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Der erste Brief von Boos aus dem Gefängnisse in Göggingen

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Der erste Brief von Boos aus dem Gefängnisse in Göggingen

an einen Freund, der ihm anonym geschrieben hatte

Lieber Bruder in Christo!

Weiß nicht, ob ich nicht etwa irre, wenn ich Sie für den Freund halte, der mir ohne Ort und Namen den 24. März den gut gemeinten, schnizerischen Vorschlag, in das Institut des H. Receveur zu treten, in meine Banden sandte. Der Herr machte mir so eine Freude dadurch, dass ich Ihnen auch auf bloße Vermutung hin danken muss. - Weil H. Receveur einen eifrigen Priester sucht und ich das gar nicht bin, und einen, der mit der Welt ganz abgekommen ist, ich aber wirklich mit ihr im Prozesse stehe, und von ihr den letzten Stoß erwarte, so kann ich für jetzt, diesen mir lieben Antrag betreffend, noch nicht zusagen; inzwischen hat es das Ansehen, als wolle uns der Herr zu dieser engen Tür hinein klemmen, aber nicht zufrieden mit Winken, wollen wir erst noch durch Stöße seinen Willen deutlicher vernehmen, und dann dürft ich vielleicht mit einer großen Karawane dem Receveur zueilen und ihn um Auf- und Annahme bitten. Noch brennt überall lauter Zorn wider uns, und weil ich vom Wächter nicht weiß, ob meine Briefe an Ort und Stelle kommen, so wäre (im Fall Sie dieser erreichte) mir lieb, wenn Sie den schnizerischen Vorschlag auch unsern Freunden im Allgäu berichteten, indem da viele um Christi willen gezu exulieren [verbannen] dürften in der Verbannung zu leben, welchen so eine Aussicht sehr willkommen sein könnte.

Sie vermuten, Silas und Paulus singen beisammen im Kerker? Fürerst ist Silas nur allein (Paulus hört er, exuliere in S**); das Singen betreffend, so ist Silas so vom Pharisaeismo, legalismo und litteraismo umstellt, dass ihm das Singen selten ankommt, indes, Gott die Ehre gegeben, hat er doch auch schon gesungen und gepfiffen - Meine Richter gehen überaus langsam und bedächtig mit mir; in 54 Tagen haben sie mich dreimal, jedesmal zu vier Stunden, verhört; sie wollen mit Gewalt mehr Sünden und Ketzereien finden, als begangen worden sind; wirklich sind sie ober S-g. und weil sie alle Winkel auskehren, werden sie so schnell nicht aus diesem Hause kommen. Sie wollen bei dieser Gelegenheit den Val. S..., der, wie sie sagen, wirklich im Steigen, sein soll, wieder aufs neue packen und fällen, aber der Herr wird wohl auch einmal darein sprechen; Er weiß und sieht es, dass unsereRichter nicht nur bloß keine Freunde, sondern Feinde von uns seien, wenn er uns nicht Gerechtigkeit und Barmherzigkeit widerfahren lässt, so ist da keine zu erwarten. Doch so muss es sein, es müssen Kreuziger und Gekreuzigte sein, wie gäbe es sonst eine Karwoche? O wie gern gäbe ich bis Ostern mein Leben hin; aber so einer Gnade bin ich nicht wert.

Danken Sie statt unser dem lieben H. Schnizer, weil er sich an verworfne Geschöpfe nicht nur bloß erinnern, sondern ihnen sogar Hilfe leisten wollte. O es ist tröstlich, im Kerker so was zu vernehmen, Gott wirds ihm und Ihnen vergelten; ich nahm es auch um deswillen als einen Liebesstreich vom Herrn an, weil Ihre Briefe auf einem Wege zu mir kamen, auf dem sonst alle konfisziert wurden. Sollten Sie nochmal Trieb und Ursache an mich zu schreiben finden, so machen Sie die Adresse an meinen Bruder Johann Georg-Gärtner beim Herrn Domdekan in Augsburg, denn ich habe Hoffnung, dass ich künftig absque custodiente me milite (ohne von einem Soldaten begleitet zu werden) zum Verhör darf, indem ich mich gegen diese Begleitung beschwerte, und für das Bleiben mein Ehrenwort gab. Hoc occasione [Bei dieser Gelegenheit] hoff ich nun Briefe geben und nehmen zu können. Doch weil meine Richter alle Tage anders, und meine Schritte alle belauert sind, so seh ich meine Pläne auch alle Tage vereitelt. Im ersten Constitut sah es so gut aus, als wäre Alles gewonnen, im zweiten und dritten kamen und hörten Sie mich voll Zorn, und so gehts mit dem armen Malefikanten [Missetäter] bald ins Wasser, bald ins Feuer. Doch es geht Alles recht, beten Sie nur, dass mir Glaube und Gelassenheit nicht ausgehe, dann ists gewonnen, wenns auch verloren ist. Ich wundere mich gar nicht, wenn sich Alles an mir ärgert, denn der Herr führte mich auch so wunderlich, dass ich mich oft selbst ärgerte, ich wundre mich nur, dass es noch jemand gibt, der sich nicht ärgert. -

Mein! Wie wäre es, wenn H. Sch., der jetzt vielleicht elend im Elend herumgeht, den H. Receveur besuchte, sein Institut näher besichtigte und uns hernach das Resultat seiner Visitation übermachte? Können Sie hierzu etwas beitragen, so tun Sie es, es bittet Sie ein Gebundener, der nicht agilen kann, wie er wollte. Hoffentlich wird H. Receveur die Ausdrücke Christus für und in uns, nicht abgeschafft wissen wollen, wie man hier will. Sollte Christus nicht das Fundament seines Instituts sein, so würden wir nie seine Schüler werden können. Ich danke Gott, Ihnen und dem H. C. Schnizer nochmal für die erwiesene Liebe und angewiesene Aussicht. Gottes Friede und Gnade sei mit Ihnen und

Ihrem Gefangenen

Den 4. April 1797.

Martin Boos, der Prediger der Gerechtigkeit die vor Gott gilt: Sein Selbstbiograph.

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