Читать книгу Broken World 2 - Jana Voosen - Страница 13
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Оглавление„Was hast du getan?“ Kimi steht kreidebleich mitten im Zimmer und sieht auf mich herab. Beobachtet, wie ich mich mit den Handschellen am Kopfteil des Bettes festkette und ihr den kleinen Schlüssel zuwerfe. Sie macht keine Anstalten, ihn aufzufangen. Mit einem leisen Klirren fällt er vor ihren bloßen Füßen auf den Boden.
„Nun nimm schon“, sage ich ungeduldig. „Und dann mach, dass du hier rauskommst. Schließ die Tür von außen zu.“
„Aber …“
„Du musst über jeden Zweifel erhaben sein, kapierst du das nicht? Sie würden dir sonst vorwerfen, sie nicht sofort alarmiert oder mich sogar versteckt zu haben.“
„Aber …“
„Verdammt, Kimi, kein Aber“, herrsche ich sie an. Einem Impuls folgend reiße ich mir mit der freien Hand die Mütze vom Kopf. Zeige meine erst gerade wieder nachwachsenden Haare mit den kahlen Stellen darin. „Kannst du dir vorstellen, wie ich vor zwei Monaten aussah? Nach meinem Verhör? Das ist es, was sie mit Leuten machen, die nicht nach ihrer Pfeife tanzen. Ich will nicht …“ Mir versagt plötzlich die Stimme und Tränen schießen mir in die Augen. „Es war dumm von mir, hierher zu kommen. Es tut mir leid. Ich will nicht, dass dir was passiert! Und jetzt geh endlich.“
Kimi wirft mir noch einen letzten, hilflosen Blick zu, dann wendet sie sich ab und verlässt das Zimmer. Ich höre, wie sich der Schlüssel im Schloss dreht, fast zeitgleich wummert es an die Wohnungstür.
„Aufmachen!“
Das war knapp.
„Ja, ich komme schon“, höre ich Kimi sagen. Schritte. Ein Knarren. „Sie ist da drin. Die gesuchte Person. Dort, ich habe sie in meinem Zimmer eingeschlossen.“
Sie macht ihre Sache gut.
„Treten Sie beiseite.“
„Ich habe Sie gerufen“, erklingt plötzlich Marlas Stimme, laut und triumphierend, „die Belohnung steht mir zu.“
„Aus dem Weg. Bleiben Sie zurück.“
„Hier ist der Schlüssel für die Handschellen“, sagt Kimi.
Jemand schließt die Tür auf, eine ganze Horde bis an die Zähne bewaffneter Polizisten stürmt das Zimmer. Sie tragen Helme und Gesichtsmasken, stellen sich in einem Halbkreis um mich herum auf, die Läufe ihrer Sturmgewehre zielen auf mein Gesicht. Einer von ihnen kommt im Zeitlupentempo auf mich zu, die Waffe im Anschlag.
„Keine Bewegung, oder ich schieße“, droht er mir. Was denkt der, was von mir für eine Gefahr ausgeht? Ich bin unbewaffnet. Das Schlimmste, was ich tun könnte, wäre, ihn und seine Männer mit den Sexspielzeugen zu bewerfen, die um mich herum verstreut auf dem Teppich liegen.
„Hast du das verstanden?“, blafft er mich an.
Ich nicke. Zeige meine leeren Handflächen.
Er ist jetzt nur noch einen halben Meter von mir entfernt, der Gewehrlauf berührt beinahe meine Stirn. Das Herz klopft mir bis zum Hals. Der Mann streckt die Hand aus, ich weiche unwillkürlich so weit zurück wie möglich, drücke mich eng an den Bettpfosten. Er packt mein freies Handgelenk, drückt zu. Dann greift er nach meinem Fuß und zieht mit einem Ruck daran. Ich begreife erst gar nicht, was er vorhat, bevor er mich zwingt, auch mein zweites Bein lang auszustrecken. Er setzt sich mit seinem ganzen Gewicht auf meine Schenkel, presst mein Handgelenk gegen die Wand hinter mir. Ich stöhne vor Schmerz. Der Mann wendet den Kopf, gibt einem seiner Kollegen ein Zeichen, der herantritt und meine Handschellen löst. Dann geht alles ganz schnell. Mehrere Männer stürzen sich auf mich, drehen mich auf den Bauch und innerhalb von Sekunden bin ich bis zur völligen Bewegungslosigkeit gefesselt. Die Kabelbinder, mit denen sie meine Hände und Füße zusammenschnüren, schneiden tief in mein Fleisch. Grob reißen sie mich an den Oberarmen in die Höhe, so dass es sich anfühlt, als würden mir die Schultern ausgekugelt werden. Ich erhasche einen Blick auf Kimi, die trotz des Befehls, sich fernzuhalten, im Türrahmen steht. Ich sehe Tränen auf ihren Wangen. Schüttele vehement den Kopf. Versuche, ihr mit meinen Augen klarzumachen, dass sie damit aufhören muss. Sofort. Dann legt mir jemand eine Augenbinde um und alles wird schwarz.
„Nein“, höre ich Kimi wimmern, „Yma. Hören Sie auf.“
„Du verdammte Fotze“, kreische ich mit sich überschlagender Stimme, um sie zu übertönen. „Ich hab dir vertraut und du hast mich verraten. Das wirst du mir büßen, du Fotze. Verdammte …“ Jemand stopft mir einen Lappen in den Mund und bis tief in den Rachen. Er schmeckt nach Staub und Lösungsmitteln und löst fast sofort einen Würgereiz aus. Keuchend versuche ich, ihn mit der Zunge wenigstens ein bisschen nach vorne zu schieben. Sie fixieren den Knebel mit einem Tuch, das sie hinten an meinem Kopf festknoten. Ich höre Kimi schluchzen. Und plötzlich kommen mir auch die Tränen.
Meine Kimi. Ich werde sie nie wiedersehen.
Ich spüre, wie meine Nasenschleimhäute anschwellen und ich schlechter Luft bekomme. Schiebe den Abschiedsschmerz zur Seite und konzentriere mich auf mein dringendstes Problem. Zu atmen. Pfeifend sauge ich die Luft in meine enger werdenden Atemwege. Versuche, mich zu beruhigen. Ich darf jetzt nicht heulen, sonst ersticke ich.
„Es tut mir leid, Yma. Bitte, es tut mir so leid.“ Es sind die letzten Worte, die ich von meiner Freundin höre. Ich spüre einen Druck auf den Ohren, jemand hat mir eine Art Schallschutzkopfhörer aufgesetzt.
Völlige Stille. Alles Schwarz. Panik wallt in mir auf, ich spüre sie auf mich zukommen wie eine riesige Welle. Ich brülle in meinen Knebel, selbst dieses Geräusch höre ich nur von innen. Hände ergreifen mich, ich kippe zur Seite, spanne in Erwartung des Aufpralls die Muskeln an, doch ich werde gehalten von kräftigen Armen und Händen. Ich winde mich wie ein Aal, zappele, reiße an meinen Hand- und Fußfesseln, spüre, wie sie sich in mein Fleisch graben, die Haut zum Platzen bringen. Ich kann nicht das Geringste ausrichten. Erschlaffe mitten in der Bewegung und schwebe dahin. Bewegungsunfähig. Blind. Taub. Und stumm.