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Italien und das Reich

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Ottos Italienpolitik war nicht aus einem Guss. Es gab keinen Masterplan für die erneute Inbesitznahme des Königreichs Italien und der Kaiserkrone, aber genau das hatte Otto zum Schluss erreicht. Als mit dem Tod Lothars 950 die italienische Königsdynastie erlosch, wollte sich Berengar II. von Ivrea das entstandene Machtvakuum zunutze machen. Er kerkerte Adelheid, die Witwe Berengars I., in einer Burg am Gardasee ein und besetzte den Königsthron zusammen mit seinem Sohn Adalbert als Mitregenten. Berengar war Vasall von König Otto geworden, als er 940 nach einem fehlgeschlagenen Aufstand gegen König Hugo von Italien zum Hofe Ottos geflohen war. Die Aussicht, dass er sich nun zum Herrscher von Oberitalien aufschwingen würde, musste den traditionellen Anspruch der deutschen Könige auf dieses Reich samt dem damit verbundenen Zugang nach Rom infrage stellen. Die Situation wurde noch dadurch verkompliziert, dass Adelheid die Tochter des Königs von Burgund war, an dessen Territorium die deutschen Könige ebenfalls interessiert waren.

Adelheid entkam der Gefangenschaft und bat Otto um Hilfe. Rasch zog er gegen Berengar zu Felde und brachte ihm eine entscheidende Niederlage bei, nahm dann den Titel eines Königs der Langobarden an und heiratete, da er seit Edithas Tod 946 Witwer war, Adelheid im Jahre 951. Im darauffolgenden Jahr aber machte er Berengar und Adalbert zu Königen unter seiner Oberherrschaft und stellte die Grenzgebiete von Verona und Aquileia unter bayrische Verwaltung.

Doch wurde der neu erreichte Status quo schon bald durch einen Aufstand erschüttert, den Liudolf, Ottos Sohn, anzettelte, weil er sich durch die Heirat seines Vaters mit Adelheid bedroht fühlte. Zwar wurde Otto schnell damit fertig und entzog Liudolf die Herrschaft über das Herzogtum Schwaben, doch nahmen die Unzufriedenen diesen Zwischenfall zum Anlass, Kontakt zu den Ungarn herzustellen, deren Streitkräfte 955 Augsburg belagerten. In der Schlacht auf dem Lechfeld brachte Otto den Ungarn eine vernichtende Niederlage bei, was seinen Ruhm beträchtlich vermehrte und es ihm ermöglichte, dem Hilfeersuchen Papst Johannes’ XII., der von Berengar bedroht wurde, Folge zu leisten.


Sieg Ottos I. gegen die Ungarn in der Schlacht auf dem Lechfeld am 10. August 955, wie sie sich 500 Jahre später die Chronik Sigmund Meisterlins von 1457 vorstellte.

Nachdem er seinem mit Adelheid gezeugten noch unmündigen Sohn die Erbfolge durch Krönung zum König gesichert hatte, marschierte er mit seinen Truppen nach Süden, übernahm die persönliche Kontrolle über das langobardische Reich und wurde am 2. Februar 962 in Rom zum Kaiser gekrönt. Zeitgleich erhielt Adelheid die Krone, womit zum ersten Mal eine Frau durch den Papst zur Kaiserin gekrönt wurde.

Der Papst höchstselbst (Reg. 955–964) hatte angeboten, Otto und Adelheid zu krönen. Keineswegs zufällig wurde dem deutschen König bei diesem Ereignis eine prachtvolle Abschrift der – gefälschten – Urkunde der Konstantinischen Schenkung gezeigt. Das Dokument bewies angeblich, dass der römische Kaiser Konstantin Papst Sylvester I. (Reg. 314–335) die Vormacht über das westliche Reich zugesichert habe, weil der Papst ihn von der Lepra geheilt hatte. Papst Johannes sah in der Krönung eines neuen Kaisers eine Gelegenheit, das eigene Ansehen zu mehren und die Vorherrschaft Roms zu festigen.

Otto nahm Papst Johannes’ Angebot ohne zu zögern an. Noch bevor er nach Rom aufbrach, entwarf sein Bruder Bruno, seines Zeichens Erzbischof von Köln und Reichskanzler, ein neues Herrschersiegel. Das alte Bild des Herrschers als Krieger mit Schild und Lanze wurde durch eine Frontaldarstellung ersetzt, in der der Monarch die wichtigsten Reichsinsignien – Krone, Zepter und Apfel – trug. Es war die erste mittelalterliche Wiedergabe eines Reichsapfels, der einst das römische Symbol der Weltherrschaft gewesen war.

Ottos Ambitionen waren weniger weitreichend. Die Beziehung zwischen König und Papsttum, zwischen weltlicher und 35 Römisches Reich und deutsches Königreich geistlicher Macht blieb unbestimmt. Otto anerkannte den päpstlichen Besitz diverser italienischer Territorien, während der Papst befürwortete, dass zukünftig jeder von der Kirche und dem „Volk von Rom“ gewählte Pontifex vor seiner Weihung dem Kaiser einen Treueid schwören sollte. Aber viele der ins Auge gefassten Territorien waren nie von Kaiser oder Papst kontrolliert worden. Die Idee eines päpstlichen Treueids erwies sich lediglich als eine allgemeine Versicherung, die leicht unberücksichtigt bleiben konnte.

Otto verbrachte noch weitere zehn Jahre in Italien, wo er seine Herrschaft durch Ernennung neuer Grafen konsolidierte, königlich-feudale Vorrechte sicherte und eine neue Zitadelle in Ravenna, dem alten byzantinischen Zentrum, bauen ließ. Doch gelang es ihm nicht, den oströmischen Kaiser Nikephoros II. Phokas (Reg. 936–969) zur Anerkennung seines Titels zu bewegen. Auch war Nikephoros nicht bereit, der Heirat zwischen einer byzantinischen Prinzessin und seinem Sohn zuzustimmen. Nikephoros’ Nachfolger, Johannes I. Tzimiskes (Reg. 969–976) zeigte sich dieser Idee geneigter, und so heiratete die dreizehnjährige Theophanu, möglicherweise seine Nichte, 972 Otto II. in Rom. Diese Einheirat in die östliche Kaiserdynastie bestätigte den Vorrang der sächsischen Herrscher vor anderen westlichen Monarchen.

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