Читать книгу Der Konvent - Jens van Nimwegen - Страница 17
ОглавлениеRechtlosigkeit
Er kommt wieder, schon nach einer Woche. Diesmal in dreiteiligem, elegantem Lederanzug und mit einem verwitterten Geländewagen mit Pritsche, darauf ein Motorrad und ein paar Kisten.
„Herr, ich habe mein Auto umgetauscht, denn sowas können wir hier besser gebrauchen, dachte ich. Damit kann ich ja genauso gut zum Gericht fahren, wenn es mal sein muss. Ich habe mein Motorrad auch mitgebracht. Wenn Sie es nicht erlauben, kommt es weg. Aber vielleicht sind ja Kurierdienste nötig, dachte ich. Bitte weisen Sie mir einen Schlafplatz und einen Arbeitsplatz, und ich fange sofort an.”
„Moment mal, Bürschchen. Zuerst ziehst du dein Hemd und deine Weste aus und dann Schlips und Jackett wieder an. Das wird dein Arbeitskleidung hier sein wenn du Klienten empfängst. Hemd und Weste brauchst Du nur bei Gericht.”
Donnerwetter! Der Kerl ist über und über behaart. Ein Schwarzbär. „Schwein, schau mal: so einer darf seine Haare behalten. Du wirst immer geschoren sein. Leck der Sau mal die Achselhaare trocken, bevor sie die Jacke wieder anzieht!” Der Anwalt knetet dabei ungeniert die völlig haarlosen Weichteile des Schweines und lässt den beschwerten Sack pendeln.
„So, Herr Dr. Schwarz-Wesseling, und jetzt zeigen Sie mir erst einmal ihre Hausarbeiten!”
Er hat alles vorbereitet so weit es ging. Die Stiftung ist ja noch nicht errichtet, das wird eine seiner ersten Aufgaben sein. In dem Augenblick, in dem sie existiert, wird er sein gesamtes Vermögen und all seine Habe („das ist nicht mehr als ich jetzt mitgebracht habe, Herr, der Rest ist schon verkauft”) ins Eigentum der Stiftung übergehen. Er als Anwalt kommt in den Dienst der Stiftung, die auch alle Honorare empfängt. Er erhält nur Unterkunft, Verpflegung, Kleidung, Krankenversicherung, und zwar bis zu seinem Tode. Die Stiftung sorgt für eine minimale Alterssicherung für den unwahrscheinlichen Fall, dass sie insolvent werden sollte. Diese Alterssicherung erlischt automatisch, wenn er den Vertrag löst. Mit anderen Worten: wenn er weg will, was man in Deutschland ja nicht verhindern kann, hat er nichts als Sozialhilfe. Aber auch darüber hat er nachgedacht. Wenn er auf seinen Wunsch den Vertrag löst, wird eine Vertragsstrafe von einer halben Million fällig. Er steht dann also mit hohen Schulden auf der Straße. Arbeitsrechtlich verzichtet er, soweit das überhaupt möglich ist, ausdrücklich auf alle Rechte. Der Direktor der Stiftung, und bis dahin ich ad interim, ist absolut weisungsbefugt und kann ihn unbegrenzt zu jeglicher Arbeit heranziehen bis ans Lebensende. Und so weiter.
Dann ist da noch ein Dokument, in dem er ausdrücklich einverstanden ist mit jeder Form von Erziehungs- und Ausbildungsmaßnahmen und körperlicher Züchtigung. Dazu die Erklärung eines Arztes und zweier Psychologen, dass er dies bei klarem Verstand und körperlicher und geistiger Gesundheit so gewünscht hat.
Das Gesamtpaket ist gründlich durchdacht. Nach den ersten einundfünfzig Wochen muss er eine Woche in ein Luxushotel weit weg fahren und bedenken, ob er einen Vertrag auf ewig eingehen will. Wenn er nach dieser zweiundfünfzigsten Woche den Vertrag löst, bekommt er seine Freiheit und sein eingebrachtes Vermögen abzüglich Kosten zurück. Wenn nicht, hat er dann aber auch alles für immer verwirkt. Diese Klausel ist teuflisch. Nach dem ersten Jahr Erfahrung und der Woche Bedenkzeit wird niemand glaubhaft machen können, er hätte diesen Vertrag gegen seinen Willen oder ohne dessen Konsequenzen zu begreifen unterschrieben.
Dieser ganze Papierstapel ist dick und kompliziert und erfordert verschiedene Unterschriften beim Notar. Das Bauwerk ist offenbar im Rahmen der geltenden Gesetze robust. Das Kerlchen hat freiwillig seine eigenen unsichtbaren permanenten Sklavenketten geschaffen. Das kann nur einer, der darüber schon jahrelang nachgedacht hat.
Wir werden ihn ab sofort sehr hart rannehmen, so wie damals Sucker, damit er sich bis zur Unterschrift noch umentscheiden kann.
Ich zeige ihm den Keller, in dem er schlafen muss und sein Büro, das er sich als erstes einrichten soll. Ich mache ihm klar, dass er ganz sicher nicht zur Familie gehören wird und nur in seltensten Fällen das Dachgeschoss betreten darf, weil er eben nur ein gewöhnlicher Arbeitssklave ist. Und dass er jeden Tag auch einige Stunden harte körperliche Drecksarbeit leisten muss.
„So. Und jetzt besorgst du einen zweiten Motorradhelm für mein Schwein...” – „Den habe ich schon, Herr. Ich glaube, er passt.” – Donnerwetter! – „...und dann fahrt Ihr zu Kalle. Schwein, ich will nachher wissen ob er verantwortungsvoll fährt, also pass genau auf. Halte dich an seinen Eiern fest.“ – „Ja, Herr. Ich glaube, dass er ein guter Fahrer ist.“ – „Und dann bekommt er bei Kalle genau so einen Nasenring wie du hast. Aber ohne Betäubung, damit er auf der Rückfahrt nicht matschig ist. Ihr dürft euch eine Stunde ausruhen vor der Rückfahrt. Ich will dann auch wissen, ob er ohne Fesselung seine Fresse still hinhalten konnte. Ab!”