Читать книгу Kurzgefaßte Einleitung in die heiligen Schriften - Johannes Deinzer - Страница 10
ОглавлениеKap. 4. Von den Übersetzungen.
§ 18.
Die älteste uns erhaltene Übersetzung des A. Testamentes ist die alte Griechische, die Alexandrinische oder „Septuaginta“ genannt, und gewöhnlich mit LXX bezeichnet. Den Namen Septuaginta verdankt sie der Sage von ihrer Entstehung, wornach der König Ptolemäus Philadelphus von Ägypten sie durch 70 palästinische Juden herstellen ließ.
Es existiert nämlich eine Schrift, die ein gewisser Aristeas verfaßt haben will, der selbst an der Übersetzung teilgenommen hätte. Dieser Pseudo-Aristeas, wahrscheinlich ein Jude, der nicht lange vor Christo schrieb, erzählt, der König Ptolemäus Philadelphus habe die Absicht gehabt, eine Sammlung von Gesetzbüchern anzulegen, und zu dem Zweck auch eine Übersetzung der jüdischen Gesetzbücher veranstalten wollen. Demgemäß habe er den Hohepriester in Jerusalem um Dolmetscher ersucht; dieser aber habe aus jedem Stamme sechs erwählt und nach Ägypten geschickt, ihnen auch einen mit goldener Schrift geschriebenen Kodex mitgegeben. Nunmehr hätten die 72 Dolmetscher auf der Insel Pharos in 72 Tagen das Alte Testament übersetzt, der König hätte sie dem versammelten Volk der Juden vorlesen lassen, welche sie als ein heiliges Werk erklärten. Diese Sage schmückt Philo ins Wunderbare aus; auch die Kirchenväter berichten Wunderbares von der Entstehung der Septuaginta, besonders Justinus Martyr, welcher sagt, die Dolmetscher hätten von einander getrennt gearbeitet und doch alle 70 jede Stelle mit denselben Worten übersetzt. – Die Schrift des Aristeas ist aber unecht, und die aus ihr geflossenen Berichte sind ungeschichtlich.
Die Wahrheit ist, daß Ptolemäus Philadelphus (284–247) allerdings das Gesetzbuch Moses ins Griechische übersetzen ließ; die anderen Bücher des A. Testamentes aber wurden erst später und zwar von verschiedenen und in verschiedenen Zeiten und in bald besserer, bald schlechterer Weise, bald textgetreuer, bald freier ins Griechische übertragen. Die Übersetzer waren ägyptische Juden, welche nicht so gewissenhaft mit dem Urtext verfuhren, als die palästinischen, und sich manche Abänderungen, Erweiterungen und Zusätze erlaubten. Ihren Abschluß fand die griechische Übersetzung des A. Testamentes jedenfalls bis zum Jahre 130 v. Chr.
Die Übersetzung der LXX ging in den allgemeinen Gebrauch erst der alexandrinischen, dann auch der palästinischen Juden über. Deshalb citieren auch die N.T.lichen Schriften das A. Testament gewöhnlich nach dieser Übersetzung. Die Juden gaben aber diesen Gebrauch der LXX vom zweiten Jahrhundert n. Chr. an wieder auf, und hielten sich seitdem entweder allein an den Urtext oder an die zum Teil im Gegensatz zur LXX entstandene, buchstäblich genaue Übersetzung des zum Judentum übergetretenen Griechen Aquila, welcher nach Mitte des 2. Jahrhunderts übersetzte. Um diese Zeit suchte auch Theodotion die LXX zu berichtigen; doch nahm man bloß seine Übersetzung des Buches Daniel in Gebrauch. Noch freier, aber auch verständlicher übersetzte später Symmachus das A. Testament ins Griechische. Die christliche Kirche behielt aber allein die LXX im Gebrauch; man hielt sie für inspiriert, so gut wie den hebräischen Text, und bei Verschiedenheiten zwischen Urtext und LXX gab man dieser den Vorzug. Sie gilt noch jetzt als die authentische Übersetzung des A. Testaments in der griechischen Kirche.
§ 19.
Bis ins zweite Jahrhundert gebrauchte auch die lateinische Kirche nur die griechische Übersetzung des A. Testaments. Jetzt aber entstand in Nordafrika eine lateinische Übersetzung sowohl des Alten, als des Neuen Testaments. Es wurde ihr der Text der LXX zu grunde gelegt. Da sich diese lateinische Übersetzung im ganzen Abendlande verbreitete, so wurde sie in dem Gebrauche in den verschiedenen Kirchen sehr verändert. Dies ist die altlateinische Übersetzung, welche Augustin in der Gestalt, die sie in Italien trug, kennen lernte und Itala nannte.
Eine neue lateinische Übersetzung des A.T. fertigte (c. 390–405) Hieronymus, und zwar unmittelbar aus dem hebräischen Texte, um dem Bedürfnisse solcher abzuhelfen, welche in den Disputationen mit den Juden wissen wollten, was der hebräische Text wirklich enthalte und was nicht. Diese Übersetzung, obwohl sie, wo nur immer möglich, an die LXX sich anschloß, fand doch nur unter heftigen Widersprüchen sehr langsam in der abendländischen Kirche Eingang. Seit dem 7. Jahrhundert aber hatte sie im Abendlande allgemeine kirchliche Geltung und hieß deswegen die Vulgata. Sie war es wert, kirchliche Übersetzung zu werden, denn sie ist im ganzen treu, ohne daß die Treue in der Wiedergabe des Urtextes der Angemessenheit der Sprache Eintrag thut. Das Konzil von Trient hat die Vulgata, für die authentische Übersetzung des Alten Testaments erklärt.
§ 20.
Auch die Juden haben, nachdem sie sich von der LXX abgewendet hatten, authentische Übersetzungen des A. T. angenommen, nämlich die Targume. Es sind dies Übersetzungen oder Umschreibungen der A.T.lichen Bücher aus der hebräischen Grundsprache in die Sprache, welche vor und nach Christi Geburt bei den Juden in Palästina und Babylonien die eigentliche Volks- und Landessprache war. Wir besitzen solche Targume über sämtliche Bücher des A. T. mit Ausnahme des Daniel, Esra und Nehemia; über den Pentateuch drei und das Buch Esther zwei verschiedene. Sie dienten ursprünglich gottesdienstlichem, später nur noch privatem Gebrauche. Über die Entstehung dieser Targume sind die geschichtlichen Nachrichten meist sehr unsicher. Die ältesten Targume sind, wenigstens ihrer Grundlage nach, die des Onkelos zum Pentateuch und die des Jonathan, Sohn Usiels, zu den Geschichtsbüchern und Propheten. Onkelos saß als Mitschüler des Apostels Paulus zu den Füßen Gamaliels, und Jonathan, der Sohn Usiels, gehört der Schule Hillels an. Die Übersetzung des Onkelos ist verhältnismäßig treu und schließt sich eng dem Grundtexte an; Jonathan ist schon freier und umschreibt oder erklärt, anstatt zu übersetzen. Von Wert für uns sind die Targume, weil sie (implicite) die Schriftauslegung jener Zeit darstellen. – Ganz anderen Charakter tragen das Targum Jeruschalmi und das Targum des Pseudo-Jonathan zum Pentateuch, sowie die Targume zu den Hagiographen, alle aus talmudischer und nachtalmudischer Zeit. Sie verweben die ganze religiöse Sage (Haggada) mit dem Texte, wozu sich freilich schon bei Jonathan, Sohn Usiels, Anfänge finden.
§ 21.
Unmittelbar aus dem Grundtexte mit Benützung der LXX und der Targume floß auch die syrische Übersetzung. Von ihrer Einfachheit und Treue heißt sie Peschitto, die einfache (wörtliche). Ihre Urheber sind christliche Syrer, Judenchristen, welche sie nicht später als im 2. Jahrhundert zum kirchlichen Gebrauch anfertigten. Sie hat stets in großem, wohlberechtigtem Ansehen gestanden, obwohl später noch eine andere, eng an die LXX sich anschließende syrische Übersetzung entstand.
Hier mag auch erwähnt sein, daß, als der Islam und mit ihm die arabische Sprache sich ausbreitete, auch arabische Übersetzungen des A. T. entstanden. Bekannt ist die des Rabbi Saadia Gaon († 942).
§ 22.
Neue Übersetzungen des A. T. aus dem Grundtexte brachte das Zeitalter der Reformation. Wir nennen besonders die deutsche von Luther (1522–34) und die slavische von einigen Gelehrten der böhmischen Brüderkirche, gefertigt auf dem Schlosse Kraliz und deshalb die Kralizer Bibel genannt.