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Zwei Monate später:

Der kühle Satinstoff der Bettdecke fühlt sich gut an auf meiner Haut. Ich räkele mich behaglich und schlinge den Arm um den Mann neben mir. Lege meine Wange an seinen nackten Rücken. Die morgendlichen Sonnenstrahlen scheinen durch das Oberlicht direkt auf uns herab, anscheinend habe ich gestern Abend mal wieder vergessen, die Rollläden zu schließen. Ich kann nur hoffen, dass Adriel davon nicht wieder maximal genervt ist. Er ist ja so ein Morgenmuffel. Ich richte mich halb auf und schaue durch die gläserne Tür auf unsere Dachterrasse. Erfreue mich an den leuchtenden Regenbogenfarben der Blumen, die in Kübeln auf den hölzernen Dielen stehen. Ein wirklich paradiesisches Stückchen Erde, das da direkt vor unserem Schlafzimmer auf uns wartet. Mitten in dem Blumenmeer ein kleiner Tisch und zwei Stühle, eine Einladung zu einem gemütlichen Frühstück zu zweit bei Sonnenaufgang.

Ich höre ein lautes Gähnen und beschließe, dass es vielleicht tatsächlich noch ein bisschen zu früh ist, um aufzustehen. Stattdessen lasse ich mich zurück in die Laken fallen, kuschele mich an den warmen Körper neben mir und streichele sanft über seinen nackten Rücken.

Er stöhnt. Nicht wohlig, sondern schmerzerfüllt. Erschrocken ziehe ich die Hand zurück. Starre auf die langen, roten Striemen.

„Oh mein Gott, es … es tut mir leid“, stammele ich, als die Haut plötzlich an mehreren Stellen aufzuplatzen beginnt. Hellrotes Blut fließt über seinen Rücken, sickert in die hellblaue Bettwäsche.

„Oh mein Gott“, wiederhole ich, rolle mich blitzschnell auf die Seite und angele nach meiner Arzttasche, die griffbereit neben dem Bett steht. „Ganz ruhig, halb so schlimm, das haben wir gleich“, murmele ich, während ich mit fliegenden Fingern nach Gaze und Verbandszeug suche. Aber in der Tasche befindet sich nur Werkzeug: Schraubenzieher, Klemmleuchten, Steckschlüssel, Lötkolben und Spitzzange. „Was zum Teufel …“, frage ich, während ich mich noch immer durch die Tasche wühle.

Der Mann dreht sich zu mir um und ich starre ihn an. Fassungslos.

„Was machst du denn hier?“

„Ich versuche zu schlafen“, gibt er zurück. „Wann wirst du endlich begreifen, dass du mich nicht vor acht Uhr ansprechen sollst?“

„Du redest schon genauso wie Adriel“, schmolle ich, obwohl mein Herz plötzlich vor Freude schneller zu schlagen beginnt.

Er ist hier. Len ist hier.

„Das hier ist ja auch sein Bett“, gibt er zu bedenken.

„Du hast recht. Das ist seltsam.“

Wir sehen beide auf das riesige Schlafmöbel, in dem wir liegen, und in dem sich mittlerweile ein kleiner See aus Lens Blut gebildet hat. Dunkelrot und klebrig. Er streckt die Hand aus und taucht sie in die rote Flüssigkeit. Tiefer und immer tiefer. Sein Handgelenk verschwindet, dann sein Ellenbogen. Wenn er nicht aufhört, wird er gleich kopfüber hineinstürzen. Als er seine Schulter eintaucht, hebt er den Kopf und sieht mich von unten herauf an. In seinen schönen, dunkelgrünen Augen wechseln sich Angst und Wut in rascher Folge ab.

„Was ist denn los?“, fragt er. „Willst du mich nicht retten?“

„Hey, was ist? Kommst du endlich?“

Erschrocken fahre ich hoch. Vor dem dreistöckigen Etagenbett, in dem ich in der Mitte schlafe, steht Maya, eine meiner Mitbewohnerinnen. Sie trägt bereits ihren blauen Arbeitsoverall und sieht reichlich genervt aus. In der Hand hält sie die grobe Decke aus grauer Wolle, die sie mir weggezogen hat. Ihre übliche Art, mich zu wecken.

„Ich frage mich, was du ohne mich machen würdest“, brummt sie und lässt die Decke einfach auf den Boden fallen. „Ich bin doch nicht dein Kindermädchen.“

Es ist nett, dass sie mich weckt, egal auf welche Weise, und egal, wie schlecht gelaunt sie dabei ist. Es ist eine Art der Fürsorge, wie man sie selten antrifft. Hier, wo ich gelandet bin. Und eigentlich auch sonst überall.

„Danke“, sage ich. Automatisch fährt meine Hand als erstes hoch zu meinem Kopf. Zu der schwarzen Wollmütze, die ich trage. Tag und Nacht. Ich vergewissere mich, dass sie gut sitzt. Und alles verbirgt, was darunter ist und mich als jemanden enttarnen könnte, der in Schwierigkeiten steckt, um es mal milde auszudrücken. An einigen Stellen befinden sich kleine Krater zwischen den noch immer kurzen Stoppeln. Ich frage mich, ob dort jemals wieder Haare wachsen werden.

„Was ist, stehst du jetzt auf? Kann mir aber eigentlich auch egal sein.“

„Ja, ich stehe auf. Danke, dass du mich geweckt hast“, wiederhole ich noch einmal und klettere etwas mühsam aus dem Bett. Mein Traum klebt noch immer an mir wie flüssiger Teer und beherrscht meine Gefühlswelt.

Was ist denn los? Willst du mich nicht retten?

„So tief und fest schlafen wie du würde ich auch gerne mal“, sagt Maya. Sie verschränkt die Arme vor der Brust und beobachtet mich dabei, wie ich mich umziehe. Oder vielmehr, wie ich mich anziehe. Den Arbeitsanzug ziehe ich einfach über die Sachen, in denen ich schlafe. Im Gegensatz zu Mayas ist mein Overall grün. Und passt hervorragend zu meinen Katzenaugen, wie mir einer der Vorarbeiter einmal gesagt hat. Dann hat er mir an den Hintern gefasst. So ist das hier.

Ich verzichte darauf, Maya zu sagen, dass sie sich meinen Schlaf - und vor allem meine Träume - ganz sicher nicht wünscht, als es in ihren hellblauen Augen in dem dunklen Gesicht zu glitzern beginnt. „Diesen Len, von dem du immer träumst, würde ich zu gerne mal kennenlernen“, sagt sie.

Ich kann nicht verhindern, dass ich bei der Nennung seines Namens zusammenzucke.

„So wie du immer stöhnst und schreist, scheint der´s dir ja echt gut zu besorgen.“

Ich beiße mir auf die Unterlippe. Soll sie glauben, was sie will. Solange sie nur nicht die Wahrheit kennt.

„Irgendwie kann ich sogar verstehen, dass du morgens nicht aufwachen willst.“ Ihr Ausdruck verändert sich, wird weicher. „Ist doch ein Scheißleben, das wir hier führen. Jetzt komm schon. Sonst fahren sie ohne uns.“

„Ja. Ich komme.“

Im Rausgehen wendet sie sich nochmal um.

„Ach übrigens, Winona. Das muss dir nicht peinlich sein. So ist das nun mal, wenn man mit zwölf Mädels in einem Zimmer pennt. Da gibt es keine Geheimnisse.“

Ich nicke und kontrolliere ein letztes Mal den Sitz meiner Mütze. Greife nach meinem Beutel. Verdränge den Schmerz, der jedes Mal in mir aufflammt, wenn mich jemand mit meinem neuen Namen anspricht.

Denn es ist der Name meiner toten Mutter.

Ich bin Yma.

Ich stöhne und schreie im Schlaf, weil ich gefoltert wurde. Weil man den Mann, den ich liebe, dem Tod geweiht hat. Weil er mich in meinen Träumen wieder und wieder um Hilfe bittet, die ich ihm nicht geben kann.

Yma ist tot. Untergetaucht. Wenn sie mich finden, muss ich sterben, so wie Len. Sie werden mich verhungern lassen. Oder sie werden Bruak damit beauftragen, mein Leben zu beenden. Schneller als der Hungertod. Aber vermutlich so langsam wie möglich. Ich kann nur hoffen, dass Maya unrecht hat. Dass ich mein Geheimnis bewahren kann.

Broken World 2

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