Читать книгу Martin Boos, der Prediger der Gerechtigkeit die vor Gott gilt: Sein Selbstbiograph. - Johannes Gossner - Страница 24
Boos in Langenneufnach als Kaplan
ОглавлениеBoos in Langenneufnach als Kaplan
Es war im Januar 1798, als Boos wieder zu seiner gänzlichen Freiheit gelangte, und Anfangs Februar, nach 8 monatlichem Gefängnisse und 11 monatlichem Stadtarrest wieder in die Seelsorge ausgesendet wurde, weil ihm sein Repetitor das beste Zeugnis gegeben hatte, seine Richter durch seinen Privatumgang milder geworden waren, und zwar so, dass sie ihm selbst gestanden und bezeugten, er: der beste, brauchbarste Geistliche in der Diözese. Daher eilten sie, ihn wieder anzustellen.
Die Wahl des Orts fiel auf Langenneufnach, etwa 6 - 7 Stunden von Augsburg, wo K. E. Koch, auch ein ehemaliger Kerkermeister, oder Direktor des Korrektions-hauses zu Göggingen, Pfarrer war. Diesem wurde Boos nun zur Aufsicht empfohlen, weil man ihm doch noch nicht ganz trauen und ihn nicht ohne alle Aufsicht lassen zu dürfen glaubte.
„Es ging mir,“ schrieb er, „wohl und gut bei diesem Koch - denn er ließ mich ohne Aufsicht.“ Allein nur Anfangs, er wurde bald wachsamer. In einem anderen Briefe schrieb er: „Das Stauden-Publikum (so hieß die Gegend: die Stauden) scheint meine Banden nicht zu wissen, oder nicht zu achten; es nimmt das Wort und die Sakramente reißend und ohne Scheu aus meiner Hand. Und der, wie man sagte, das Beichten abbringen wollte, ist beim Andrang des Volkes und der Geistlichen (in concursu) allemal der Letzte aus dem Beichtstuhle. Der Klerus, der Geißfüße entdecken wollte, wird sehr höflich, und hätte Lust, Götterfüße zu sehen. Aber weder dies, noch das, arme Sünderfüße ist unser Tragen.“
Er arbeitete daher in der Seelsorge wie zuvor, wie es folgende eigenhändige Briefe bezeugen; die er in Langenneufnach schrieb.
1.
Er schrieb den 14. Februar: „Ich bin nun nicht mehr in der Kanzlei zu Augsburg, sondern zu Langenneufnach in der Gesindestube. Sie hatten mich den 1. Februar als Supernumerar absque cura [Überzähligem ohne Amt] sehr sehr schmählich nach Weilheim dekretiert, da kam aber Kaufmann B. in derselben Stunde dazwischen, kaufte mich dem Herrn Generalvikar wieder ab, und verhandelte mich an den Pfarrer von Langenneufnach. Mutato loco et casu gaben sie mir die Curam [Aufsicht] auf unbestimmte Zeit, wie ich sie hatte. Bin also wieder, wie ich war, et vadam piscari (und gehe fischen). Schwer kann ich Dir in dieser Lage Dein Schreiben beantworten, denn wie und wo ich jetzt stehe, kann ich Dir nicht sagen. Mein Trost ist aber, dass ich gewiss weiß, so ists der Wille des Herrn, und seinen Willen erfüllen dürfen und können, ist Gnade und Labsal.
2.
Den 19. Februar schrieb er an Freunde in Augsburg: Ich befinde mich durch die Gnade des Herrn wohl, sehr wohl und habe den 18. Februar wieder das erstemal einen öffentlichen Vortrag ans Volk gehalten. Der Herr ließ sein Wort auf meiner Zunge gelingen, mein und meiner Zuhörer Herzen wurden bis zu Tränen gerührt. Es scheinen etliche gute Herzen hier zu sein, Herzen, die um ihr Heil bekümmert sind. Aber recht! Wenn auch nur Etliche den Heiland durch Glauben in ihr Herz aufnehmen und dadurch Kinder Gottes und neue Kreaturen werden. Bald werden wir wieder nach Jerusalem [Augsburg] kommen, um dort den Wein zu bezahlen den wir in Kommun mit einander getrunken haben (d. h. wir werden für die Geistesfreuden, die wir in der Gemeinschaft des Herrn genossen haben, wieder verfolgt werden). Doch wir wollen gern kommen, eingedenk der Worte, die mir S. R. einmal sagte: „Das Werk des Heilandes wolle mit Gebet, mit Tränen, mit Leiden, ja bisweilen auch mit Blut begossen werden.“ Nun ja, wenns nicht anders sein kann, wenns gelitten und gemartert sein muss, so kommen wir halt wieder. Dass ich schon wieder hiervon rede, ist die Ursache, weil ich als gebranntes Kind das Feuer fürchte, und weil mein Prinzipal, der gleich nach meiner Ankunft in Augsburg Fastnacht hielt, den Auftrag bekam, auf alle meine Worte und Schritte, und besonders auf meine Korrespondenz, ein wachsames Auge zurichten, was er fleißig zu tun versprochen und schon bewiesen hat. - Dies soll mir aber den Mut nicht nehmen, das Wort vom Kreuz zu verkündigen. Der Gekreuzigte ist doch König. Er wird uns schon durchhelfen. Vielmehr freuen wir uns, dass wir die Letzten in der Welt sein dürfen, die kein Recht darin haben, wie Andere. Joh. 15,18f. Betet nur, dass wir die Schmach Christi mit euch lieb gewinnen und deshalb nicht zurücktreten, sondern unser irdisches und sündliches Teil gern ans Kreuz heften und heften lassen, weil ja doch Fleisch und Blut das Himmelreich nicht erben kann. -
3.
Boos an seinen Timotheus. [Rechberger]
Langenneufnach. Febr. 1798.
Dein zweites Schreiben hat mich am 18. nach der Predigt gefunden. Jesus ging mit mir auf die Kanzel und von da aus auf die Zuhörer. Ihre Herzen wurden bewegt, ihre Augen nass. Unser Heiland nimmt mich jetzt in Schutz. Der Herr Koch hat den Auftrag mich streng zu beobachten, besonders auf meine Korrespondenz zu sehen. - Wir sind einmal die Letzten in der Welt, die keine Macht haben, wie andere Menschen; wir müssen nur so durch schleichen, das ist aber schon recht, und eben der Beweis, dass wir Sein sind. Er und die Seinen halten es immer so.
Ich glaube Dir’s gern, dass Dich die heilige Schrift tröstet; mich auch. Ich bin ganz überzeugt, dass wir, um zu werden, was wir sein sollen, eigentlich nur drei Schulen brauchen. Erstens: die Buß Schule Johannis, die mit Wasser tauft, vom Groben und von außen reinigt. Zweitens die Kreuzschule Jesu, die unsern Adam fein und grob verspottet, geißelt, kreuzigt, tötet und begräbt. Drittens die Feuerschule des heiligen Geistes, die mit Feuer und Liebe tauft, auch in die feinste Verdorbenheit greift und sie verzehrt. Das sind die rechten Schulen. Wer auf diesen Universitäten bestanden hat, der komme und sei unser Lehrer. Wer davon nichts weiß, der bleibe fern von uns und gehe, wohin er will.
Diese drei Schulen gibt und lehrt die Bibel. Gott gebe uns den heiligen Geist zum Ausleger.
Die Brüder von S. hätten längst gern an Dich geschrieben; sie fürchten aber Deine Umgebungen. Sprich ihnen zu, sie sollen nicht so zittern, es sei Glaubens-Schwäche. Nach Jerusalem (so nennen sie Augsburg, weil da das christliche Hochgericht ist, das Christum kreuziget, wie es ehemals zu Jerusalem war), nach Jerusalem muss man doch einmal; es sei da für Jünger Jesu keine Ausnahme; ein ungeprüfter Glaube sei kein Glaube; der Wahn- und Maul-Glaube sei Jedermanns Ding, darum ist er auch nichts wert usw. Aber Du hast mein Lieblingsstücklein gefunden: „Unter Kindern trifft man wohl Männer, aber unter Männern keine Kinder an.“ Suche nur wacker, Du wirst noch viel finden. Ach ja, Kinder will der Vater haben, sonst können wir nicht in das Reich Gottes eingehen, noch darin bleiben; aber Narren müssen wir nebenbei vor der Welt auch werden.
Du fragst, wie es mir im Äußern gehe? Davon sei doch stille; ich bin ja reich, jetzt wieder zimmerfrei und kostfrei, habe auch dazu noch etwas Einkommen, ob ich gleich keine Suppe verdiene, denn, was etwas ist, das tut Jesus selbst; ich schäme mich daher, so oft ich mich an den Tisch setze.
Lieber Timotheus! Lass Dir es nicht schwer fallen, wenn Du nicht immer im Lichtstande bist, sondern auch zuweilen in Finsternis und Kummer kommst. Sieh, es geht uns auch so, und muss so gehen; das Salz der Leiden Jesu muss darein gemischt werden. Du sollst Dich auch diesem Gedränge nie mit Gewalt entziehen wollen, sondern gelassen warten, bis Er wieder kommt und licht macht, was von Natur kalt und finster ist. Viele tausend Menschen liefen Jesu nach und frohlockten bei seinem Lichte; als es aber finster wurde, traten sie tausendweis zurück. Du tust doch das nicht? Die Gnade Jesu sei mit Dir.
Boos wird wieder einberufen
Seine Freiheit und sein Wirken in Langenneufnach dauerte nicht lange. Nach acht Wochen Stillstand gab es schon wieder Lärm. Da fing das Geschrei wieder an: „Was? Der Ketzer predigt wieder? Fort mit ihm ins Zuchthaus!
Der Fürst von Kempten, und andere Prälaten und Dekane aus dem Lande, die ihn früher angeklagt hatten, fanden sich beleidigt, dass man den Beklagten freigesprochen und losgelassen habe. Sie klagten daher von Neuem und zwar unmittelbar bei dem Kurfürsten und Bischof Clemens Wenzeslaus, und verlangten mit Ungestüm, dass er wieder gefangen und auf ewig eingesperrt würde.
Die Veranlassung dazu nahm man durch einen Brief von Boos. Er hätte nur seine Mitverfolgten nimmer grüßen, kein Wort mehr an sie schreiben, keine Kenntnis von ihnen haben sollen. Allein sie lagen ihm doch am Herzen, und waren ihm von Gott geschenkt und aufs Herz gelegt. Sie hatten mit ihm dieselbe Gnade erlangt und trugen mit ihm dasselbe Kreuz und dieselbe Schmach. Er schrieb also wieder an sie - Gott mehr gehorchend als den Menschen - freute sich ihres Glaubens, und munterte sie zur Geduld auf in ihren Verfolgungen (denn im Kemptischen und in Allgäu ging die Verfolgung noch immer fort.)
Dieser Trost-Brief wurde aufgefangen. Man nahm ihn einem Manne mit Gewalt aus der Tasche und schickte ihn nach Augsburg. Da hieß es: „Er hat wieder geschrieben, und die alten Ketzereien aufgeweckt.“ Schon das war ein Verbrechen, dass er an diese verfolgten Leute schrieb . Nun berief man ihn wieder von seiner Station nach Augsburg. Er aber dachte auf dem Wege nach Jerusalem hinauf: „Da bin ich schon gewesen, und wie es da geht, habe ich genug gesehen; so kann ichs allemal haben,“ und wich diesmal aus, indem er die Flucht ergriff.