Читать книгу Martin Boos, der Prediger der Gerechtigkeit die vor Gott gilt: Sein Selbstbiograph. - Johannes Gossner - Страница 28

Anklage als Folge dieser Erweckungen.

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Anklage als Folge dieser Erweckungen.

Diese und viele andere Erweckungen geschahen im Jahre 1810, teils vor, teils nach Advent.

Die Leute werden durch nichts so sehr beleidigt, als wenn man ihnen sagt, sie glauben noch nicht, oder: sie hätten den lebendigen, beseligenden, beruhigenden Glauben noch nicht.

Diese Rede tat ihnen 1810 und 11 so wehe (nämlich denen, die nicht glaubten), dass sie den Pfarrer beim Bischof und Konsistorio verklagten.

Der Bischof schrieb mit eigener Hand an den Pfarrer, und bat ihn dringend, er möchte doch nimmer sagen, dass die Leute den rechten Glauben noch nicht hätten; denn das beleidige sie entsetzlich.

Der Bischof hat recht (dass es sie beleidige); aber wenn die Leute zum lebendigen Glauben kommen, so bekennen sie es selbst, dass sie vorher den rechten Glauben nicht gehabt hätten, und recht verstanden, ists auch wahr. Den mechanischen Buchstaben-Glauben haben sie wohl gehabt, aber den Glauben, in dem Geist, Leben, Freude, Friede, Ruhe, Vergebung der Sünden und das ewige Leben liegt, haben sie nicht, und offenbar hat er ihnen gemangelt, wie man aus diesen und andern Erweckungsgeschichten täglich mit Händen greifen und mit Augen sehen kann.

Allein die Blinden sahen von Alters her nicht, in keinem Lande, im Orient [Österreich] so wenig, als im Okzident [Bayern]. Und wer den lebendigen Glauben nicht erfahren hat, meint, es gäbe keinen andern und könne keinen andern Glauben geben, als den toten, der ihm so lieb und teuer ist, dass er nicht genug wehren zu können meint, damit ja sein Glaube nicht lebendig werde.

Was die Widerwärtigen und Ankläger noch mehr empörte, war das kühne Wort, das der Pfarrer einmal am 3. Adventsonntage sagte: „Johannes, der Täufer, sagt nicht, dass unsere Haderlumpen, d. h. unsere befleckten Werke, das Lamm Gottes seien, das hinweg nehme die Sünden der Welt, sondern er zeigt auf Jesum, der mit dem heiligen Geiste taufet. Er selbst demütigt sich vor ihm und hält sich nicht würdig, ihm die Schuhriemen aufzulösen usw.“

Boos sprach gern in stark kontrastierenden, leicht verständlichen Antithesen. Auf diese mussten sich die Heuchler bekehren oder ihren Zorn losbrechen lassen.

Doch es ist wohl verzeihlich, dass die Landleute ihn Missverstanden (obwohl ihn die meisten von ihnen verstanden); aber die Gelehrten hätten wissen sollen, dass Boos noch schonend von der eignen Gerechtigkeit oder den guten Werken rede, wenn er sie Haderlumpen nannte; denn die Propheten, besonders Jesaja, drücken sich für solche Ohren noch weit stärker aus. Jesaja sagt: unsere Gerechtigkeit ist Pannus menstruatae (nach der Vulgata), ein so schändlich beflecktes Tuch, dass man es nicht wörtlich übersetzen und aussprechen mag. Und was sagt Christus vom Fasten und den guten Werken der Pharisäer Anderes, als es sind Flecke, Flickerei? Paulus nennt sie Stercora [Mist] Phil. 3.

Vorspiel zur ersten Untersuchung.

Durch Herrn Regierungsr. Bertgen.

Den 28. Jan. 1811. erschien Boos vor diesem edeln Manne, der, weil Boos bei ihm mehrere Jahre Kaplan war, ihn genau kannte, und ihn bisher immer hoch geschätzt hatte, aber nun durch die vielen Klagen und Beschuldigungen, die beim Konsistorio über ihn einliefen, an ihm irre geworden war. Die Untersuchung öffnete ihm die Augen mehr als zuvor, so dass er Boos und seine Sache erst recht kennen lernte - zum ewigen Heil und Segen seiner Seele.

Boos erzählt selbst.

Bertgen: Nun, was haben Sie angefangen?

Pfarrer: Wieso? Ich weiß nichts.

Bertgen: Ja, ich weiß nichts. Wider Sie sind entsetzliche Klagen beim Konsistorio vorgekommen.

Pfarrer: Was denn, Euer Gnaden?

Bertgen: Ja, es ist Ernst.

Pfarrer: Nun, was ist denn Ernst? Ich weiß wirklich nichts von einem Verbrechen oder von einer Anklage.

Bertgen: Warum haben Sie verbotne Bücher ins Land geschwärzt?

Pfarrer: Davon weiß ich nichts.

Bertgen: Was, Sie wollens noch leugnen? Sehen Sie, hier habe ich eins: „Das verborgne Leben mit Christo in Gott.“ Das ist ja ein absurdes Büchlein für den gemeinen Mann. [Um Vergebung! Der gemeine Mann findet es nicht absurd, sondern köstlich und gesegnet. - Nur die nichts glauben und vom Reiche Gottes wie Nikodemus urteilen, finden es absurd.] Fürs Erste versteht ers nicht (wenn es ihm der heilige Geist nicht erklärt). Fürs Zweite hebt so ein Büchlein alle Industrie, allen Fleiß auf (das tut das Büchlein nicht - und dann ist denn dieses Leben ein Industrie-Leben? Ist denn die innere geistige Industrie nicht das Eine, das Not tut? Ist der Geist nicht mehr, als das Fleisch?). Fürs Dritte machts nichts als Schwärmer, Phantasten, Pietisten etc. (Wer nicht sieht, ist blind; wenn er aber will, dass die Sehenden auch nichts sehen und blind sein oder Schwärmer heißen sollen, was ist der?)

Pfarrer: Fürs Erste habe ich dieses Büchlein nicht ins Land herein geschwärzt, sondern der Braunauer Bote führte 200 Exemplare öffentlich zum Tor herein. Sie wurden auf dem Mautamte gewogen, dem Zensuramt übergeben und, weil kein Verbot dagegen da war, mir auch erlaubt und ohne Anstand verabfolgt [gegeben]. Ich habe dieses Büchlein schon in Wiggensbach und Peuerbach, wo ich bei Euer Gnaden Kaplan war, ausgeteilt. Was das Büchlein selbst betrifft, so ist der Verfasser ein guter Katholik, der Inhalt katholisch, und wer den heiligen Geist und vom innern Leben mit Christo in Gott etwas geschenkt und erfahren hat, der versteht es, so verborgen, so mystisch, so undeutlich es für bloß natürliche und vernünftige Menschen sein mag. Ich teile dieses Büchlein schon viele Jahre lang aus, und viele tausend Menschen lesen es mit Segen und mit Freuden, fragen und plagen mich beständig darum. Wie kommt man denn erst jetzt mit einer Klage?

Bertgen: Sie verstehens ja nicht. Versteh’ ichs ja kaum.

Pfarrer: Es gibt unter allerlei Volk auch geistige Menschen, denen der heilige Geist im Herzen und in den Augen sitzt, wie dem alten Simeon und der Hanna, und diese sehen oft, was die Gelehrten und Klugen dieser Welt mit ihrer Vernunft und dürren Gelehrsamkeit nicht sehen - (jetzt ein Büchlein, wie dort ein Kindlein). Simeon sah in dem armen Kinde den Messias, weil er den heiligen Geist im Herzen und in den Augen hatte. Das Nämliche sah Hanna, ein altes Weib, mit allen frommen, einfältigen Leuten in Jerusalem, die auf den Trost Israels warteten. So die Weisen aus Morgenlande. Die Gelehrten und Hohenpriester, Herodes und seine Leute, so gebildet und verständig sie waren, sahen nichts in Jesu, nachdem er drei und dreißig Jahre unter ihnen stand, und Blinde sehend, lahme gehend und tote lebendig gemacht hatte. Der natürliche Gelehrte vernimmt die Dinge nicht, die des Geistes Gottes sind; es ist ihm Torheit, sagt Paulus, und er kann es nicht begreifen. Wer aber den Geist Gottes hat, der kann Alles beurteilen; über ihn aber kann kein Anderer ein gültiges Urteil fällen. 1.Kor. 2,14f.

Jetzt war Betgen ein wenig stiller und nachdenkend, trug mir aber doch gleich auf, ich sollte kein solches Büchlein mehr austeilen, der Generalvikar Mayr habe ihm gesagt, in Rom sei es affigiert [ausgehängt] worden. (Das ist falsch.) Das mag sein, sagte der Pfarrer, Was das Austeilen betrifft, so kann ich es unterlassen.

Bertgen: „Warum predigen sie immer gar so viel vom lebendigen Glauben?

Pfarrer: Weil wir toten, lieb- und wertlosen Glauben, der bloß im Kopfe und Munde ist, in Überfluss haben, am lebendigen Glauben aber haben wir in der Stadt und auf dem Lande überall Mangel. - Und dann darum, weil der lebendige Glaube mir und meinen Pfarrkindern hilft und geholfen hat zur Vergebung der Sünden, zur Ruhe des Gewissens, zum heiligen Geiste, zur dankbaren Liebe, zu allen guten Werken und Tugenden, und zum ewigen Leben. Der Glaube ist ja das erste Hauptstück im Katechismus, und das erste Gebot, ohne den Glauben ist es ja gar nicht möglich, Gott zu gefallen, heilig zu leben und selig zu sterben. Der Glaube macht ja selig, wie soll ich denn vom Glauben nicht reden?!

Bertgen: Warum aber gar immer?

Pfarrer: Dass ich nicht gar immer nur vom Glauben predige, will ich durch meine Predigten beweisen; dass ich aber öfter davon predige, dazu bestimmen mich folgende Ursachen:

a. Hat sich ein Bauer in der Pfarre erhängt aus lauter Unglauben und Desperation [Verzweiflung].

b. Treffe ich entsetzlich viele ängstliche und unruhige Leute im Beichtstuhle an.

c. Ist der lebendige Glaube nicht Jedermanns Ding - nicht so allgemein in der allgemeinen Kirche, als man glaubt; denn der leichte Kopf- und Maulglaube ist der wahre nicht.

d. Weiß ich die erschrockenen, ängstlichen Sünder mit nichts Besserm zu beruhigen und zu trösten, als mit dem lebendigen Glauben, dass ihnen Gott um Christi willen ihre Sünden verzeihen wolle, unter der Bedingung, wenn sie Buße tun und an ihn glauben. Dies weiß ich aus eigner und fremder Erfahrung.

e. Muss ja das inwendige Christentum dem auswendigen vorangehen, wie der gute Baum der guten Frucht; und das inwendige Christentum besteht ja eben im Glauben, in der Liebe und Hoffnung. Denn Alles, was nicht aus dem Glauben und aus der Liebe kommt, das ist und gilt nichts, sagen Christus, Paulus etc. Darum heißt es: Glaube, Hoffnung und Liebe; nicht: Liebe, Hoffnung, Glaube. Aus dem Inwendigen muss das auswendige Christentum, müssen die guten Werke und Tugenden herausfließen, und fließen sie nicht, so ist kein lebendiger Glaube da.

Bertgen: Sagen Sie doch nicht immer: lebendiger Glaube. Die Leute meinen sonst, sie müssen mit dem Leibe glauben, sie brauchten die physischen und körperlichen Kräfte dazu.

Pfarrer: Ei, bei Leibe nicht! Man sagt es nur zum Unterschied des toten Maul- und Buchstabenglaubens, der ohne Liebe und ohne Werke der Liebe ist, und wer den lebendigen einmal hat, der weiß es wohl, dass er nicht mit dem Bauche und mit dem Knie glauben müsse. Mit dem Herzen glaubt man, und das macht gerecht. Mit dem Munde und mit den Knien, mit den Werken, bekennt man seinen Herzens- Glauben und das macht selig. Röm. 10.

Bertgen, der immer stiller und nachdenkender wurde, fuhr fort, mir seine beim Konsistorio eingesaugten Ärgernisse auszukramen.

Aber, fing er an, warum haben Sie denn gepredigt, sie wollen diejenigen, die einen lebendigen Glauben hätten, leicht in die Sakristei hineinbringen?

Pfarrer: Ja, das habe ich im Eifer einmal gesagt, wo ich meine Pfarrkinder

a. in lustige und sichere,

1 in selbstgerechte,

2 in erschrockene und betrübte, und

3 in solche einteilte, die einen lebendigen, fromm, ruhig, froh und selig machenden Glauben haben. Und zu dem letztern sind vielleicht Viele berufen, aber Wenige auserwählt; wenn’s auf eine Musterung und Probe ankäme, sagte ich, würde kaum die Sakristei voll werden. Diese Musterung kann aber nur Gott vornehmen.

Bertgen: Das beleidigt ja die Leute entsetzlich!

Pfarrer: Hm! Das kann eben nicht sein. Die Meisten lieben mich, und ich rede mit ihnen das ganze Jahr von Herzen freimütig und ungeniert weg, wie ein Vater mit seinen Kindern, so wie ich auch mit Euer Gnaden jetzt und sonst als Kaplan freimütig und herzlich sprach. Und dann, wenns nur wahr und klar ist, was hat ein Prediger darnach zu fragen, obs den Leuten gefalle? Wehe ihm, wenn ihn Jedermann lobt! Sagt ja Christus auch, der Weg ist schmal, der zum Leben führt, und Wenige wandeln darauf. Viele sind berufen, aber Wenige nur auserwählt. War er so unhöflich, dass er seine Zuhörer übertünchte Gräber, Heuchler, Schlangen etc. (Matth. 23) nannte, wie soll denn ein Prediger nicht sagen dürfen, dass Wenige sind, wie sie nach Christi Sinn und Lehre sein sollen? Endlich ist unsere Sakristei so klein nicht, sie fasst über hundert Menschen.

Bertgen (nach einer Pause): Und was macht denn Ihr Kaplan Rechberger? Der ist auch verklagt, wie Sie.

Pfarrer: Er machts wie ich, er hilft mir Glaube, Liebe, Hoffnung predigen. Das Volk und ich sind recht wohl mit ihm zufrieden, er ist fleißig, untadelhaft, eifrig etc.

Der Kaplan Rechberger trat unterdessen zur Türe herein. Bertgen wurde ernster und etwas aufgebracht und sprach: Es ist Ernst, voller Ernst. Sie sind Beide fürchterlich beim Konsistorio verklagt, und ich habe von demselben den Auftrag, Sie zu untersuchen; Sie müssen mir alle Ihre Bücher, Predigten etc., vorlegen, und sich über Ihre Lehrweise genau verantworten.

Pfarrer: Wir unterwerfen uns der strengsten Untersuchung, und danken zum voraus Gott und dem Konsistorio, dass es uns Euer Gnaden, unsern besten Freund, zum Inquisitor gegeben hat. Wir freuen uns, wenn wir unsern Glauben auch vor der Obrigkeit bekennen dürfen; werden unsere Predigten getreulich und mit Freuden vorlegen; denn wir schämen uns des Evangeliums nicht, werden uns aber auch verantworten und erklären dürfen, so gut wir können.

Jetzt ward Bertgen zwar etwas milder, doch nicht ganz so freundlich, wie sonst, sondern vielmehr etwas spröde und stachlicht. Indes fing er an diesem Tage an, zu studieren und sich auf die mit uns vorhabende Untersuchung zu bereiten. Er las (wie er mir nachher selbst bekannte, da ihm die Decke von den Augen fiel) das Tridentinum über die Rechtfertigung, Knipfel, Bertieri etc. Unter diesem Lesen ging ihm schon ein helles Licht auf, dass er vor Freude drei Nächte nicht schlafen konnte.

Erste Untersuchung durch R. R. Bertgen in Gallneukirchen.

Nachdem Boos zurückgekehrt war und Allem dem nachdachte, was er in Linz bei Bertgen erfahren hatte, trieb es ihn und Alle, die mit ihm denselben teueren Glauben empfangen hatten in der Gerechtigkeit Jesu Christi, 2. Petr. 1,1, mächtig zum Gebete. Er rang, die Zwischentage bis zur Untersuchung Tag und Nacht mit Tränen vor Gott im Gebete für Bertgen, nicht aus Furcht, sondern aus Mitleid und Liebe, aus innigem Verlangen, dass ihm vom Herrn das Licht des Glaubens geschenkt werden möchte. Besonders eifrig und brünstig war sein Weinen und Flehen vor dem Herrn die letzte Nacht zwischen dem 6. und 7. Februar.

Am 7. früh sandte Boos Ross und Wagen nach Linz, um seinen Inquisitor abholen zu lassen.

Indessen schrieb er einige Sätze auf, die er für ihn auf dem Tische bereit hielt.

Vorerinnerungen.

1. Schon im Jahre 1796 entstand der nämliche Lärm in der nämlichen Sache wider mich, S.f. etc. im Kemptischen und Augsburg Die Konsistorien, durch ein fürchterliches Lügengeschrei aufgeschreckt, untersuchten Wochen, Monate, Jahre lang. Das Konsistorium zu K. und zu C. sahen der Sache gleich auf den Grund, sie gaben nach, erklärten die der Ketzerei Beschuldigten für unschuldig, und setzten sie wieder in ihre Stellen ein. Die Klügern und Bescheidneren vom Konsistorium zu Augsburg taten das Nämliche. Zwei Andere aus persönlichem Hass gegen S. wollten nicht nachgeben, wurden aber bald darauf von Gott gestraft, ihrer Ämter entsetzt und starben. Einer davon starb in der Raserei.

Als Bertgen, der schon ganz umgekehrt, geändert und voll Freude und Liebe kam, beim Eintritt in das Zimmer, dieses auf dem Tische liegen sah und las, erschrak er und ließ sich willig und aufmerksam Alles erklären und erzählen. Er sagte gleich beim Empfange zu Zobo: ich habe heute die ganze Nacht nicht schlafen können, ich las immer von der Rechtfertigung des Sünders durch den Glauben. Auch bin ich mein Lebtag nie so vergnügt, so wohl, wie heute, nach Gallneukirchen gereiset. Zobo sagte: Nun, das freut uns: das ist für uns. Desto besser wird die Inquisition ausfallen. Bertgen erwiderte: Nichts Inquisition! Ich komme bloß auf eine freundschaftliche Unterredung, um den Leuten die Mäuler zu stopfen und ihnen Ruhe zu verschaffen. Er las nun weiter:

2. Im nämlichen Jahre 96. hat uns Gott eine besondere Kraft gegeben, den lebendigen Glauben an Jesum Christum für uns und in uns zu predigen, und es hatte die Wirkung, dass sich Viele bekehrten, dass sie von der Finsternis zum Licht kamen, dass wir Achtung vom Volke hatten. Aber nun erwachte auch der Neid und die Eifersucht ungeistlicher Geistlichen. Diese suchten und haschten nach Ketzereien, hetzten hohen und niedern Pöbel wider uns auf, und es kam zu fürchterlichen Auftritten. Man lese Roos Kirchengeschischte II. Th. p. 862. Roos ward vorgelegt und gelesen. Bertgen, der hiervon nichts wusste, staunte. Ei, sagte er, da müssen wir vorbeugen. Er las weiter:

3. Weil leicht vorauszusehen, dass uns gegenwärtigen Ketzermacher nicht ruhen und den blinden Pöbel gegen uns aufhetzen werden, wir also in dieser Gegend nicht in die Länge werden wirken können, so bitten wir Beide (Zobo und sein Kaplan Rechberger) um die Entlassung voraus, und um die gnädige Erlaubnis, mit dem Pfarrer W. in A. permutieren zu dürfen.

Bertgen: Da wird nichts daraus. Wir bleiben, was wir sind.

4. Wir bekennen unsre Sünde, in unsern Ausdrücken und Vorträgen sind wir für dieses Volk (wenigstens für einige Wenige, die nicht glauben konnten) zu grob und grell gewesen, wie unsre Predigten, die wir hier vorlegen, beweisen werden. Das wollten wir wohl gern ändern und abstellen: aber das reine Wort Gottes, das Evangelium und den lebendigen Glauben an Christum nimmer predigen, das können wir nicht; das wäre gegen unser Gewissen, gegen unsern Beruf, gegen die Gabe, die wir hierzu empfangen haben, gegen das Evangelium selbst. Was wir in dieser Sache bisher getan, haben wir von Gott mit gutem Gewissen; und ungeachtet aller Schmach und Verfolgungen sind wir, sofern uns Gott stärkt, fest entschlossen, uns auch künftig des Evangelii nicht zu schämen, denn es hat sich an unseren eigenen und an fremden Herzen als eine Kraft Gottes bewiesen, die da selig macht Alle, so daran glauben, und unselig lässt Alle, die durch Unglauben es von sich stoßen. Ja, wenn uns Gott stärkt, wir lassen uns getrost dafür verbrennen, oder was man will.

Bertgen: St! St! Wenn Sie Dies öffentlich sagten, hielt man Sie aufs wenigste für Schwärmer.

5. Es wird nicht zugegeben, dass Rechberger bloß von mir verführt worden sei, sondern er gibt Gott und der Wahrheit die Ehre, dass er schon früher dieses Sinnes und Glaubens gewesen sei. Zugegeben wird, dass er bei mir in diesem Sinne und Glauben lebendig ward und täglich zugenommen habe. Wer die Wege Gottes und den Glauben kennt, weiß ohnehin, dass man diese Schelle nicht sogleich Jedem anhängen kann. Ein Beispiel haben wir an seinem Kollegen Th. P. Wenn ich das könnte, würde ich meinen mich so selig machenden Glauben allen Menschen, vorzüglich aber meinem Hochw. Konsistorio in L. anhängen, indem ich die Glieder desselben von Herzen liebe, so wie auch sie mich als einen Fremdling geliebt, geachtet und überaus freundlich haben mit fortkommen lassen, als wofür ich Hochdenselben mit Tränen danke.

Hier weinte Bertgen mit Zobo.

6. Es ist die Hauptsache von dem, was wir predigen, auch dem Prof. S[ailer] in die Hände gekommen, und er ist in der Hauptsache mit uns einverstanden, nur nicht ganz mit unseren Ausdrücken. Hier unsre Propositionen [Siehe obige 16 Sätze, die vor den Erweckungsgeschichten angeführt und durch doppelte Nummern (l.) (2.) etc. bezeichnet sind.] und Antwort darauf.

Bertgen griff hastig nach Allem, und las es, ohne einen Anstoß zu finden.

Nun hieß Bertgen die zwei Kapläne abtreten, setzte sich und hieß mich ein Gleiches tun. Sagen Sie mir, fing er ganz gelassen an, wie nehmen und verstehen Sie denn die Lehre von der Rechtfertigung?

Pfarrer: So, wie sie der Kirchenrat von Trient Kap. 7. u. 8. versteht und erklärt. (Das Tridentinum ward aufgeschlagen und gelesen.)

1. Die Ursachen und Absichten der Rechtfertigung sind: Gottes und Christi Ehre und der Menschen ewiges Leben. 2. Die hervorbringende Ursache ist der barmherzige Gott, der uns umsonst von Sünden abwäscht, mit dem heiligen Geiste zeichnet, heiligt etc. 3. Die verdienende ist Jesus Christus, der sie uns erwarb und für uns genug tat. 4. Der Kanal ist die Taufe etc. 5. Die Wirkung ist die Gerechtigkeit Gottes, nicht womit Gott selbst gerecht ist, sondern womit er uns gerecht macht.

Im 8. Kap. Wir sagen, dass wir durch den Glauben gerechtfertiget werden. Und dies darum:

1. Weil der Glaube der Anfang des menschlichen Heils ist.

2. Weil der Glaube der Grund und die Wurzel aller Rechtfertigung ist.

3. Umsonst aber werden wir gerechtfertigt, weil wir die Gnade der Rechtfertigung durch nichts verdienen können, nicht durch den Glauben, nicht durch die guten Werke, die der Rechtfertigung vorangehen - denn Gnade ist kein Verdienst, sonst hört Gnade auf, Gnade zu sein. Röm. 11,6.

Darauf wurden noch aus der Bibel folgende Stellen vorgelesen. Röm. 3,22. bis Ende. Gal. 2,16. Röm. 3,20. Tit. 3,5. 8. Eph. 2,8f. Apg. 18,9. und andere etc.

Bertgen fragte ferner, was ich von Seiten der Menschen für eine Disposition zu dieser Rechtfertigung fordere?

Nebst dem, dass ich wieder auf den Kirchenrat wies, sagte ich noch: Die nämliche, welche

1 Cornelius Apg. 10,

2 Petrus im Schiffe,

3 die Sünderin bei den Füßen Jesu,

4 der Mörder am Kreuze

hatte. Man muss nämlich arm im Geiste sein, seine Sündhaftigkeit erkennen, fühlen, bereuen, bekennen, davon ablassen wollen und glauben, dass Gott um Christi willen unsre Sünden uns nicht anrechnen, sondern vergeben und uns die Gerechtigkeit Gottes und Christi, die Adam sich und uns verlor, umsonst und aus Gnaden, um des Verdienstes Christi willen, anrechnen wolle und werde. (2.Kor. 5,19. bis Ende.)

Bertgen: Und das haben Sie auch so gepredigt?

Pfarrer: Ja - das werden meine Predigten beweisen, die ich hier vorlege. (Sie lagen schon da.)

Jetzt sprang Bertgen vom Sofa auf, hob die Hände empor und sprach, durch und durch gerührt: Die Narren, die! Das ist ja die tröstlichste Lehre von der ganzen Theologie, und sie wollens Ketzerei nennen?! Dafür sollten ja Alle danken usw.

Pfarrer: Die uns verstehen, danken uns aufs fleißigste. Aber es ist nicht Allen so gegeben, und da schreien sie, wie die Epheser auf dem Marktplatze: Diana! Diana! ohne zu wissen, was und warum? Darum muss man eben Geduld haben, bis ihnen der Morgenstern aufgeht und der heilige Geist ein Loch durchs Herz bohrt.

Jetzt nahm Bertgen die 15. Propositionen [Seine bekannten Sätze vom Glauben, wie sie oben mitgeteilt wurden] in die Hand, die sogar ärgerlich sein sollen, wie Alexander, der Schmid, meinte. Dem erleuchteten Bertgen aber war keine mehr anstößig, weil er das Licht schon im Lichte anschaute. Er war wie ein Kind, ließ sich Alles sagen und erklären, begriff Alles, nahm Alles mit Verlangen und Freude auf - und sprach am Ende: Seien sie ruhig, ich werde Ihren lebendigen Glauben vor dem Konsistorio gegen Ihre Feinde verteidigen. Ich sehe, dass die Sache ganz anders ist, als die Kläger und das Konsistorium meinen.

Diese Unterredung dauerte von 8 bis 12 Uhr Morgens.

Darauf ward im Inquisitionszimmer gespeist, und das mit Freuden untraque (von beiden Seiten). So lange ich Bertgen kannte, sah ich ihn nie fröhlicher, kindlicher, als an diesem Tage. Wir mussten schier weinen vor Freude und Wonne, weil der vorhin so hitzige Bertgen auf einmal ganz unsers Sinnes und Glaubens war, und über Tische immer unsre Sprache führte, d. h. er redete eine neue Sprache.

Um vier Uhr Abends fuhr Bertgen mit unsern Predigten und verschrieenen Büchlein von hier ab nach Linz. Durch meinen Kutscher ließ er mir sagen: Der Pfarrer soll ruhig schlafen. [Bertgen untersuchte also wahrhaftig als Freund, als ein Fenelon, so dass er fand, was er nicht suchte, nicht zu finden hoffte, die Wahrheit und Seligkeit für sein Herz. Ihn als Freund des Beklagten, hat der Lärm am meisten erschüttert, und wir haben gesehen, er ging nicht parteiisch, sondern streng, aber in Liebe streng und ernst zu Werke; er sah genau nach, forschte, prüfte, las Alles durch, das Tridentinum, Anderer Theologen, und des Beklagten Schriften. Aber er durfte nicht lange lesen, so rief er: Das ist ja herrlich! Das ist ja Alles schön und tröstlich! Nur einige Ausdrücke (die ihm nach der Josephinischen Bildung, die er empfangen hatte, nicht behagen konnten) tadelte er, war aber weit entfernt, den christlichen Geist des Ganzen zu verkennen. „Diesen Glauben,“ sagte er, „will ich selbst verteidigen.“ „Das Verdienst Christi steht ja notwendig überall oben an, und macht die herrschende, Alles durchgreifende Idee des alten und neuen Bundes aus, sie ist die heiligende und eben darum die seligmachende Kraft der Menschheit, die rettende Gnade Gottes.“

Nach dieser Grunderscheinung fasste Bertgen Alle auf und machte sein Referat. Boos wurde gerechtfertigt, bis auf einige Ausdrücke. Die Kläger wurden abgewiesen und zur Ruhe ermahnt.]

Bei der nächsten Sitzung referierte er dem Konsistorio mündlich den ganzen Akt, gab Allem die beste Deutung, lobte unsre Predigten, Grundsätze etc., und beruhigte das Konsistorium so, dass man glaubte, es sei Alles zu Ende.

Allein die Kläger wollten nicht Unrecht haben; sie verklagten Bertgen als parteiisch, als einverstanden und ketzerisch, wie einst die Juden den Paulus. Bertgen wehrte sich lange meisterhaft und brachte die Regierung auf seine und des Pfarrers Seite; er erklärte dieser die Lehre des Pfarrers deutlich, bei verschiedenen Gelegenheiten. Aber weil der Prozess sich drei Jahre lang hinauszog, so erlebte Bertgen das Ende nicht. Denn er starb den 1. Juli 1812 im 51. Jahre seines Alters. Gott habe ihn selig!

Martin Boos, der Prediger der Gerechtigkeit die vor Gott gilt: Sein Selbstbiograph.

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