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Führung

Kalle hat seine Arbeit gut gemacht. Die gesamte Beringung ist wie aus einem Guss. Der Nasenring wird manchem krass erscheinen, aber er hebt die Ebenmäßigkeit des Schweinekörpers hervor – und macht den Zweck deutlich. Der Sack ist durch die schwere eiserne Manschette schon länger geworden. Lästig ist nur, dass man die regelmäßig abnehmen muss zur Reinigung.

Auch das Schwein hat seine Arbeit gut gemacht. Es musste unzählige Treppen steigen, um Kalles Bücher einzeln aus dem Keller zu holen. Es sieht todmüde, aber stark und gesund aus, und Kalle ist zufrieden. Ich verlange für diese Nacht sein Bett, und wir binden den Hausherrn kreuzlings auf das ehemalige Schweinelager. Ein guter Meister weiß immerhin, was er macht und wie es sich anfühlt.

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Gesprächsprotokoll

„Ich kann gut arbeiten. Mauerwerk, Putz, Stuck, Fliesen, Anstrich. Mit allen Vorarbeiten. Ich brauche viel Zeit, und jemand muss mir genau sagen, wie er es haben will. Dann kriegt er auch genau, was er will, perfekt und hält ewig.

Auch sonst diene und helfe ich gern. Einfach tun, was verlangt wird, und so meinen Herrn zufrieden machen. Putzen, Aufräumen, Garten, Einseifen beim Duschen, Lecken. Und nachts mit ihm schmusen. Mehr brauche ich nicht.

Mein Herr hat immer gesagt: ich bin schlicht im Kopf. Leider ist er tot. Ich habe noch für Freunde von ihm Häuser renoviert. In Amsterdam und im Kreis Teltow-Fläming. Ich glaube, ich habe gut gearbeitet, aber die wollten immer was anderes, jetzt dies, jetzt das, und dann haben sie mir nur einen Teil des Geldes geben. In Geldsachen bin ich nicht gut. Die hatte immer mein Herr für mich geregelt.

Auch für Herrn Kalle habe ich gearbeitet. Neue Wohnung, alles weiß. Der hat mich ordentlich bezahlt.

Und irgendwann rief er wieder an. Ob ich einfach nur noch arbeiten wollte, ohne Geldsorgen. Unterkunft, Verpflegung, Arbeit, Männer zum Schmusen, alles gesichert. Immer klar, was gemacht werden muss.

Ich bin hingegangen und sah, dass es da gut war. Die haben mich sofort an eine Kette gelegt, und ich hatte eine Aufgabe. Alle hatten mich gern. Auch die polnischen Bauarbeiter, die da nicht wohnen und nicht richtig dazugehören. Weil ich nicht immer so schnell denke, lachen sie mich manchmal aus und stoßen mich herum. Das ist nicht schlimm. Herumgestoßen werden ist manchmal wie Schmusen.

Die Kette hält mich bei meiner Aufgabe. Da kann keiner sagen: Fünf, komm erst mal mit und mach das und das.

Einen langen Zaun ganz alleine entrosten und anstreichen ist eine gute Aufgabe. Jeden Tag sieht man, was man geschafft hat. Und es wird schön.“

Für die Richtigkeit: S004jur

Das Schwein darf nun zum ersten Mal seit Wochen ohne Kreuzfesselung schlafen. Es saugt sich an mich. Jetzt müssen schnell klare Verhältnisse geschaffen werden.

„Schwein! Seit du bei mir bist, habe ich bestimmt, was du trägst und wie du aussiehst. Du hast gelernt, nackt im Freien zu leben, mitten in der Stadt, ernährt von rohem Fleisch und prickelndem Wein. Du hast deine Haare verloren. Du trägst vier Fesseln und bist nun vierfach beringt. Zwei Ringe kann man immer sehen. Den dritten wird man oft sehen können, den vierten je nachdem. Solche Ringe machen vielen Menschen Angst, und du wirst mit ihnen Schrecken und Ablehnung hervorrufen.”

Diese Worte fassen das Resultat von achtzehn Monaten Abrichtung zusammen. Genau daran habe ich mit diesem Material gearbeitet. Da wollte ich hin, daran glaube ich, das hatte dieser Mensch auch nötig, das hat uns zusammen anderthalb Jahre geil gehalten und uns unwahrscheinlich viel Energie gegeben. Kraft aus Ungleichheit. Und dennoch kommen mir diese Worte jetzt wie auswendig gelernt vor.

„Aber seit heute bist du frei. Deine Lehrzeit ist zu Ende. Nackt bist du bei Kalle eingezogen, nackt ziehst du wieder aus. Nackt und frei, wie neugeboren. Die neuen Ringe darfst du behalten als Zeichen deines neuen Lebens. Aber Kalle wird sie wieder abnehmen, wenn du das wünschst. Die Fesseln lassen sich aufschneiden, wenn auch schwer. Haare wachsen von selbst nach. Freiheit lässt sich neu erlernen. Oder du suchst dir einen neuen Herrn, dem du so gefällst, wie du jetzt bist.” Das Schwein zittert – oder unterdrückt es ein Lachen? – umklammert mich und will etwas sagen. Aber ich rede weiter: „Ich gebe dir, Thomas, jetzt fünfzehn Minuten, um dich zu entscheiden. Wenn du willst, nehme ich dich noch einmal für anderthalb Jahre. Ohne wenn und aber. Ohne Fragen. Das einzige, was ich sage, ist, dass unser Leben dann unübersichtlicher werden wird, als es bisher war, aber dass wir mit Ratte und Sucker zusammen bleiben. Punk ist frei, aber der darf auch dabei bleiben, wenn er will.” – „Herr, eh, Chef, ich will immer bei Ihnen bleiben. Und zu Ihren Liedern meine Leier dreh’n, wenn Sie schon mit der Winterreise anfangen.” – „Achtzehn Monate, notfalls barfuß auf dem Eise, und über eine weitere Verlängerung wird nicht gesprochen!” – „Chef, ich gehöre zu Ihnen. Das wissen Sie verdammt gut. Aber jetzt, wo ich frei bin, erlaube ich mir die Korrektur, dass Ratte ja auch frei ist, nicht nur Punk. Da haben Sie sich undeutlich ausgedrückt. Gerade bei Ihnen muss es doch immer so genau halten. Ach nee, Mist, ich hatte vergessen, dass Ratte ja auch ne Art Ausbildungsvertrag mit Ihnen hat. Den haben Sie länger als nur achtzehn Monate in Ihre Obhut genommen.” – „Stimmt. Ratte lernt, wie er mit seinem Sklaven Sucker umgehen sollte. Mit dem zusammen du mal ein Doppelschwein warst. Ist vertraglich geregelt, auch finanziell. Aber er ist ein Naturtalent. Das Lehrgeld ist leicht verdient. Und du, freier Mann? Fängst du jetzt an, dich mit anderen zu vergleichen?” Das Schwein schaut auf die Uhr und grummelt: „Damit Sie hinterher nicht herumzicken, Thomas hätte seine Bedenkzeit nicht gut gebraucht.” Dieses ungewohnte Wort trifft mich wie ein Peitschenschlag. Ich ertappe mich bei dem Gedanken, dass ein Herr sich nichts anmerken lassen darf; aber Thomas hat es bestimmt gemerkt, nach seinem frechen Grinsen zu urteilen. Das ihm übrigens verdammt gut steht. Zum ersten Mal hat Thomas mich verunsichert, das Schwein. Wenn man einmal die Zügel lockert, zeigt es die Zähne. Und dieser Thomas weiß genau, dass ich ihm nichts anhaben kann. Ach, nur ein Viertelstündchen lang.

Das Mozart-Lied dreht sich mir im Kopf. Ach, nur ein kleines Weilchen. Und bevor man es weiß, ist man schon zertreten.

Das Schwein atmet nach fünfzehn Minuten auf und saugt sich wieder an mir fest. Haben wir es jetzt hinter uns, kurz und schmerzlos? Sind wir beide erleichtert? Ich erkläre da weiter, wo ich aufgehört hatte, aber ich komme mir vor wie am Anfang meiner Karriere als Dozent, als ich noch nicht wusste, wie man mit Studenten umgehen muss, die nicht denken lernen wollen, sondern nur Sicherheit verlangten, was sie für die Klausur lernen sollten.

„Mein Schwein muss so aussehen, und du wirst stolz sein, dass du für mich beringt und gefesselt bist.” Das Schwein klammert sich wortlos immer fester an mich. Ich umarme und streichle es. Ich fange an, mich zu beruhigen. „Mein Schwein! Es gibt Menschen, die auf Fesselspiele geilen. Im stillen Kämmerlein fesselt ein sogenannter Top einen sogenannten Bottom und verwöhnt ihn. Meist bestimmt der Bottom was geschieht. Er erfährt das Festbinden als befreiend. Anerzogene Abwehrreflexe sind fixiert. Der eigene, durch Erziehung konditionierte Körper ist nicht mehr im Wege. Der Bottom muss sich hingeben, und kann sich um so intensiver verwöhnen lassen. Und er verlangt immer wieder danach, festgebunden zu werden, aber immer nur im Verborgenen.

Bei uns ist es anders. Ich habe dich so gut abgerichtet, dass dir dein Körper und deine Erziehung immer seltener im Weg ist. Du gibst dich hin und nimmst hin. Ich habe ein Qualitätsschwein geformt, dass ich nicht regelmäßig festbinden muss um ihm zu behagen.”

Was ich zwischen den Beinen fühle, bestätigt, dass ich auf dem guten Weg bin. Allmählich werde ich meiner Sache wieder sicher und fahre fort. „Deine vier Fesseln und vier Ringe haben nur zwei Zwecke.

Erstens sind sie da für den Fall, dass ich sie nötig habe. So wie ein Feuerlöscher oder Kopfschmerztabletten. Am liebsten vergisst man sie, aber dass sie jederzeit da sind, beruhigt. Ich werde sie nicht oft benutzen, aber wir beide sind erleichtert, dass ich sie jederzeit und überall benutzen kann, wenn du bestraft oder irgendwo befestigt werden musst.

Zweitens kann so jeder sehen, was du bist. Das macht uns beide glücklich. Wir brauchen keine Hinterzimmer und verbergen uns nicht. Du bist, was du bist, und wir beide stehen dazu. Ich habe dich aus Liebe und Vertrauen beringen lassen. Mein Schwein ist ein Schwein, kein banger angepasster Mensch.” Das Schwein klammert sich ganz fest an mich und schläft in meinen Armen ein. Zwei Herzen schlagen. Es war wohl doch keine Theorievorlesung für die Klausur, sondern ein Abgleich der Erwartungen.

Am nächsten Tag bindet Kalle dem Schwein ein Tuch um die Hüften. Eine dünne Kette mit zwei Karabinerhaken verbindet seinen neuen Eichelring mit meinem Gürtel. So gehen wir zu den Skinheads, um seine Hose auszulösen, das einzige Kleidungsstück, mit dem es in Berlin angekommen war. Die hatten sie ihm ja abgenommen, als das Schwein sie nach dem Weg fragte. Nachdem sie die Beringung bewundert und das Schweinemaul ausgiebig genutzt haben, rücken sie die kurzen, ausgefransten Jeans wieder heraus. Und nun wieder nach Hause, ohne Hubschrauber, aber nicht für lange!

Die drei Bauingenieure fallen sich in de Arme. Mein Schwein und Rattes Sklave Sucker sind nun wieder vereinigt als Doppelschwein und bleiben weiterhin gemeinsam verantwortlich für jeden Fehler. Heute ist fast alles wie früher.

Der Konvent

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