Читать книгу Martin Boos, der Prediger der Gerechtigkeit die vor Gott gilt: Sein Selbstbiograph. - Johannes Gossner - Страница 13
Bericht von einem Glaubens- und Leidensgefährten des lieben Boos über die damalige Verfolgung in Kempten.
ОглавлениеAllgemeine Verfolgung aller Gläubigen im Kemptischen.
Dadurch war gleichsam das Signal zur allgemeinen Verfolgung gegeben. Sie brach an diesem Tage, wie auf einen Schlag an allen umliegenden Orten, wo Gläubige wohnten, zugleich aus. Wer da auf dem Felde war, durfte nicht mehr zurückkehren um seinen Mantel zu holen, und auf dem Dache war, durfte nicht herabsteigen, um Etwas aus dem Hause mitzunehmen, sonst wurde er vom Militär oder vom wütenden Pöbel ergriffen und gefangen genommen, was denn auch Vielen begegnete. Man schleppte sie vor die Richterstühle, untersuchte und schlug erbärmlich auf sie zu. Da aber die weltliche Obrigkeit nichts fand, als Glauben an Christum, so ließ man sie als fromme Narren wieder laufen, doch ohne Schutz. Desto ärger fielen dann die blinden, wütenden Eiferer aus dem Pöbel über sie her. Denn die strengen Orthodoxen, so wie die laxen, fingen ein Zetergeschrei an, auf allen Kanzeln, Gassen und Bierbänken, dass Alles in Harnisch gejagt wurde, als wenn das ganze Land in Flammen stände.
Einige mussten sich verbergen und ein Viertel oder halbes Jahr in engen finsteren Winkeln eingesperrt bleiben, ohne sich vor einem Menschen sehen lassen zu dürfen. Andere wurden von Ort zu Ort, von Haus zu Haus aufgesucht, von Stockwerk zu Stockwerk verfolgt, um sie zu erhaschen. Des Nachts stieß man vor den Fenstern die Läden ein, um sie unvermutet zu entdecken und zu überfallen.
Viele wurden aus ihrer Heimat mit Gewalt vertrieben oder so geplagt, dass sie selbst nicht mehr bleiben konnten und aus ihrem Vaterland, aus ihrer Freundschaft und aus ihres Vaters Hause weichen mussten, ohne je wieder zurückkehren zu dürfen. Einige wurden mit geladenen Gewehren aufgesucht und bewacht. Ein Haus, worin sie Einen dieser frommen Leute verborgen glaubten, wurde drei Tage von wütenden Bauern mit Flinten bewacht. Eine Gläubige wurde von einem Eiferer mit verstellten freundlichen Worten in sein Haus, als einen Zufluchtsort, gelockt, und als sie darin war, wollte er sie erschießen. Sein besserer Sohn aber entwaffnete ihn, nahm ihm die Flinte, und die bedrohte Verfolgte entkam.
Es war auffallend: so wie der Herr das Feuer der Liebe und des heiligen Geistes über die Gläubigen ausgegossen hatte, so hat der Satan auch sein höllisches Zornfeuer über seine blinden Sklaven ausgeschüttet. Die Gläubigen bedurften wahrlich göttlicher Kraft und himmlisch Stärkung, um die Wut der Feinde auszuhalten und zu bestehen gegen die listigen Anläufe des Widersachers, der sich in den Kindern des Unglaubens und des blinden Aberglaubens mächtig zeigte. Sie standen wie Schafe mitten unter den reißenden Wölfen.
Wie kam das so auf einmal? Die Frommen, durch Boos Erweckten haben, da diese durch ihn so selig wurden, ihn allgemein, auch vor Auswärtigen, gerühmt und gelobt, und dies brachte die Ortspfarrer und Geistlichen auf. Boos aber lebte still und einsam, verbot allezeit, von ihm zu reden; aber je mehr er’s verbot, desto mehr breiteten sie es aus und rühmten ihn. Mark. 7,36. Und eben dieses war der Stein des Anstoßes. Die Geistlichen waren durch sein Lob und seine gesegnete Wirksamkeit beschämt und betroffen, sie sagten: dieser zieht die Leute an sich. Alles Volk läuft ihm nach; er ist ein Verführer des Volkes; er will eine Sekte machen; bringt neue Lehren auf und den katholischen Glauben ab (was doch gar im mindesten nicht seine Absicht und seine Meinung war). Ja man hieß ihn schon laut einen Ketzer, und man hörte schon auf den Kanzeln wider den neuen Ketzer donnern. Wer sonst nie für die Wahrheit, oder sehr lau oder träge predigte, predigte jetzt laut, fleißig und mit feurigem Eifer dagegen.
Nun hatte die Verfolgung begonnen und stand in hellen Flammen, wie man sichs nur vom blinden Pöbel der Geistlichen und Weltlichen vorstellen kann. Man schrie im ganzen Lande über sie aus vollem Halse: Ketzer! Ketzer! und wer nun anders redete und ein Zeugnis für sie ablegte, wurde mit verketzert und verfolgt. Der Haufe der gemeinen Leute war getrennt zwischen Guten und Bösen. Der Name Boos war so verhasst, dass man ihn nicht nennen durfte, wenn man nicht mit Schlägen heim geleitet werden wollte. Wer ihn verteidigte, auf den schlug man mit Fäusten, Prügeln und Stangen. Ein Mann, von Wertach gebürtig, der für Boos in einer Gesellschaft nur ein Wort sprach und ihn in Schutz nahm, wurde von einem vierschrötigen Widersacher so an die Wand gedrückt und auf die Brust geschlagen, dass er einen Blutsturz bekam und nach wenigen Tagen starb, ohne dass man auch nur Ein böses Wort von ihm hörte. Er litt geduldig und verlangte sich nicht zu rächen, sondern vergab seinem Mörder wahrhaft christlich und großmütig, indem er noch auf seinem Totenbette seiner Frau zuredete, ihm zu verzeihen und Gutes für Böses zu vergelten. Dies ist eine bekannte Geschichte. In Wertach gab es besonders viele grausame Auftritte, weil der Pfarrer daselbst die Leute am meisten gegen die vermeinten Ketzer, selbst von der Kanzel herab, aufhetzte. Nun machte man sich kein Gewissen mehr, auf diese Leute zu schlagen; nicht nur zu schimpfen, sobald sie nur ein christliches Wort für Boos oder die verfolgten Geistlichen und für die Wahrheit redeten. Besonders ein Geistlicher und noch ein paar Seelen aus Wertach wurden selbst von den Ihrigen, wegen ihres standhaften Bekenntnisses der Wahrheit, auf Mord und Tod verfolgt. Sie mussten die Flucht ergreifen; man trachtete sie zu erschießen oder auf eine andere Art zu töten. So ging es zu, und man ließ Alles ungestraft hingehen.
In Wiggensbach, in Kempten, d. h. im Stifte, in Hellengerst und den umliegenden Gegenden ging es eben so. Die Guten, christlich, nur mäßig christlich Denkenden wurden schrecklich verfolgt, gelästert, geschlagen, eingesperrt und gequält. Aus dem Munde der Verfolgten aber hörte man kein anderes Wort, als: „Gott segne euch! Wir leiden unschuldig und um der Wahrheit willen - Gott zu lieb!“ So dankten sie selbst ihren Widersachern für die Schläge. Und ohne wieder zu schlagen oder zu lästern, hielten sie sich der Schmach und Schläge um Christi willen nicht wert.
Endlich, nachdem man sich müde geschlagen und gelästert hatte und sah, dass die Leute nicht wichen von ihrem Zeugnisse, so musste man von Obrigkeitswegen untersuchen. Jetzt fragte man erst: Was gibts denn? Was habt ihr denn für eine neue Lehre? (Sie war die aller älteste, aber sie ist durch Unbekanntschaft und Vergessenheit die aller neueste geworden.) Man zog nun viele Leute, Laien und Geistliche, ein; diese sprachen nur vom lebendigen Glauben an Christus, sonst konnte man keine Schuld auf sie bringen und an ihnen entdecken. Dennoch war man nach Allem diesen weit entfernt, ihnen Recht zu verschaffen; es dauerte zwei Jahre, bis man in Wertach von Kommissionswegen öffentlich erklärte: Man dürfe diesen Leuten kein Leid mehr tun, weil sie genau geprüft und unschuldig erfunden worden wären.
Wie es nun den einfältigen, gemeinen Leuten erging, die doch die ruhigsten, fleißigsten und nützlichsten Glieder der Gemeinden waren, so ging es auch den Geistlichen, besonders Boos. Ihr Charakter und Lebenswandel war unsträflich und unbescholten von Jugend auf, so dass ihnen selbst ihre Feinde dieses Zeugnis gaben. In der Seelsorge waren sie, nach dem Urteile der nicht Eifrigen nur zu eifrig. Boos besonders wurde schon als Schüler und Student als ein Muster aller Studierenden und als Beispiel des Fleißes sowohl, als der Frömmigkeit selbst von den damaligen Exjesuiten in Augsburg aufgestellt. Freunde und Feinde müssen ihm wegen seines männlichen und standhaften Betragens alles Lob erteilen.
Allein er musste auch wie Paulus erfahren, dass es auch noch immer unhaltbare Freunde oder falsche Brüder gibt. Sein Pfarrer, bei dem er Kaplan war und der mit ihm so ganz gleich gestimmt, ihn wie einen Freund und Bruder zu lieben schien, so dass er die Leute selbst immer zu Boos schickte, wenn sie Rat in Gewissens-Angelegenheiten begehrten, dieser Mann, der es ganz mit ihm hielt, heimlich und öffentlich, so lange der Himmel helle und heiter war, lenkte, als sich schwarze Wolken zeigten und Gefahr zu drohen anfing, schändlich um, redete öffentlich wider Boos, und wurde der frommen Leute, die er zuvor selbst für gut, für die besten Pfarrkinder und Untertanen erklärte und rühmte, ärgster Feind und selbst Ankläger vor dem Fürsten in K., wie vor mehreren Prälaten. Ja er ging so weit, dass er selbst der gefährlichste Denunziant des von ihm bewährt gefundenen und geschätzten Freundes Boos wurde, und jetzt schwarz für weiß, und weiß für schwarz ansah. Er fand Glauben, und Boos wurde eingezogen, inquiriert, suspendiert und verdammt.
Die aus ihrem Vaterlande von ihrer Freundschaft und ihren Eltern Vertriebenen und Verzagten fanden im Auslande hundert Häuser, Väter, Brüder und Freunde wieder, wo sie aufgenommen und versorgt wurden; so dass sie auch das Wort des Herrn an ihnen erfüllt sahen: Wer um meinetwillen verlässt Vater, Mutter, Haus, der wird es hundertfältig wiedererhalten. Matth. 19,29. Mark. 10,19
Bericht von einem Glaubens- und Leidensgefährten des lieben Boos über die damalige Verfolgung in Kempten.
Kempten, den 3. Februar 1797
An einen Freund.
Nicht nur Vetter und Landsmann, Bruder in Christo sind Sie mir. Um deswillen liebe ich Sie. Ich weiß, dass Ihnen Jesus Alles ist. Auch mir ist er Alles; und daher kommt es, dass die Heiden toben und die Völker wüten. Ps. 2. Ich will Ihnen, als einem Jünger des Herrn, gern meine, oder unsere, oder vielmehr des Heilands Geschichte erzählen, denn der ists im Grunde, den man verfolgt, und den man ausrotten will. (Saul! Saul! warum verfolgst du mich?)
Es haben seit einiger Zeit, seit dem September 1796, einige Seelen, darunter auch ich bin, den wahren Glauben an Jesum angenommen, den sie vorher nicht hatten, nämlich einen solchen Glauben, dass es geglaubt heißt, nicht bloß einen wörtlichen oder historischen, sondern einen lebendigen, wie Christus ihn verlangte und wie ihn die Apostel erklären und predigten. Durch diesen Glauben, den wir uns nicht selbst gegeben, denn er ist ein Geschenk von oben, sind wir nun auf einmal aus unserm Sünden-Elend herausgerissen, und in die Freiheit der Kinder Gottes versetzt worden. Dieser Jesus, den wir im Glauben aufgenommen haben, Joh. 1,12., hat uns diese Macht gegeben, Kinder Gottes zu werden; Er ist unser Lamm, das unsre Sünden wegnahm, Er unsre Gerechtigkeit und Heiligkeit, Er ist es, durch den wir nun andre Menschen werden. Er machte uns demütig, sanftmütig, geduldig; Er half uns die Welt und Lüste des Fleisches überwinden, dass die Sünde nicht mehr über uns herrschen kann. -
Diesen selig machenden Glauben verkündigten wir auch Anderen. Denn das war uns einleuchtend genug, dass dieser Glaube auch unter denen, die sich Christen nennen, sehr fremd ist, dass sie nur das Äußerliche der Religion an sich haben, aber wenig oder nichts von Christus in sich. Zur Verbreitung dieses Glaubens wählte Gott jetzt, wie allemal, die mindesten aus dem Volke, nämlich arme, geringe, unstudierte, einfältige Leute, die er schon durch besondere Wege führte und an sich zog, dass sie von der Welt nicht verführt würden. Diese Unmündigen, überzeugt und unerschütterlich fest in dem Glauben an Christus für uns und in uns, unsere Gerechtigkeit und Heiligung, gingen hier und da zu einem Nachbar oder Bekannten und sagten: du bist noch ein Jude, du bist noch unter dem Gesetze, hast noch keinen Glauben an Jesum, hast nur den Moses, aber Jesum den Heiland nicht. Du musst Buße tun, musst ein Kind Gottes werden, musst das Vertrauen auf die Werke des Gesetzes fahren lassen; Christus muß deine Gerechtigkeit und Heiligung werden, du musst Christum anziehen, Christum haben, dann wirst du gute, gottgefällige Werke tun und vor Gott bestehen. Und Christum empfängst du in dein Herz, wenn du an Ihn lebendig glaubst, Ihn im Glauben aufnimmst. Glaube an Ihn lebendig und Er ist dein. (Alles ist nur Christus. 1.Kor. 3.)
So redeten diese Einfältigen, und bei manchem Herzen fand dieser Same gutes Erdreich und brachte Flüchte, je nachdem es der Herr verlieh. Es waren aber auch Einige, die sich durch die Worte: Du bist ein Jude, ein Heide, ein Selbstgerechter! Du hast Jesum nicht! beleidigt fanden. Diese schlugen Lärm. Der Teufel fing an zu lügen, zu argwöhnen, zu verdrehen, zu lästern und zu schreien: Neue Lehre! Ketzerei! - Die Herrschaften wurden von hundert Klägern, Lügnern und Verleumdern überlaufen und berichtet: Diese Leute haben einen geheimen Klub und sind staatsgefährlich. Die Herrschaften fingen an zu untersuchen, zuerst die weltlichen Personen, darauf einen Geistlichen in K.
Aus 60 Fragen, die in dem Verhöre dieses Geistlichen vorgebracht wurden, will ich nur einige anführen.
1. Ist Ihnen die Lehre von Boos bekannt? Worin besteht sie? Antw.: In Buß und Glauben an Jesum Christum.
2. Was heißt an Jesum glauben? Antw.: Wenn der Mensch durch Gottes Gnade sich als Sünder erkennt, demütig und ängstlich wird, so ist er froh, wenn ihm ein Erlöser und Heiland gezeigt wird und nimmt von ihm gern und willig an, was ihm dieser geben will, Vergebung der Sünden, Gnade um Gnade. Glauben heißt gleichsam ergreifen und annehmen. Wie z.B. die von giftigen, feurigen Schlangen gebissenen Israeliten durch den vertrauensvollen Anblick der ehernen Schlange, die Moses errichtete, geheilt und gerettet wurden, so der sündige Mensch durch Buß und Glauben an den gekreuzigten Jesus: Joh. 3,17.
3. Was habt ihr für Kennzeichen, dass Christus in euch ist? Antw. Johannes sagt: Wer glaubt und bekennt, dass Jesus der Christus, der Sohn Gottes ist, der ist in Gott und Gott in ihm.
Aus den Früchten kennt man den Baum. Wo Christus ist, da ist Friede, Freude, Geduld, Sanftmut, Keuschheit, ein frommer Wandel, himmlischer Sinn, Hoffnung der ewigen Seligkeit.
4. Wer sind Jünger Johannis, wer Jünger Jesu? Antw. Jünger Johannis sind, die da Buße tun und sich dadurch auf Jesum vorbereiten. Jünger Jesu sind, die an Jesum glauben und Ihn im Glauben aufgenommen haben.
5. Wie sind Sie zu dieser Lehre gekommen? Antw. Ich bin seit langer Zeit von vielen Zweifeln und meinen Sünden geängstigt worden. Die Philosophie vermehrte das Übel, und alles Beobachten der äußern Religionsbräuche half mir nicht heraus. Da bin ich vor einiger Zeit mit Jemand von diesen Leuten in Amtsgeschäften in ein Gespräch gekommen, wobei mir ein besonderes Licht über das Christentum aufging. Ich erhielt einige Bibeltexte von der in uns wohnenden Gottheit. Ich las die Texte und musste zu mir selbst sagen: „So hast du es noch nie verstanden. Ich nahm sonst das göttliche, den heiligen Geist ganz natürlich. Aber nun sehe ich, es ist ganz anders. - Nun wachte das Sündengefühl in mir noch lebhafter auf; ich ging zu Boos nach W., der zeigte mir Jesum als das Lamm Gottes, das da hinweg nimmt die Sünden der Welt. Er redete Vieles mit mir vom Glauben an Jesum Christum. Ich konnte aber lange nicht glauben, besonders hatte ich noch Anstand über die Gegenwart Jesu im h. Altarssakrament. Aber als wir uns getrennt hatten und schon einige Schritte von einander entfernt waren, schaute ich noch einmal um und rief ihm zu: „Ich glaube!“ Da sah mich Boos im Angesichte ganz verändert, glänzend weiß. Das erzählte er mir erst später. Ich empfand da nichts als Friede und Freude im Innern und einen mächtigen Schwung zum Besser-werden, wie noch nie.
7. Ist keine Zeremonie dabei vorgegangen? Antw. Durchaus keine. (O blinde Welt! -)
8. Machen Sie Anspruch auf Wunder? Antw. Ich weiß eben kein Wunder - sondern nur von Besserung und Beruhigung der Herzen.
9. Glauben Sie, dass durch diese Lehre die Menschen besser und weiser werden? Antw. Ja. Ich habe sie nie von einem anderen Gesichtspunkte betrachtet.
10. Halten Sie nicht dafür, dass diese Lehre der Vernunft, dem Katholizismus und dem Evangelium widersprechen? Antw. Ich glaube: Nein.
11. Glauben Sie an die Sakramente? Antw. Ich habe immer daran geglaubt, und nie etwas Anderes gelehrt.
12. Ist ein Unterschied zwischen Laien und Priestern? Antw. Allerdings, ein Hauptunterschied ist: Die Priester haben die Gewalt, die Sakramente zu administrieren, welche die Laien nicht haben.
13. Was haben die Sakramente für eine Kraft? Antw. Die ihnen Christus gegeben und damit verbunden hat usw.
Der Geistliche Rat und Hofkaplan Neumair stellte diese und viele andere Fragen. Der Herr Großdekan und Präses fragte noch: Ob er auch glaube, dass Jesus der Sohn Gottes sei? - Darauf antworteten gleich Andere statt seiner, dass dieses schon im Constitute enthalten sei.
Nun ward dem Fürsten referiert - die meisten Urteile fielen sehr hart und bitter aus. Der Fürst befahl ohne Gnade: Er muss widerrufen. Man lobte diesen Gedanken. Ein herrlicher Gedanke! hieß es und nur Einer sprach: Das ist zu hart!
Aber was denn revozieren [widerrufen]? Im ganzen Constitut kam nichts vor, was zu widerrufen war. Auch ging der Inquisit des andern Tages zum Groß-Dekan und sagte: „Wenn ich etwa aus Unwissenheit hier und da irre, so will ich mich aller Korrektion und Belehrung unterwerfen etc.“ Dass die verleumderischen Zungen ein großes ärgerliches Geschrei im ganzen Stifte verbreiteten, darüber hätte man sie zur Rede stellen und revozieren lassen sollen. Aber man bestand darauf, dass er revozieren musste, und sagte, es geschähe nur um des Volkes willen, es sei eigentlich nur eine Erklärung, dass er das nicht gelehrt hatte, was man ihm aufbürdete. Man las ihm den Widerruf vor; er erstaunte, denn es standen Ausdrücke und Sätze darin, die er nach dem Evangelium nicht hätte unterschreiben können. Zwei Geistliche begleiteten ihn am dritten Sonntag n. Epiph. auf die Kanzel und er musste den Widerruf öffentlich ablesen. Er tat es, setzte aber am Ende hinzu: Ich habe hier widerrufen, was ich nie gelehrt habe. Ich habe widerrufen aus Gehorsam gegen die Obrigkeit und um die Übelgesinnten zu beruhigen. Übrigens bin ich sehr von Lügnern verleumdet worden, aber ich verzeihe Allen.“
Dieser Geistliche verließ bald darauf das Kemptische und wanderte in ein anderes Land aus.