Читать книгу Martin Boos, der Prediger der Gerechtigkeit die vor Gott gilt: Sein Selbstbiograph. - Johannes Gossner - Страница 8

Aus einem frühern Briefe an einen Freund

Оглавление

Aus einem frühern Briefe an einen Freund.

Vom 12. Okt. 1804

„Du fragst, wer uns erweckt habe? Eine wunderliche Frage. Mich hat Christus zum Glauben erweckt, mich hat die Hand des Vaters zum Sohne gezogen. Hoc firmiter credo et confiteor. (Das glaube und bekenne ich frei und fest.) Meine Geschichte heißt kurz so: a. Ich habe von kleinauf mein Sündenelend erkannt, gefühlt und unter Seufzen getragen. b. Habe viele Jahre lang bei Tag und Nacht um Licht, um Ruhe, um Kraft, um Erlösung geweint und gebetet, c. Dort Anno eins (in dem 1790sten Jahre) kam Licht, Ruhe, Friede, Freude, Übermacht über die Sinnlichkeit, lebendiger Blick in die Erlösungsanstalt, lebendiger Glaube, Hoffnung, Liebe etc. Von diesen Dingen voll, oder selbst elektrisiert, elektrisierte ich auch Andere; selbst dich, aus dem Gefängnisse an dich schreibend, traf ein Strahl vor dem Lichte, das in mir war. Ich kann also unmöglich glauben, dass dies ein Blendwerk des T. oder der Phantasie sei; ich muss glauben, dass Gott mein Jahre lang fortgesetztes Beten, Weinen, Seufzen, Betrachten, Suchen, Anklopfen, erhört, beantwortet habe. Denn wir haben keinen toten, hölzernen, unempfindlichen, sondern einen lebendigen Gott. Er gibt Antwort, wenn man ihn fragt, er hilft, wenn man ihn anruft in der Not; er gibt, wenn man ihn bittet, er tut auf, wenn man anklopft. Des bin ich jetzt noch lebendiger Zeuge.“

Unser lieber Martin war also, wie aus diesem Briefe erhellt, von Jugend auf fromm, gottesdienstlich, gesittet, andächtig und eifrig. Das bezeugen Alle, die ihn in seiner Jugend kannten. Er war ein Beispiel und Muster der Studierenden in jeder Hinsicht.

Als Geistlicher war er es nicht weniger. Doch kannte er den rechten Grund des Glaubens und der Gottseligkeit noch nicht. Das Wort vom Kreuze, oder die Lehre von Christus für und in uns, welche hernach sein ganzes Leben ausmachte, war ihm noch fremd. Sie wurde aber doch frühe, wie ein Senfkörnlein, wie ein Fünklein, in sein Herz geworfen, von der Hand des Herrn, die ihn auserwählt und ausersehn hatte von Mutterleibe an zu einem Werkzeuge, eben diese vergessene und verdrängte Lehre wieder ans Licht zu bringen und sie überall laut und öffentlich zu bezeugen.

Wie kam er dazu? Werden viele, die den Lieben kannten, neugierig fragen. Durch eine fromme, alte Kranke, die er als junger Geistlicher besuchte. Jeder Leser möchte es aber gewiss am liebsten aus seinem eignen Munde hören, oder doch aus seiner Feder von seiner eignen Hand lesen. Und das sollt ihr Alle, Ihr Lieben. Er hat es uns hinterlassen und im Jahre 1815 den 3. Dezember aus dem Gefängnisse in Linz an Bersab geschrieben. Seine Worte sind:

„Mich freut es, dass du nach so vielen Jahren und Leiden noch glauben kannst, dass Christus dies aller Welt so auffallende und ärgernde Werk mit mir angefangen habe. Ich glaube es selber noch in den Banden; obschon es uns viele Leiden machte, so ist es doch Sein Werk. Denn es sing sehr unschuldig an.“

„Schon in den 1780er Jahren (wahrscheinlich 1788 oder 89.) sagte ich zu einer sehr demütigen und innigen Seele, die ich im Krankenbette besuchte: „Aber Sie werden doch recht ruhig und selig sterben?“ Sie fragte mich: Warum denn? Ich: Weil Sie so fromm und heilig gelebt haben. Die Kranke lächelte über meine Worte, und sagte: Wenn ich im Vertrauen auf meine Frömmigkeit hinstürbe, so wüsste ich gewiss, dass ich verdammt würde. Aber auf Jesum, meinen Heiland, kann ich getrost sterben.“

„Sieh, dies Wort aus dem Munde einer kreuzvollen im Rufe der Heiligkeit stehenden Seele öffnete mir zuerst die Augen. Ich erblickte Christum für uns, frohlockte, wie Abraham, als er Seinen Tag sah, predigte den erkannten Christum auch Andern, sie frohlockten mit. Aber leider nicht in Alle konnte dies Licht eindringen, besonders nicht in die Weisen und Klugen, nicht in die Selbstheiligen und Selbstgerechten. Math. 11,25. Diese brachten es dahin, dass das Herumstoßen und Verfolgen zur Tagesordnung ward bis heute. Dadurch lernte ich aber, dass das Reich Christi ein Kreuz-Reich sei. Denn die beständige und allortige Erfahrung sagt uns mit Christo, Ihr werdet - ihr müsset gehasst werden um meines Namens willen von Jedermann. Mark. 13,13. Matth. 10,22. Wir müssen durch viele Trübsale ins Reich Gottes eingehen. Apg. 14,22. - Nun, wenns dann so sein muss, dacht ich, so gehts ja eben recht; ich ärgerte mich nach und nach auch am Kreuze nicht mehr.“

So berichtet uns der teure Mann Gottes den ersten Anfang seines tiefen Blickes in das Geheimnis der Erlösung Jesu Christi. Das war der erste lebendige Stein, den Gott zu seinem Glaubensgebäude gelegt hat. Einer stillen, frommen, unbekannten Seele bediente sich der Herr, ihm die Augen zu öffnen, die ihm die Schule und die Weisheit der Weisen dieser Welt nicht öffnen konnte. Er fand die Schule, wo er sie nicht suchte. Er kam zu trösten, ohne den wahren Trost zu kennen, fand aber unerwartet, was er nicht ahnte. Er ging in dem allgemein herrschenden Irrtume hin, mit dem Gelehrte und Ungelehrte ihr Leben lang bis ins Grab sich schleppen, dass nämlich nur ein frommes, tugendhaftes Leben selig mache, ohne an Christum und sein Verdienst dabei zu denken, welches wenn es auch nicht in der Lehre geradezu geleugnet, doch in der Übung und Anwendung ganz vergessen und bei Seite gesetzt wird.

Boos hat nachher diese Begebenheit auch mündlich umständlicher erzählt und hinzugefügt, dass ihn die Kranke auf seine Frage erstaunt und ernst angeblickt und in befremdendem Tone zu ihm gesagt hätte: „Sie wären mir der rechte Geistliche, ein schöner Tröster! Wo würde ich hinkommen? Wie würde ich bestehen vor Gottes Gericht, wo man auch von jedem unnützen Worte Rechenschaft geben muss? Da wäre ich ja gewiss verloren, wenn ich die Seligkeit, den Himmel auf mich und meine Verdienste und Frömmigkeit baute; wer ist rein unter den Unreinen? Wer unschuldig in Gottes Augen? Wer ist gerecht wenn Er Sünde zurechnet?“ [Ps. 130 od. 129. Si iniquitates observaveris Domine, quis sustinebit? etc. Das wird millionenmal gebetet, aber wie wenig geachtet und bedacht!] Welche unserer Handlungen und Tugenden wird vollwichtig erfunden, wenn Er sie auf seine Waage legt? Nein, wenn Christus nicht für mich gestorben, wenn er nicht für mich genug getan und bezahlt hätte, so wäre ich mit all meinen guten Werten und frommem Wandel ewig verloren. Er, Er ist meine Hoffnung, mein Heil und meine Seligkeit usw.“

Boos erschrak und schämte sich nicht wenig, dass er, als ein Meister in Israel das nicht wusste, und nachdem er so lange, so viel und so fleißig studiert hatte, nun erst von einer einfältigen Kranken in der wichtigsten Sache, von der aller Welt Heil abhängt, über das eine Notwendige in Not und Tod belehrt werden musste. Aber er war demütig genug, diese Beschämung zu seinem Heile zu gebrauchen und nicht, von gelehrtem Stolze geblendet, der Wahrheit zu widersprechen. Es machte tiefen Eindruck auf ihn, der ihm lebenslänglich blieb und den Grund zu seinem ganzen Glaubens- und Lebens-Gebäude legte.

Er hat also die Lehre, die man an ihm nachher so sehr verketzerte und verfolgte, nicht außer, sondern in der Kirche gefunden, hat sie nicht mutwillig erdacht und ersonnen, sondern durch die lebendige Tradition, von einer gläubigen Seele, die im Rufe der Heiligkeit lebte, die freudig und selig darauf hinstarb, erhalten, hat sie nachher durch Gebet und Forschen auch in der Bibel in allen Leben und Schriften der Heiligen und Väter, ja in allen Liturgien, Symbolen und Einrichtungen der Kirche selbst gefunden.

Woher hatte aber diese Kranke solche Weisheit? Wie kam sie dazu? werdet Ihr wieder fragen. Das weiß Gott, der sie ihr, in jedem Fall, es sei mittelbar oder unmittelbar, gegeben hat. Wer sucht, der findet. Wir wollen mit Jesu ausrufen: Vater, ich danke dir, dass du dieses den Weisen und Klugen verborgen und es den Unmündigen und Einfältigen geoffenbart hast. Ja, Vater! so hat es dir Wohlgefallen! Math.11.

Klein wie ein Senfkörnlein hat die Sache angefangen, und ist dann zu einem so großen Baum gewachsen, der seine Zweige überall ausbreitet.

Indes hatte Boos sein ganzes Leben hindurch, bis an sein Ende, darüber Vieles zu leiden. Dieser Glaube war, wie Christus, ein Ziel des Widerspruchs, ein Fels des Ärgernisses und ein Stein des Anstoßes. Luk. 2. Von innen und außen, von Menschen und Teufeln, wurde der Glaubensprediger beständig angefochten bis an seinen Tod und zwar in seinen letzten Jahren und Tagen am stärksten und heftigsten von innen. Aber Gott stärkte ihn, dass er überwand. Er hat Glauben gehalten, und starb froh und selig in diesem so vielfältig angefochtenen Glauben.

„Dies ist das wundervolle Ding,

Fast dünkt’s für Kinder zu gering.

Und dran zerglaubt ein Mann sich dann,

Und stirbt fast, eh’ er’s glauben kann.“

Martin Boos, der Prediger der Gerechtigkeit die vor Gott gilt: Sein Selbstbiograph.

Подняться наверх