arme erlahmen, viel schneller als ich es von meinem morgendlichen Schwimmtraining gewohnt bin. Kein Wunder. Die letzten Tage waren nicht gerade das, was man eine gute Vorbereitung auf mehrere Kilometer Freiwasserschwimmen nennen kann. Zu wenig Wasser, kaum etwas zu essen. Und die Folter.
Als ich daran denke, fängt meine nackte Kopfhaut an zu brennen. Das Salzwasser sticht in den Wunden. Das Gesicht meines Peinigers erscheint vor meinem inneren Auge. Sein Lächeln, als er Strähne für Strähne meiner roten Haare um seine Finger wickelt, bevor er sie mir ausreißt. Sie vor meinem Gesicht baumeln lässt, damit ich sehen kann, dass Fetzen meiner Kopfhaut daran hängen. Mein Hals wird plötzlich eng. Verzweifelt ringe ich nach Luft, spüre eine Panikattacke heranrollen.
Ich drehe mich auf den Rücken und breite die Arme aus. Konzentriere mich auf meine Atmung und versuche, das Bild meiner Skalpierung zu vertreiben. Es ist vorbei. Ich lebe und bin, so merkwürdig es sich anhört, frei. Freier als Len, der auf dem Weg in ein Gefängnis ist, in dem man die Insassen auf grausame Art und Weise langsam verhungern lässt. Als Strafe für ihre Sünde. Diese Sünde heißt Mitgefühl.
Der Gedanke an den todgeweihten Len trägt nicht dazu bei, meine Panik zu mildern. Ich sehe hinauf in den strahlendblauen Himmel. Die Sonne scheint auf mich herab, ich kann ihre Wärme spüren, obwohl es hier im Wasser eisig kalt ist. So entsetzlich kalt. Ich schließe die Augen, konzentriere mich ganz auf das helle Rot hinter meinen Lidern und auf die Kraft der Sonnenstrahlen. Wie ein Stück Treibholz schwebe ich im Wasser, sanft geschaukelt von den Wellen. Mein Atem wird ruhiger. Ich hebe den Kopf. Das Boot ist schon lange nicht mehr zu sehen. Bis zum Festland ist es nicht mehr weit. Ich habe nicht die leiseste Ahnung, was ich tun werde, wenn ich dort angelangt bin.