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Kapitel 5

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Es ist Montag. Beschwingt betrete ich den Laden. Carl strahlt mich breit an. Er kommt zu mir und drückt mich ganz fest. „Oh, Wally, ich bin so glücklich! Ich könnte die ganze Welt umarmen, aber mit dir fang ich jetzt erst mal an.“

„Na, dich hat´s ja erwischt!“ sage ich. Ich bemerke, dass Carl neu eingekleidet ist, diese feinen Klamotten habe ich jedenfalls noch nie an ihm gesehen. Eine neue Brille hat er auch. Er riecht auch wie eine Parfümabteilung. Dann sprudelt es aus ihm raus: „Sie ist Witwe, hat ein großes Haus und du kennst sie sogar! Weißt du noch die Lady, die nach einem Depeche Mode-Best-of gefragt hat?“

Ich weiß sofort, wen er meint, die Dame war sehr jugendlich angezogen, anscheinend frisch vom Friseur und sprühte vor Charme, kein Wunder also.

„Sie ist sooo klug und gebildet und kennt sich sogar mit guter Musik aus.“

„Seit wann…?“ frage ich.

„Seit deiner Blinddarmgeschichte. Sie kam noch mal in den Laden und fachsimpelte mit mir über die Smashing Pumpkins, Placebo und Lamb. Da hat es dann gefunkt! Wir waren im Sealove bei Kerzenlicht und sie gestand mir, dass sie schon seit Wochen um den Laden herumscharwenzelt ist und sich eigentlich nicht recht getraut hat, erneut reinzugehen. Dann hat sie allen Mut zusammengenommen und mich nochmal angesprochen.“

„Hat sie Kinder?“ will ich wissen. „Ja, Linda hat zwei erwachsene Kinder, aber leider keinen Kontakt, da gab es wohl Zoff.“ „Na, dann sei mal vorsichtig.“ „Wieso?“ „Jemand, der schon mit seinen eigenen Kindern nicht klarkommt…“

„Ach, was, wer weiß, was das für Biester sind.“

Der Tag ist sehr arbeitsreich. Dauernd will einer was, aber das ist ja auch schön. Ich bin wieder in meinem Element. Die ganze Zeit bleibt Nara weg. Bis abends, als ich Zuhause bin. Ich schlafe auf der Couch ein, vorm Fernseher. Da öffnet sie mir wieder die Welt Sebastians. Er und seine Schwester sitzen mit deren Mann Rick am Esstisch. Der Mann meckert dauernd an Rahel herum. Das Essen schmecke ihm nicht, es wäre versalzen, und das Bier warm, die Tischdecke nicht ordentlich gebügelt und so weiter. Sebastian traut sich wohl erst nicht, sich einzumischen. Dann sagt er plötzlich: „Hey, lass meine Schwester in Ruh!“ „Du sei ganz ruhig, sonst fliegst du hier nämlich im hohen Bogen raus!“ ist Ricks Antwort. Sebastian steht wütend auf und knallt wenig später seine Gästezimmertür hinter sich zu. Drinnen erschallt Pearl Jam. Rick erhebt sich vom Tisch, hämmert gegen Sebastians Tür. „Du miese kleine Ratte, mach den Dreck aus!“ Die Musik verstummt tatsächlich. Ich bin auf einmal hinter der Tür und kann beobachten wie Sebastian seinen Kopf ins Kissen vergräbt. Während vor der Tür, Rahel versucht Rick zu beschwichtigen, doch der brüllt: „Ab, verschwinde ins Schlafzimmer, das ist das Einzige, was du wirklich kannst!“

Ich denke, warum ist Sebastian noch hier und Rahel, warum lässt sie sich nicht scheiden? Das ist doch ein Aas, dieser Rick. Da wache ich auf. Mit dem Impuls, Rahel und auch Sebastian da rausholen zu wollen. Nara sagt: `Jetzt pass auf!´

Ich stehe vor einem Kornfeld, über mir die funkelnden Sterne. Rahel taucht plötzlich aus der Tiefe des Korns auf, und zieht mich entschlossen zu Boden. Wir küssen uns und ich kann ihre weichen Lippen so realistisch spüren, dass mir ganz anders wird. Es ist ein so schönes Gefühl voller Geborgenheit. Ich kann es nicht fassen wie real das Ganze ist. Wieder durchfährt es mich heiß und kalt gleichzeitig, als ich schließlich aufwache. Ich murmle ein: „Du weißt, mich zu manipulieren, liebe Nara!“

`Gern geschehen!´ kommt es zurück, etwas frech, aber ich muss trotzdem schmunzeln.

Nara: `Morgen schreiben wir den Brief, ja? Es ist Zeit.´

Am Feierabend des nächsten Tages, setzte ich mich an meinen Schreibtisch. `Nimm einfach den Stift in die Hand und lass mich dich führen!´

Ich tue, was Nara sagt. Langsam setze ich den Stift aufs Papier, da geht’s auch schon los. Auf ausladenden, kunstvollen Schwingen schreibt Nara, beziehungsweise ich: „Mein liebster Sebastian, ich schreibe dir, weil ich dich anders nicht erreichen kann und sehe wie du wieder in deiner verdammten Lethargie gefangen bist. Du musst wissen, ich trage dir nichts nach. Es ist nicht deine Schuld. Es hat eben so sollen sein. Aber jetzt kannst du etwas für mich tun. Nimm Rahel und komm nach Starbay, da wartet nämlich Glück auf dich, das du nicht verpassen solltest. Alles wird gut werden und du wirst zufrieden sein, aber du musst Rahel und dich vor Rick retten, er ist unberechenbar. Er würde auch vor einem Kapitalverbrechen nicht zurückschrecken, glaub mir. Packt heimlich eure Sachen, erst am Abreisetag natürlich und besorgt euch rechtzeitig Tickets. Auch wenn du dein letztes Geld dafür verwenden musst, es ist das alles, alles wert. Vertrau mir. Ich liebe dich und werde dich immer lieben.“

Nara unterschreibt den Brief schwungvoll und aussagekräftig und fügt noch ein P.S. dazu, anscheinend ein Insider: Weißt du noch, What do you want from me?

`Gut gemacht, Walter. Ich bin sehr zufrieden. Jetzt frankier ihn bitte ausreichend und geh morgen gleich früh damit zur Post. Ach, die Adresse fehlt ja noch.´ Sie lenkt abermals meine Hand und schnell ist auch die Anschrift auf dem Kuvert. `Ich hätt ja gern noch ein paar Spritzer Laura drauf!´ seufzt sie. So ein Zufall, meine Exbekanntschaft Carrie liebte diesen Duft auch. Da steht noch ein Rest im Badezimmerschränkchen. Ich geh wie aufgezogen ins Bad und sprühe den Brief vorsichtig damit an. Es ist dezent und zerbrechlich, ein sehr feminines Parfüm. Und es hat noch immer Wirkung auf mich.

Warum hat es eigentlich nicht mit mir und der Laura-Trägerin geklappt? Carrie war traumatisiert von ihrem Ex-Freund. Ich muss unweigerlich an Rahel denken, ist diese Problematik vielleicht ein Muster bei mir? War es nur Naras Einfluss zu verdanken, dass ich von ihr geträumt habe? Oder stehe ich auf sie? Sie ist ohne Frage sehr ansehnlich. Weckt sofort Beschützerinstinkte, weil sie so klein und zierlich ist. Als sie ihr Mann so angefahren hat, wollte ich ihn noch viel lauter anfahren. Laut Sein ist eigentlich nicht meine Art. Ich glaub, ich kann gar nicht richtig schreien. Doch dieser Typ bringt mich auf die Palme. Wie kann man nur so mit seiner Liebe umgehen? Das ist nicht nur brutal, sondern auch dumm.

Nara sagt Gute-Nacht. Ich bin allein. Schade, irgendwie hab ich mich schon an sie gewöhnt.

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