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Kapitel 3

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Ich renne ins Bad und lasse hastig kaltes Wasser über mein Gesicht laufen. Das ist doch alles nicht wahr! Ich sehe in zwei dunkelbraune Augen mit für einen Mann langen Wimpern, einer etwas gebogenen Nase und schmalen Lippen. Ich habe Grübchen, wenn ich lächle, aber das ist mir gerade ein bisschen vergangen. Ich bin 47 Jahre alt und Nara zu hören, ist das absolut Abgedrehteste was mir im ganzen Leben passiert ist.

Nara: `Wenn du mir nicht glaubst, an meinem Todestag, dem 1.3.14 war Say Something von A Great Big World Nummer vier der britischen Charts.´ Huch, das hab ja noch nicht mal ich auf dem Zettel.

Ich: Ich glaube dir, das ist ja das schlimme! Ich höre das Lied in meinem Ohr, es ist als, als wären die Lautsprecher direkt hinter mir. WIE KANN DAS SEIN?

Nara: `Weißt du, warum ich das weiß? Weil ich fast alles weiß, ich hab Zugang zu unendlich vielen Informationen und außerdem: schon als Lebende hatte ich Kontakt zu Verstorbenen. Und jetzt, wo ich selber tot bin, habe ich eben einen Draht zu den Lebenden, ist doch logisch.´

Ich: Wusste Sebastian davon?

Nara: Nein, ich hab mich nicht getraut, ihm das zu sagen. Er ist sehr bodenständig, wenn auch phantasievoll.

Okay, dann sag mir, wie ist es da oben?

Nara: `Na, es ist der Himmel! Und das ist wörtlich zunehmen, alle lieben sich und alles ist eitel Sonnenschein. Es ist wie in einem schönen Traum. Und du weißt alles. Vergangenheit, Gegenwart. Die Zukunft nicht ganz, denn sie verändert sich ja dauernd. Aber ich bin müde, auf dieser Frequenz zu sein, ist sehr erschöpfend. Ja, auch angehende Engel sind mal kaputt.

Ich: Kennst du Elvis?

Nara: `Ja, schon.´

Ich: Wie ist er und Audrey und Marilyn?

Nara: `Alle nett. Elvis ärgert sich über Sekten, Audrey wünschte, sie hätte in ihrem Leben mehr gegessen, Elvis weniger und Marilyn sympathisiert mit Britney.

Wie sie das nonchalant erzählt, als wäre sie Best Buddies mit diesen Legenden.

Dieser Sebastian, was macht der in Kanada? frage ich in Gedanken.

`Seine Schwester Rahel ist dort verheiratet mit einem Kanadier, nicht sehr glücklich, wie du noch sehen wirst. Nach meinem Tod, da brauchte er einen Ortswechsel, weißt du, er gibt sich die Schuld.´

`Wieso das?´

`Das möchte ich nicht sagen, bitte.´

`Okay, aber was soll ich denn da machen? Ich werde nicht nach Kanada reisen für dich.´

`Das musst du auch nicht. Ich will nur, dass du mit meiner Handschrift einen Brief schreibst an ihn. Dann hat er es schwarz auf weiß und wird es glauben.´

`Wie soll das denn gehen?´

`Nimm ein Blatt Papier oder zwei und lass mich machen.´

Blitzschnell krame ich im Büro nach leeren Blättern Papier. Dann setze ich mich an meinen Schreibtisch und zücke einen Stift.

`Äh, nicht jetzt, ist noch zu früh, ich sag´s dir dann, ich muss auch grad wohin.´

Ich staune. Und ich staune auch darüber, dass es blitzschnell immer normaler wird mit ihr zu kommunizieren. Ich glaube wirklich, bald wird es so selbstverständlich sein wie Radio Hören.

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