Читать книгу Der Konvent - Jens van Nimwegen - Страница 12

Оглавление

Brandenburg

So nahe bei Berlin, so ehemalig preußisch – und so anders. Im Gasthof ist der Anblick von drei Bauingenieuren und einem Punker mit offenen Lederjacken anscheinend mehr als man ertragen kann. Auch mich beäugt die Wirtin argwöhnisch, aber irgendwie scheint sie sich zu erinnern, dass ich hier mal zusammen mit einem wichtigen Herren gespeist hatte. Die paar Gäste glotzen. Einer probiert Punk blöde von der Seite anzuquatschen.

Die Wirtin ist sichtlich erleichtert, als wir um das Hinterzimmer bitten: wir wollen erst etwas trinken und dabei weiterarbeiten und dann essen, wobei wir noch einen Gast erwarten. Sie bringt Getränke und schaut ab und zu nach, ob wir nichts kaputt machen oder stehlen.

Dann kommt der Inhaber. Er wolle nur guten Abend wünschen und fragen ob alles in Ordnung sei. Auch er glotzt, aber irgendwie anders als seine Frau. Vor allem Sucker hat es ihm angetan. Er traut sich aber nicht, die Tätowierungen zu loben. Jedenfalls macht er keine dummen Bemerkungen. Er habe nicht genau verstanden, ob wir hier zu übernachten gedenken, jedenfalls seien genug Zimmer frei. Na, dann zwei Doppelzimmer. – „Selbstverständlich, die Herren, aber in keinem unserer Doppelzimmer steht ein drittes Bett.“ – „Das macht nichts. Wir kommen schon zurecht.” Man sieht es in ihm arbeiten, aber er wahrt die Form.

Als er mit Bier wiederkommt, bietet er einen Schnaps aufs Haus an. Und dann tastet er sich heran. Seine Frau dächte, dass wir mit der örtlichen Skinheadszene zusammenhingen, die sähen ja auch so komisch aus. Also, das seien ihre Worte gewesen. Er wird rot.

Ich kann ihn beruhigen. Ich erkläre, wo wir herkommen. Drei Bauingenieure, ein Goldschmied und ein, naja, nennen Sie es ruhig Sklaventreiber. Haha, also ein Manager von irgendetwas dort. Ja, genau. Ich lasse durchschimmern, dass wir ganz und gar nichts mit Alt- oder Neonazis zu tun haben. Er ist sichtlich erleichtert und wird dann ganz offen. Hier am S-Bahnhof und draußen in einer alten Fabrik hingen immer diese Skinheads herum. Ja, er selbst wisse, dass lange nicht alle Skinheads Nazis seien, und diese hier seien vielleicht auch gar keine echten Skinheads, er habe darüber mal was im Fernsehen gesehen. Die richtigen sähen ja gar nicht mal schlecht aus, eh, egal. Jedenfalls nennt man die hier Skins. Sie sind kahl oder haben kurze Haare, tragen Hosen mit weißen Flecken und Springerstiefel, grölen, prügeln und haben Hakenkreuze. Furchtbar, wie so was nach soundsovielen Jahren Sozialismus plötzlich aufblühe. Na ja, alles vaterlose Kinder von arbeitenden Müttern, von denen die meisten auch noch söffen. Er kenne ja die Familien. Gottseidank sei sein Sohn nicht so, obwohl der dauernd nachts in Berlin rumhinge. Der solle erstmal mal für einen Stammhalter sorgen. Der Gasthof sei seit soundsoviel Generationen im Familienbesitz. Und lernen wollen diese Skins meistens auch nix, und wenn sie schon mal ne Stelle haben, verlieren sie sie, weil sie überall Hakenkreuze draufschmieren. Nur könne man das hier im Dorf nicht besprechen, denn auch manchen Ehrenmännern vom Stammtisch hinter dieser Wand hier sei nicht zu trauen.

Wir fragen, ob er uns vor dem Abendessen noch den Ort zeigen möchte. Ja, gerne, er sei hier abkömmlich, denn sein Sohn könne auch kochen. Flausen im Kopf, aber doch zuverlässig. Wir rufen noch den Bauunternehmer an, der gerne gegen halb zehn mit uns essen will. Ach, ob wir den kennen? Nein, noch nicht. Na, der wäre wenigstens, soweit er wisse, politisch sauber. Keine alten Freunde aus früherer Zeit – welcher Zeit auch immer. Aber wir wüssten ja sicher, dass man bei jedem Bauprojekt auch einen zweites Angebot einholen sollte. Ich lache. Danke für den Hinweis, ich habe verstanden, aber meine drei Ingenieure hier lassen sich nicht über den Tisch ziehen. Wieso er eigentlich denke, dass wir was bauen lassen wollten. Ja, wir kämen doch vom Russenkloster, wie man das hier nenne. Und sowieso aus dem Westen. Na, bei so netten Herren würde er sich keine Sorgen machen.

Das Kaff ist immer noch heruntergekommen. Ein Supermarkt, eine schwächelnde Gärtnerei, ein Eisenwarenladen für Bauern und Handwerker, ein Bäcker der nicht mehr backt. An der anderen Seite des Ortes sollte eigentlich für Berliner gebaut werden, aber bisher will niemand hier wohnen. Und auf unserer Seite, wo es landschaftlich viel schöner sei, wäre ja kein Baugrund mehr zu kaufen. Heute scheinen keine Neonazis da zu sein. Saufen wohl in ihrer Fabriksruine oder stoßen Neger in Berlin aus der S-Bahn. Ja, ohne Spaß, leider. Und ob wir gehört hätten wie schlimm es in paar Dörfer weiter mit dem persischen Apotheker und so weiter. Ja, Brandenburg hat einen tristen Ruf.

Dann speisen wir zum Erstaunen der Wirtin mit dem Bauunternehmer. Der schaut sich meine Ingenieure freundlich lächelnd an. Er spielt mit dem Gedanken, sein Unternehmen aufzulösen und sich zur Ruhe zu setzen. Aber selbstverständlich wird er erst einmal alles für uns tun. Und wir sind heute Abend selbstverständlich seine Gäste. Das Beefsteak ist vortrefflich. Innen so gut wie roh, aber doch warm und zart, außen knusprig.

Der Konvent

Подняться наверх