Читать книгу Martin Boos, der Prediger der Gerechtigkeit die vor Gott gilt: Sein Selbstbiograph. - Johannes Gossner - Страница 21

Einige Merkwürdigkeiten wahrend der Inquisitionszeit.

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Einige Merkwürdigkeiten wahrend der Inquisitionszeit.

Das Merkwürdigste war wohl, dass selbst der Kerkermeister, d. h. der Kustos [Aufseher] oder Direktor des Korrektionshauses, der Geistliche in Göggingen, dem Boos auch zur Strafe und Zucht übergeben war, samt seinen Domestiken [Hausdienern] durch ihn bekehrt und seiner Gesinnung geworden ist. Da wurde auch wieder das Gefängnis gefangen geführt und der Gefangene hat den Gefängnis- oder Kerkermeister gefangen. Priester Hoffmann (so hieß der Direktor), der nachher Pfarrer in Göggingen wurde, nahm Boos, als er ihm vom bischöflichen Ordinariate übergeben wurde, auf, wie jeden Andern, der ihm in sein Korrektionshaus geschickt wurde, als eine Verbrecher; denn dass man gute, fromme Menschen ins Zuchthaus sende, war ihm etwas Unbekanntes und Unglaubliches. Er behandelte ihn als also einen der ärgsten Verbrecher, als einen Ketzer; sah aber bald einen ganz andern Mann vor sich. Die Demut, Sanftmut, Geduld, Bescheidenheit, Frömmigkeit des lieben Gefangnen waren ihm auffallend, er konnte kaum seinen Augen trauen; hielt es wohl Anfangs für Verstellung - allein, er ließ sich mit ihm in Gespräche ein und Boos erzählte einfach, wie ihm geschehen sei, wie er denke, glaube, was er erfahren habe. Dies Alles leuchtete dem guten Kerkermeister nicht nur ein, sondern er dachte und sagte: Das ist ja göttlich, das ist ja außerordentlich! Das haben wir ja Alle nicht! Ach dass ich auch so wäre! Dass ich es auch haben könnte! Das können Sie, sprach Boos - ich wünschte, dass alle Welt so wäre, meine Banden ausgenommen. Glauben Sie an Jesum Christum, wie noch nie, dass er auch Sie, die Sie Andere gefangen halten und loslassen, - erlösen, dass er auch Sie aus dem Kerker der Sünde und des Unglaubens befreien, Ihnen Gnade und Freiheit von der Herrschaft der Sünde schenken könne und wolle: so ist die Sache getan. Der Kerkermeister glaubte mit seinem ganzen Hause, und ward selig, d. h. er fühlte dieselbe Gnade und den Frieden, den Jesus den Seinen verheißen hat und auch gibt, sobald sie sich Ihm ergeben. Joh. 14,27. Er konnte nun Alles glauben und genießen, was Boos ihm verkündigte, und wurde mit ihm Ein Herz und Eine Seele. Dieses erleichterte dem lieben Gefangenen sein Gefängnis nicht wenig, stärkte ihn in seinem Glauben und machte ihm neuen Mut.

Ich kenne Jemand, der selbst Zeuge davon ist, dass dieser Custos carceris [Kerkermeister] wirklich bekehrt und Freund der Sache war. Denn jener kam einige Jahre nach Boos - in derselben Beschaffenheit in dasselbe Quartier, in dem Boos gefangen war, kam also auf eben dem Wege zu diesem Kerkermeister, und fand bei ihm, so viel von ihm abhing, die freundlichste Aufnahme. Der Kerkermeister und seine Umgebungen empfingen diesen Mann gleich unter der Pforte des Priesterhauses mit Tränen und herzlicher Teilnahme; wuschen ihm die Striemen ab und offenbarten, was in ihren Herzen war, erzählten, welche Gnade sie durch Boos empfangen und wie selig sie sich in dem lebendigen Glauben an Christus fühlten. Das kann dieser Jemand in Wahrheit bezeugen, denn er hat es gesehen und erfahren.

Dasselbe bezeugt auch ein eigenhändiger Brief des Direktor Hoffmann, den er 1798 an Boos schrieb, als dieser in der Flucht und zu Grönbach verborgen war. Der Brief wird weiter unten mitgeteilt.

2. Boos, als er nun Stadtarrest hatte und in der Stadt, aber nicht außer der Stadt, frei umhergehen durfte, ging öfters zu einem der dem Markte feil habenden Antiquare und Bücherhändler, die man in Augsburg Bücher-Esel nennt, weil sie viel mit Büchern umgehen, ohne sie zu lesen und zu verstehen. Boos blätterte in einigen seiner Bücher und fragte, was sind das für Bücher? Der Antiquar antwortete: das sind Bücher, wie sie unsere Heiligen haben. Boos: Was habt ihr hier für Heilige? Der Antiquar erwiderte: Nu, das sind solche Leute, die nichts als Beten und geistliche Lieder singen, die von der Welt nichts mitmachen, Sonderlinge, die besser sein wollen, als andre Leute - ich halte nichts darauf, ich denke, sie sind Heuchler, man kann nicht so sein, unser Einer muss mit der Welt fortkommen etc. Nun, dachte Boos - das ist sonderbar, da kann was dahinter sein, denn was die Welt lästert und auswirft, ist gewiss nicht von der Welt, sondern von Gott auserwählt, sonst hätte die Welt das Ihre lieb. Ich will und muss doch sehen, was das ist. Er fragte also, wo sie denn wohnten, diese Heiligen. Und da es ihm der Bücheresel gern sagte, so suchte sie Boos auf fand glücklich fromme Seelen, die ihr Heil allein auf Jesum bauten und selig im Glauben und in der Liebe zu ihrem Heiland lebten, die sich dieser Welt nicht gleich stellten, sondern ihre Ehre in der Schmach Christi suchten.

Das war für Boos eine neue Erscheinung. Erst hatte er wie Elias geklagt und gebetet zu Gott: Herr, ist denn Niemand in der Welt, der glaubt wie ich? Bin ich denn allein, der dich kennt? Das kann ich ja nicht erglauben. Und sieh, da fand er noch fünfzig in derselben Stadt, die ihm von mehr als 7000 erzählten, welche ebendenselben teuren Glauben aus Gnaden besitzen und im Namen Jesu all ihr Heil ihre Seligkeit in Zeit und Ewigkeit suchten und fanden, die aber auch eben deswegen von der Welt wie er verachtet, verworfen und verfolgt wurden. Das erfreute ihn nicht wenig; er pries und lobte Gott, der sein Gebet erhört und auf seine Klage geantwortet hatte.

3. Generalvikar Nigg, der ihm sehr geneigt war und ihn heimlich hoch schätzte, aber es vor den übrigen Räten nicht merken lassen wollte, sagte einmal zu ihm: Er sitze zu viel auf sich selbst, brüte zu viel über theologische Materien, er solle sich mehr zerstreuen, solle auch unter die Leute und in Gesellschaften gehen; er befehle ihm hiermit, in ein Wirts- oder Kaffee-Haus zu gehen. Boos antwortete, wie E. H. und G. befehlen; ich will sogar hierin gehorchen und einen Versuch machen. Er ging also in ein solches Haus. Als er aber zur Türe hineintrat, erblickte ihn schnell die Wirtin (die ihn übrigens gar nicht kannte, ihm aber wohl besser als der Generalvikar überall abgemerkt und angesehen haben muss, dass er kein Mann fürs Wirtshaus, und das Wirtshaus nicht für ihn sei), ergriff ihn sogleich beim Arm und sprach, ihn hinaus führend, zu ihm: Packe dich hinaus, du gehörst nicht hierher. Boos ging heimlich froh und lachend, wie man ihn führte, kam zum Generalvikar Nigg und erzählte offenherzig, wie er seinem Rate gefolgt, und wie es ausgefallen wäre. Der Generalvikar konnte selbst das Lachen nicht zurückhalten, und sprach: Nu! Nu! Lieber Boos! Ich sehe schon, mit Ihnen ist nichts Anderes anzufangen, man muss Sie Ihre Wege gehen lassen. Tun Sie in Gottes Namen, wie Sie es für recht halten.

4. Als Boos, nach der ersten Sentenz, seinen Repetitor suchte und in das Kapuziner Kloster kam, hörte er, da er die Treppe des Klosters hinaufging, die Mönche im Chor eben die Complet sprechen und zwar den Vers aus Jeremia: Tu autem in nobis es, Domine, et nonen sanctum tuum invocatum est super nos etc. Du aber, o Herr, bist in uns und dein Name ist über uns angerufen etc. Das hörte er die Mönche laut in der Kirche schreien; er blieb stehen und sagte staunend: Das ist ja meine Ketzerei! Diese Mönche singen und schreien sie laut in der Kirche, und Niemand wehrt ihnen; mich aber verfolgt man deswegen allenthalben. Er ging zum P. Senior, seinem Repetitor und fragte: Glaubt ihr, was ihr sprecht im Chore? Ja freilich, warum nicht? antwortete der P. Senior (Ulrich). Boos erwiderte: Und ich werde um desselben Worts und derselben Wahrheit willen, die ihr frei und unangefochten in der Kirche singet, schon acht Monate und darüber verketzert, verfolgt und verdammt. Der Senior versetzte: Ihre Richter verstehen eben nicht, was sie verdammen, weil sie die Sache nicht erfahren haben.

Sie unterhielten sich dann so gut mit einander, dass sie sich umarmten und Einer sich des Andern freute. Der gute Senior Ulrich erzählte ihm, dass er dasselbe Schicksal gehabt und weil er dasselbe Evangelium schon vor 40 Jahren in W. gepredigt hätte, deshalb auch verfolgt und bis nach Sardinien verwiesen und verbannt worden wäre. Er fände aber in keinem anderen Heil, und wollte und müsse darin leben und sterben.

Ich habe nachher diesen frommen, erleuchteten Mann selbst besucht und kennen gelernt, ja auch Briefe von ihm empfangen, worin er mir den Spruch Joh. 6,45: Sie werden alle von Gott gelehrt werden; erklärte und behauptete: Dies wäre die rechte Theologie, von Gott selbst, durch seinen Geist gelehret, erleuchtet und zum Sohne gezogen sein, von dem aber die Welt in ihrer Weisheit nichts wissen wolle.

5. Öfter war Boos zur Inquisitions-Zeit sehr angefochten über seinen Glauben und seine Erfahrungen, weil sie dem gewöhnlichen Sinn und Gange der Menschen in der Welt so sehr entgegen waren, und so viel Widerspruch fanden, so dass er es manchmal schier nimmer glauben konnte und einmal schon im Begriff war, zu seinen Richtern hinzugehen und zu widerrufen. Da kam ihm aber Gott auf eine außerordentliche Weise zu Hilfe.

Gerade in dieser dunkeln Stunde der Anfechtung erhielt er ein Brief von einem Freunde, der wohl zehn Meilen weit entfernt, aber von Gott getrieben war, dem angefochtenen Boos zu schreiben. Eine einfältige, fromme Seele kam neulich zu ihm und sagte: Der Herr zeigt mir, Boos ist wankelmütig und sehr angefochten, ich sah ihn hin und her wanken und rief im Verdruss darüber aus: Du Wankelmütiger! Schreiben Sie ihm dieses. Vielleicht kommt es ihm zur rechten Stunde, wo es not tut.

Der Freund schrieb es wörtlich, und siehe, es kam gerade zum rechten Augenblick. Boos las, lachte und freute sich über das: Du Wankelmütiger! Es befreite ihn auf einmal von der Anfechtung - er glaubte wieder fester, als vorher und dankte Gott, dass er ihn aus der Versuchung erlöset habe.

6. Zu seinem größten Troste gereichte ihm aber während seiner Inquisitions-Leiden der erweckte

Timotheus.

In seinen Banden, in seiner Gefangenschaft in Augsburg wurde ihm auch ein Sohn im Glauben, in Christo, wiedergeboren. Es war ein hoffnungsvoller Student, der in einer Familie Hauslehrer war, in welcher heftig und unablässig über S[ailer] und Boos gelästert und geschmäht wurde. Der junge Mensch musste das täglich bei Tische mit anhören, ohne von diesen Männern je etwas gehört zu haben, noch sonst irgend eine Erkenntnis vom wahren Christentum oder eine Begierde danach zu besitzen. Aber durch das tägliche Lästern und spotten ward er aufmerksam gemacht. Es wurden mitunter Dinge erzählt und lächerlich gemacht, oder als ketzerisch dargestellt, die dem unbefangenen jungen Gemüte es nicht zu sein, sondern gut schienen. Kurz, es entstand gerade durch das Mittel, welches ihn abschrecken sollte, die Begierde in ihm, diesen verschmähten Mann kennen zu lernen. Das ging freilich nicht so schnell, es kostete Kampf und Zeit. Endlich aber wagte er es doch, suchte ihn auf, fand ihn und fand ganz etwas Anderes, als ihm die feindlichen blinden Zeugen gesagt hatten. Er kam öfters zu Boos in seine gemietete Wohnung, der ihn allemal in Liebe aufnahm und bald ein empfängliches Gemüt an ihm fand. Stäublein, so hieß der Student, freute sich immer mehr zu hören, was er nie hörte - von Christus, vom Evanglio. Es leuchtete ihm ein und er konnte ihm seinen Beifall nicht versagen. Allein zum lebendigen Glauben und zur Erfahrung der Sache kam es doch sobald nicht. Ein Student, so wie Jeder, der das gelehrte Handwerk treibt, braucht immer zehnmal länger, als die Einfalt, um Christum zu verstehen, und sich dem Gehorsam des Glaubens zu unterwerfen. Es kostete große Gewalt. Der schon bei obigen Erweckungs-Geschichten genannte Unger, den Gott für Gelehrte brauchte, der circa 20 Stunden von Augsburg entfernt war und nichts hiervon wusste, sah im Gesicht einen stolzen Studenten, der auf schlechten Beinen stolperte, und bekam vom Geiste Befehl: Geh’ nach Augsburg zu Boos, dort wirst du ihn finden. Er machte sich auf, kam, fand und erkannte gleich den Studenten; „der ist’s, den ich sah!“ redete ihn an und forderte ihn auf zur Buße und zum Glauben. Er erkannte auch den Unger, denn er hatte ihn auch schon im Traum gesehen, wie Saulus den Ananias, und Ananias den Saulus. Aber er sträubte sich lange; er wollte wohl, aber konnte immer nicht, bis der Herr Wunder an ihm wirkte, ihm auf außerordentlichem Wege begegnete, sein Herz zermalmte, und ihn durch unsichtbare Macht, wie den Saulus zu Boden warf, dass er in seiner Ohnmacht da lag und endlich rief: Herr, ich glaube! Was willst du, dass ich tun soll? Das geschah gerade im Januar an Pauli Bekehrungstage, in der gemieteten Wohnung des Paulus Boos; und des anderen Tages, als sie wieder zusammenkamen und die Geistes- und Feuertaufe erst recht über den jungen Glaubens-Sohn ausgegossen ward, war Timotheus-Tag; der 24. Jan. 1798. Darum nannte ihn Boos seinen Timotheus. Er hatte sehr viele Gaben und ein sehr kindliches Gemüt, es war an ihm wahrhaftig eine göttliche Verwandlung des Herzens und ganzen Wesens zu sehen in allen seinem Tun und Lassen. Er war nun dem Gefangenen zum großen Troste; ihm aber wurde es schmerzlich in seinem Hause, die beständigen Schmähungen über seinen Wohltäter und Vater in Christo täglich anzuhören, womit man die Orthodoxie und den Eifer für die Religion beweisen wollte. Allein da er nicht nur dem Namen, sondern nun auch seiner Gesinnung nach ein Stäublein - wahrhaft demütig und sanftmütig war, trug, litt und betete er für die blinden Lästerer. Sein Herz war voll Gnade und Liebe Christi. Bald aber wurde ihm gezeigt, dass er nicht lange leben, sondern am Blutsturz sterben würde - und das geschah auch. - Er bekam Blutspucken, wurde schwächlich, so dass er seine Studien nicht fortsetzen konnte, zog sich zurück nach Hause, auf das Land, wo er geboren war, lebte da noch ein paar Jahre, und wirkte viel für den Herrn, so dass mehrere Menschen durch ihn zur Erkenntnis Jesu kamen und bis heute noch Samen davon übrig ist, mehrere ihm aber schon ins Vaterland selig nachgefolgt sind.

Ein Schreiben von Boos an diesen seinen Timotheus wird unten mitgeteilt.

Martin Boos, der Prediger der Gerechtigkeit die vor Gott gilt: Sein Selbstbiograph.

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