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Sein Isaak wird geschlachtet.

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Sein Isaak wird geschlachtet.

(Aus einem Briefe an einen Freund vom 22. Sept. 1797.)

Es freut mich, dass Du Dich an meiner Verdammung nicht geärgert hast. Aber sieh, es ist doch ein wenig sonderbar, wenn man so verdammt wird. Vor ein paar Monaten protestierte mein Adam entsetzlich sub umbra gegen diesen Kelch, so dass er schier Blut schwitzte. Ich legte ihn aber täglich zehnmal mit Haut und Haar auf den Altar, und gab mich dem Herrn dazu hin. Er soll nur. Das hatte die Wirkung, dass ich ruhig ward, der Verdammung mit Freuden entgegensehen konnte, und dachte, es werde so fortgehen. Als mir aber der Wächter 14. Tage vorher die Verdammung zu einer jährlichen Gefangenschaft ankündigte, sieh, da dachte Adam nimmer an das Opfer, er zappelte und sperrte sich dagegen. Ich band ihn wiederum bei allen Vieren und legte ihn wohlgebunden wieder auf den Altar. Er gab sich wieder. Aber sieh, den 10. Sept. Abends drei Uhr kam meine Schwester zu mir ins Gefängnis und sagte mirs neuerdings an, dass ich morgen auf ein Jahr ins Zuchthaus verdammt werde. Ei! das gab mir den Stoß. Ich meinte, wenn mirs nur wenigstens diese nicht gesagt hätte; kurz, es tat mir wehe.

Ich ging also den 11. Sept. Morgens 4 Uhr ganz allein von Betanien nach Jerusalem [Augsburg] mit dem Bewusstsein: heute wirst du im Angesicht der Väter und Brüder feierlich verdammt. Ich betete, freute mich, weinte, ging so fort und wartete unter den Bäumen der Allee, bis man das Tor öffnete. Ich ging in die Zelle des Sillers, klagte diesem die Angst meines Herzens, er tröstete und stärkte mich, wie ein Engel. Als ich nun um 9 Uhr wirklich auf der Schädelstätte stand, da kamen die Brüder daher, ich war der Erste da; wir konnten aber vor lauter Malchussen nicht reden. Jetzt hieß es, wir sollten hervortreten. Einer führte den Steltzmann zuerst zur Tür hinein, ihnen folgte Siller, dann kam ich. Ich stellte mich zuletzt. Da saßen die sieben Männer (die geistlichen Räte), da standen die vier Missetäter. In der Mitte stand ein Kruzifix, ein Betstuhl mit einem roten Tuch bedeckt; das Ritual lag aufgeschlagen dort. Jetzt griff der Generalvikar einen Bogen heraus, hieß mich in die Mitte und vorwärts treten und verlas mir dann mit einer starken Stimme und zorniger Miene mein Urteil (dass ich auf ein Jahr lang in’s Zuchthaus solle). Mir war unter dem Lesen himmlisch wohl und leicht, gerade, als ob es mich gar nicht anginge. Als aber der Generalvikar fertig war, tat mein Adam einen Seufzer und sprach: Ich unterwerfe mich diesem Urteile, weil ichs so für Gottes Fügung halte. Aber das Urteil ist entsetzlich hart für mich. Ich hoffte, heute sollte meine Strafe ein Ende nehmen, und nun fängt sie erst recht an. Jetzt hießen sie mich niederknien auf den Betstuhl und Professionem fidei [Glaubensbekenntnis] laut sprechen; die Brüder knieten hinter mir auf dem Boden. Feneberg stand und lehnte sich auf seinen Stock.

Als dies vorbei war, überreichte mir der Generalvikar 10 Prositiones mit seidenen Goldfäden und schönem Papier gebunden, wie man sie dem Kurfürsten gab; ich hatte sie vordem nie zu sehen bekommen. Diese schwören Sie ab, hieß es. Ich wollte anfangs nicht daran und fragte: warum hat man sie mir denn nicht auch vorher zum Überlegen gegeben? Ich möchte deutlich verstehen, was ich hier so feierlich abschwören soll. Lumper stand mir bei. Ich las dann jede Propositio [jeden Satz] zweimal und sagte bei jedem, was mir gerade zu sagen gegeben war, seufzte bei jedem laut, und zeigte meinen Widerwillen, dass sie mir’s so verdreht hätten. Als ich fertig war, nahm sie der Generalvikar wieder zurück, und ich sah sie nicht mehr. Auf meinen Protestation, und wie ich bei jeder meinen Sinn erklärte, ward nicht geachtet. De internis non iudicat praetor, sagten sie Alle. Dann wurden die Brüder vorgenommen und endlich ließ man uns zum Tor hinaus.

(Was hier noch mit ihm geschah, die Milderung seines Urteils, ist schon erwähnt worden.)

So hast Du denn die Geschichte dieser Henkerarbeit, bloß damit du circa weißt, wie es auf diesem Platze zugehe, weil Du heute oder morgen sicher auch auftreten wirst. Und nimm Dir nur nicht vor: So will ichs machen, oder so nicht. Denn der Mensch weiß nicht, was er in derselben Stunde tun werde (bitte du, dass der Geist des Vaters in derselben Stunde dir gebe, was du reden sollst).

Martin Boos, der Prediger der Gerechtigkeit die vor Gott gilt: Sein Selbstbiograph.

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