Читать книгу Alle Sterne für Dich - Jessina Lux - Страница 3
Kapitel 1
ОглавлениеDER TAG FÄNGT JA GUT AN. Anscheinend habe ich Hallus. Da drüben an der Wand steht klar und deutlich in femininer Schönschrift: „Hallo!“
Es ist eine Geisterschrift wie bei Belsazar. O je, das verheißt nichts Gutes.
Ich habe mit Wahnvorstellungen wirklich nichts am Hut. Ich bin doch nur ein kleiner Angestellter in einem irischen Plattenladen.
Das Hallo ist verschwunden, schneller noch als es gekommen ist.
Oh, wenn ich das jemandem erzähle, sperren sie mich ein.
Ich habe ehrlich nichts getrunken, auch nichts geraucht. Ich bin total bieder. Mein Name ist Walter. Walter Gulliver. Der Name sagt doch schon alles. So jemand macht nichts Gewagtes. Hat keine dunklen Geheimnisse. Und doch, habe ich diese Schrift gesehen. An der blauen Hauswand gegenüber.
Ich habe gerade neue CDs eingeräumt, weil es Freitag ist. Im Laden, der Golden Record heißt, lief Kate Bushs Cloudbusting.
Gut, ich hatte noch nichts gegessen. Vielleicht war es eine Hungerhallu?
Hastig packe ich mein Sandwich aus. Verschlinge es geradezu. Ein älterer Kunde kommt rein, das ist selten so früh am Morgen. Er sucht ein einzelnes Lied. Von Elton John. Er singt die Melodie kurz an und ich weiß sofort es ist Nobody wins. Auf welchem Album ist das noch? Ich habe einen Verdacht.
Ich suche die Platte heraus. Ich bin ein Experte in Musik. Das ist alles, was ich kann. Aber das kann ich wenigstens einzigartig gut. Freundin habe ich keine, keine Frau will mich so richtig. Ich bin wohl ein ziemlicher Nerd. An den Song ‘Music was my first love’ muss ich gerade denken. So ist es, und sie wird auch meine letzte sein, davon bin ich überzeugt.
Mein Heimatort, aus dem mich auch meine offensichtliche Einsamkeit nicht vertreiben konnte, heißt Starbay. Es ist, wie schon der Name vermuten lässt, ein Küstenort. Er ist zwar klein, hat aber alles, was man braucht. Ein Kino, mehrere Restaurants, Läden, Supermärkte und eben einen Plattenladen. Ich lebe gern hier. Die Menschen sind freundlich und begeisterungsfähig.
Ich glaube, ich gehe nach Hause und verkrieche mich in mein Elternhaus. Mir ist nicht gut. Wahrscheinlich ist Fieber der wahre Grund für meine morgendliche Sinnestäuschung.
Ich gebe Carl Bescheid. Er ist mein äußerst gemütlicher Boss. 150kg Idealgewicht. Er ist sofort einverstanden und will mir später sogar eine Suppe vorbei bringen.
Ich nehme also meine Lederjacke, es ist zwar August, aber es geht wie immer am Morgen ein kalter Wind, und mache mich auf den Weg.
Ich gehe ein paar Meter, blicke auf den Boden. Da ist wieder diese Schrift. Nun leuchtend weiß auf dunklem Asphalt. Die Sätze erscheinen nur kurz. `Ich bin Nara. Ich bin tot. Krieg keinen Schreck, mir geht es gut. Ich wünsch mir, dass du was für mich tust.´
Jetzt geht´s dann aber los. Ich sehe mich um, ob vielleicht jemand mit einem Laserpointer diese Sachen auf den Gehweg schreibt. Aber es ist keine Menschenseele zu sehen, dabei ist es schon elf.
Mein Herz stolpert beunruhigend. Prompt schreibt Nara: `Du solltest deinen Herzschlag in den Griff kriegen, der ist gerade bedenklich.´ Werde ich verrückt, sind das Botschaften meines abgespaltenen Bewusstseins? `Du solltest sowieso zum Arzt, sonst hast du in zwei Tagen einen Blinddarmdurchbruch!´‘Ich bleibe stehen, sehe in den Himmel, ist da vielleicht eine hinterhältige Drohne oder so was? Versteckte Kamera? Ich weiß nicht, was mich treibt, aber ich mache tatsächlich kehrt und schlage den Weg zu meinem Hausarzt ein. Es ist ungewöhnlich leer und ich komme schnell dran. „Sie sehen überarbeitet aus!“ meint Dr. Sharp auf den ersten Blick. „Und blass!“ Ich nicke schweigend, dann sage ich: „Kann da was mit dem Blinddarm sein?“
„Haben Sie denn Schmerzen?“ „Eigentlich nicht, nur so ein ungutes Gefühl. Nennen wir es Vorahnung.“
Dr. Sharp tastet mich ab. Macht „Hmh“. Dann sagt er, er müsse das mit Ultraschall prüfen. Schließlich, nachdem er die kalte Paste im Hüftbereich verrieben hat, und die Sonde hat drüber gleiten lassen, ruft er aus: „Oh, oh.“ Na, toll! „Das sieht tatsächlich ernst aus.“ Etwas aufgelöst frage ich: „Muss der jetzt raus?“
„Yepp!“