Читать книгу Martin Boos, der Prediger der Gerechtigkeit die vor Gott gilt: Sein Selbstbiograph. - Johannes Gossner - Страница 6
Boos am Rhein.
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Bald nachher erhielt er einen Ruf von der K. Preussischen Regierung als Professor und Religionslehrer an dem Gymnasium in Düsseldorf. Am 12. Okt. 1817 trat er seine Reise dahin an, und zog den 26. Okt. in sein Logis dort ein.
Hier wurde ihm das ungewohnte Geschäft, den Stein der lateinischen Sprache mit den ersten Anfängern zu wälzen, entsetzlich schwer und bitter. Er hatte in seinem ganzen Leben mit dem lebendig machenden Geist und herrlichen Evangelio unserer Seligkeit zu tun, welches sein Element war; nun aber musste er sich in seinen alten Tagen noch mit dem tötenden Buchstaben plagen. Was ihn dabei allein tröstete und aufrecht erhielt, war, dass er den Studenten in allen sechs Klassen täglich Religionsstunden zu erteilen und wöchentlich zwei Predigten zu halten hatte.
Da es ihm endlich zu mühsam wurde, und man sah, dass er auch gar nicht zu dem einen Teile seines Amtes passte, so ward ihm von der K. Regierung zu Koblenz die Landpfarrstelle Sayn zwischen Koblenz und Neuwied am Rhein angeboten; er nahm sie an und zog nach 1,75 Jahren, die er in Düsseldorf am Gymnasium zubrachte, im Juni 1819 als Pfarrer nach Sayn. Sayn war ehemals ein Kloster, nun aber zerfallen und es stand nur noch die Kirche und ein Gebäude, das Haus, das Spangenbergs Brüder, die sich an dieses Kloster angeschlossen hatten, für sich erbauten, um da zu leben und zu sterben. Dieses war nun das Pfarrhaus und Boos wohnte darin bis zu seinem Heimgange.
Er lebte hier wie in einer Wüste; so schön die Umgegend und die Aussicht auf den hohen Bergen ist, die sein Haus und die Kirche umgeben, so schwermütig war es in dieser Bergschlucht, die einen großen Teil des Jahres keinen Strahl der Sonne zu sehen bekommt.
Er hatte auch da eine Kreuzschule gefunden und manches Schwere zu ertragen; doch rühmt er fast in allen seinen Briefen seinen freundlichen und toleranten Generalvikar Hommer, der ihn nicht nur nicht verfolgte, sondern gegen Angriffe von außen schützte und menschenfreundlich behandelte.
Er predigte wohl auch hier das Evangelium, und wie er in einem seiner Briefe schreibt, eben so kräftig und lebendig, als vorher an anderen Orten; aber er erlebte und sah nicht denselben Segen, wie vor Zeiten. Am Ende zeigte es sich aber doch, dass er nicht vergeblich gebetet, gelitten und gearbeitet habe an diesem steinigen Acker und undankbaren Felde. Er sah noch liebliche Früchte in den letzten Tagen seines Lebens, und Andere sahen noch mehr. Die meisten wir das Auge sehen, das in alle Lande und in alle Herzen sieht.
In Sayn besuchten ihn fast alle christliche Freunde, die den Rhein bereisten, von denen sich sehr viele an ihm erbauten, indem sie sich seine alten Geschichten erzählen ließen, ihm ihre Herzen öffneten und von ihm Trost, Belehrung und Glaubensstärkung empfingen.
Auch war eine Wallfahrt an dem Orte und an der Kirche, wo jährlich Tausende aus der Nähe und Ferne herbei strömten, um ihm im Beichtstuhle ihre Gewissen und Herzen auszuleeren. Und Boos hat gewiss Keinen von sich gehen lassen, ohne ihm einen Widerhaken ins Herz zu werfen, durch den er früh oder später zu seinem Erbarmer gezogen wird.
In der Korrespondenz war Niemand unermüdeter und treuer, aIs Boos und dies so lange es seiner zweimal gelähmten Hand möglich war; seine letzten Briefe sind kaum mehr lesbar, weil sie mit äußerster Anstrengung geschrieben wurden.
Übrigens aber scheint dieser letzte Posten, gegen die andern gerechnet, das Fegefeuer für ihn gewesen zu sein, wo ihn der Herr am empfindlichsten prüfte; der da sitzt wie ein Schmelzer, und die Kinder Levi reiniget und läutert wie Gold und Silber; damit sie dem Herrn Speisopfer bringen in Gerechtigkeit. Mal. 3,3.
Alles wurde ihm da zur Plage und Marter:
1. Dass er keine Früchte seiner Arbeit an seinen Pfarrkindern sah. Er betete, rang und seufzte so viel oder mehr als sonst, wo er reichlichen Segen erntete.
Als ihn jemand 1820 besuchte und er ihn in seine Bergschlucht führte, klagte er diesem seine Not und sagte: „Sieh da, an diesen Bergen ist fast kein Plätzchen, wo ich nicht schon oft auf meinem Angesichte lag und weinte und sichte, dass mir der Herr wieder die Gnade gebe, mit Freudigkeit meinen Mund aufzutun und mit Segen zur Erweckung der Herzen sein Wort zu verkündigen - aber ich finde kein Gehör. Endlich ward es ihm doch gegeben, aber ohne viele Früchte davon zu sehen; doch das genügte ihm nicht, sondern beugte und demütigte ihn sehr. Er konnte das unfruchtbare Erdreich, seine Gemeine, nicht ohne Tränen und Herzeleid ansehen. Ohne Zweifel hat aber der Herr hier mehr als anderswo durch ihn getan - wenigstens an ihm - er wollte es ihn aber nicht wissen lassen. Es sollte still geschehen.
2. Die Abschwörung des Aftermystizismus hat ihm auch bei Freunden viele und große Leiden zugezogen, die ihm deswegen manche harte Vorwürfe machten und ihn zu langen und vielen Rechtfertigungen zwangen, so dass er einmal Jemandem schrieb: „Wenn mir Gott und mein Gewissen nicht Zeugnis gäben, so hätten deine Vorwürfe den alten Petrus bald weinend zum Tor hinaus oder gar wie Judas zum Baum gejagt."
3. Die meisten Leiden aber verursachte ihm seine letzte schmerzliche Krankheit, in der nicht nur sein Leib, sondern auch sein Geist oft so gedrückt, gebunden und in die Enge getrieben war, dass er seinen ihn allein tröstenden Glauben kaum mehr finden, kaum mehr (wie er sich ausdrückte) erglauben konnte. Aber dennoch, erglaubte er es allemal wieder. Der Herr half ihm immer wieder unmittelbar im Gebete, oder durch einen Freund, der ihn besuchte, oder durch einen Brief von Freundeshand, der ihn tröstete, oder durch ein Buch, das ihn aufrichtete. Dem Gerechten muß das Licht immer wieder aufgehn und Freude dem frommen Herzen.
Er konnte am Ende sagen mit Paulus:
„Ich habe den edlen Kampf gekämpft, die Laufbahn vollendet und den Glauben bewahrt; nun aber wartet meiner die Krone der Gerechtigkeit.” 2 Tim. 4, 7f.“
Er vollendete seine irdische Laufbahn den 29. Aug. 1825.
Dieser chronologische Umriss seines Lebens und Leidens kann nun größtenteils durch nähere und ausführlichere Nachrichten von ihm aus seinen eigenhändigen Aufsätzen und Briefen ausgefüllt werden. Sein Leben, Wirken und Leiden teilt sich in drei Abschnitte, 1. im Kemptischen und in Augsburg, 2. in Österreich, 3. am Rhein.