Читать книгу Martin Boos, der Prediger der Gerechtigkeit die vor Gott gilt: Sein Selbstbiograph. - Johannes Gossner - Страница 31
Zweite Inquisition durch den Hochw. General Vikar Mayr
ОглавлениеZweite Inquisition durch den Hochw. Generalvikar Mayr
in Linz, den 12. März 1811.
Da die Widersacher und Kläger nicht ruhten, sondern das Konsistorium immer heftiger bestürmten, ward Boos den 12. März 1811 vorgeladen, vor dem bischöflichen Generalvikar zu erscheinen und sich über alle Beschuldigungen und Anklagen seiner Gegner zu verantworten. Er erzählt Alles selbst in einem Briefe.
Gallneukirchen, den 13. März 1811.
Liebster Bruder!
Ich habe Dir unlängst wohl geschrieben, dass unser Christus-Handel durch Bertgen säuberlich und wohl abgetan sei. Aber es war nur Waffenstillstand; den 3. März erhielt ich folgenden Brief vom Herrn Generalvikar in Linz, welcher dermal non confirmato Episcopo unser höchster Priester ist. Der Brief lautet also:
Hochwürdiger Herr Pfarrer!
Ich höre, dass mehrere von Ihren Pfarrkindern an der Lehre, die ihnen zu Gallneukirchen vorgetragen wird, irre werden und über verschiedne Punkte, die ihnen nicht einleuchten wollen, bei anderen Seelsorgern anfragen. Da die Sache von der äußersten Wichtigkeit ist, so wünsche bei der nächsten Gelegenheit, die sich Euer Hochw. darbieten wird, nach Linz zu kommen, mit Ihnen mündlich zu sprechen. Können mir Euer Hochw. bequem den Tag beiläufig melden, an welchem Sie hier eintreffen werden, so wird es mir desto lieber sein. Mittlerweile bitte ich, dafür zu sorgen, dass die Lehrpunkte, welche bisher Zweifel erregt haben, bei den öffentlichen Vorträgen entweder gar nicht, oder nur mit der Möglichsten Schonung und Vorsicht berührt werden. Ich bin mit aller Hochachtung
Euer Hochw.
ergebenster Diener
Ferdinand Mayr, Generalvikar.
Linz, den 2. März. 1811.
Diesem Schreiben zufolge bestimmte ich den 12. März zum Verhörtag, der denn gestern war. Diesen Brief sandte ich den 5. an Bertgen, mit der Anfrage: ob ich mich stellen, und ob ich vor der neuen Inquisition vor ihm mich stellen dürfte? Bertgen gab zur Antwort, wie folgt:
„Lieber Herr Pfarrer! Bleiben Sie ruhig, und auf Ihre Gesundheit bedacht. Das Predigen darf, versteht sich, mit gehöriger Vorsicht, nicht ganz unterlassen werden. Im Übrigen machen Sie es, wie geschrieben worden. Es wird mir lieb sein, Sie zuerst zu sehen und zu sprechen. Linz, den 5. März 1811.
Bertgen.
Als ich nun gestern um 7 Uhr früh vor Bertgen stand, sprach er: Was meinen Sie, warum Sie nochmals vorstehen müssen? Ich: Das weiß ich nicht. Er: Herr Brunner, dermaliger Pfarrer in Pöstlingberg, hat Ihren freundschaftlichen Brief samt Ihren Propositionen, die Sie am Tage vor meiner Ankunft in Gallneukirchen an ihn schrieben, dem Generalvikar mit vielen andern Klagen übergeben. Nun ist Herr Generalvikar cum toto capitulo de novo intimidiert [eingeschüchtert].
Nach diesen und andern Worten gings zu Gericht. Generalvikar getraute sich das Verhör nicht allein vorzunehmen, zog also den alten Kanoniker Reiccif., einen Italiener, bei. - Da sah ich mich also wieder ordentlich im größten Ernst inquiriert, wie in Augsburg - Das Erste, was man vorlas, war mein Brief, den ich den 4. März an Herrn Generalvikar schrieb, als einen Vorläufer zur Inquisition. Da fand man schon allerlei Anstöße, z.B., dass ich einen Zweifel trage, als ob der lebendige Glaube an Christus und sein Evangelium nicht Jedermanns Ding sei? Am Glauben fehle es Niemand, behaupteten sie, nur an Werken - Das Wort lebendig war ihnen etwas Unausstehliches - in der Liebe tätig, sollt ich sagen. Nun ja, soviel kann ich schon remittieren. Dann gings von 9 - 12 Uhr über die propositiones, die man alle nach dem Maßstab des concilii tridentini abmaß, und da hatten denn viele das rechte Maß nach ihrer Ansicht nicht; das Tridentinum wurde vielmal vorgelesen. Ich wollte sie damit vergleichen, sie wollten es aber nicht gelten lassen, ich auch nicht; die heilige Schrift lag auch da, ich zitierte die Schrift für mich, Sie wider mich; so karteten wir dann gewaltiglich bis zwölf Uhr, und man wusste nicht, wer den Sieg hatte. - Endlich standen wir auf von der Session, und ich fing stehends an, meinen Glauben an Jesum Christum mit Tränen zu bekennen, und bat mir aus, dass sie wenigstens mich, der ich ohnehin bald sterben müsse, in meinem Glauben nicht irre machen sollten, und so auch meine sterbenden Pfarrkinder, denn Alle leisteten wir Gott nur einen unvollkommnen Gehorsam, folglich kämen wir Alle als Sünder aufs Sterbebett, und brauchten Christum nicht bloß als einen Fleck, der nur die Lücken unsers Tuns ausflicken müsste, sondern Ihn ganz mit all seinem Verdienste etc. Mit einem andern Glauben, als mit diesem, getraue ich mich selbst, und meine Pfarrkinder nicht zum guten Tode zuzubereiten. - Dies, und noch viel Anderes, sagte ich unter vielen Tränen. - Jetzt nahm mich der Eine bei der rechten, der Andere bei der linken Hand, und sie trösteten mich, wie die Mutter ein weinend Kind tröstet, sagend: Für mich und meine sterbenden Pfarrkinder dürft’ ich diesen meinen Glauben schon brauchen, und mich und sie beruhigen, aber bei gesunden und lebendigen sei dieser Glaube, öffentlich gepredigt, auffallend, Unruhe erweckend etc.; ich möchte also bei Gelegenheit die Sache deutlicher und unanstößiger dem Volke vortragen usw. - Die Achtung, die sie gegen mich schon vorher hatten, sei durch diese Inquisition nicht nur nicht bei ihnen gefallen, sondern größer geworden - aber vor der Mystik soll ich mich ja hüten, ich möchte sonst in Schwärmereien hineinkommen etc.“ - (Ohe! iam satis est. H)
In Summa: Es zeigte sich, dass sie weder den Vater, weder den Sohn, weder uns, noch den Glauben kennen, in dem wir aus Gnaden stehen. Paulus z.B. meinen sie, rede in seinem Briefen die Römer bloß de lege ceremoniali, und nicht de omni lege mosaica divina et morali. - Aus ists, die Decke liegt noch auf ihnen. Sailern hielten sie für den größten Schwärmer und Phantasten in ganz Deutschland; - das sagten sie mir dreimal ins Gesicht hinein; wie weh mir dies getan haben mag, kannst Du Dir einbilden. O lieber Bruder! Wie ich dir schon lange sagte: Wir haben uns an der Aufklärung dieser Männer grob geirrt - o Christus ist eine zu große Gabe für diese Leute, ihr Mund ist zu klein, ihr Herz zu eng, Er kann nicht in sie hinein, wenn Du und Deinesgleichen ihn nicht hineinlassen, so kommt er bei und in mir und Timotheus [Rechberger] schon wieder aufs weite Feld. - Videbis autem postea. -
Nach diesem grausamen Augsburger Scharmützel kam ich mit zerrissenem Herzen und mit verweinten Augen zu Bertgen auf Mittag, der tröstete mich, wie ein Vater sein Kind tröstet, er fragte und ich erzählte weit und breit das, was da eben vorgegangen sei, - er lachte zu Allem, und sagte: Morgen will ich erst dreinhauen, ich wills herstellen, dass Sie mir nicht geglaubt und gefolgt haben, sondern mehr solchen Schulbuben, wie Brunner und Parzer ist, die bloß ihr schmutziges Interesse zu neuen Klagen wider mich und Sie trieb etc. - Wie es nun heute beim Konsistorio vorgegangen ist, weiß ich nicht - inter alia hab ich mir ausgebeten, dass man uns von Parzer erlöse, welches sie heute dem Konsistorio vorzutragen und zu tun versprachen. Mir kamen diese Leute vor, wie die Schlange im Paradiese, welche nach der Verführung den Fluch bekam, dass sie lauter Staub, Schulstaub, essen und auf dem Bauche kriechen soll. - Sie können also, weil sie nichts Anderes haben, nichts als Staub ins Angesicht des Glaubens werfen; den Glauben selbst können sie nicht stärken, nur schwächen und verdunkeln. - Nach ihnen weiß kein Mensch, ob er des Hasses oder der Liebe wert sei; von Freude und Friede im heiligen Geist weiß kein Mensch was, und wer da wähnt, wisse was, ist ein Phantast, ein Einsiedler und Schwärmer - Alles bleibt sub lege in timore et tremore [unter dem Gesetz in Angst und Zittern] sein Lebenlang, dort nämlich, wo sie noch stehen und seufzen. Das ganze Land müsste renoviert werden, sagten sie, die ganze katholische Religion ginge zu Grunde, die lutherische käme empor, und was wäre das für ein Elend und Jammer! Diese schreckliche Furcht brachte Herrn Brunner und mein Gartenmensch, die jetzt bei ihm droben spinnt, in die armen Konsistorialräte hinein. - Bertgen weiß das Alles wohl, und will uns verteidigen, aber er hat Alles wider uns und sich, es ist eine große Aufgabe, Gott helfe uns und ihm - sonst ists aus; das ganze Land ist wieder voll Geschrei wie 1797. Protestanten und Katholiken wissen und schwätzen davon. In meiner Pfarre selbst ists am ruhigsten, denn 1000 noch wollen gen Linz gehen, und uns wider unsere Kläger verteidigen; denn Alle sehen bei Brunners Klagführung den Schmutz, dass er meine Pfarre kriege. - Bertgen wenigstens sieht es so an, und hat ihn durch Hastlinger schon gewaltiglich waschen und grüßen lassen. So stehen die Sachen am 13. März 1811.
Dein Zobo.
In einem andern Schreiben sagt er: „Den 12. März 1811 wurde über den Begriff vom Glauben (Siehe oben den 5. Lehrsatz nach Hebr. 11,1.) in der Inquisition in Linz gewaltig gehadert, weil die Inquisitoren keine beruhigende Gewissheit des Gnadenstandes gelten lassen wollen, nach dem Tridentinum sess. 6, c. 9. Obschon Augustin sagt: Dicat unusquisque: Sanctus sum. Non est ista superbia elati, sed confessio non ingrati. D. h. Jeder sage frei: Ich bin heilig. Das ist nicht Hoffart eines Aufgeblasenen, sondern das Bekenntnis eines (Begnadigten), der nicht undankbar sein will.“
Das Concililium Tridentium sagt aber canon 16, dass Niemand seines Heils und der Beharrlichkeit bis ans Ende gewiss sein könne, wenn er es nicht durch besondre Offenbarung erfahren, und versichert worden wäre.
Es leugnet und verwirft also nicht den Glauben an die Gewissheit des Gnadenstandes, und sogar an die Beharrlichkeit bis ans Ende nicht, wenn dieses „Wenn“ seine Richtigkeit hat. Es verwirft nur fiduciam vanam et ab omni pietate remotam, sess. 6, c. 9. Und wer wird einen solchen eitlen Wahn nicht verwerfen? Boos und seine Freunde behaupteten nur die Gewissheit des Gnadenstandes, die sich auf besondere spezielle Offenbarung gründet, auf das Zeugnis des göttlichen Geistes, der jedem, lebendig Gläubigen in specie das Zeugnis gibt, dass er ein Kind Gottes ist; der die Liebe Gottes in unsre Herzen ausgießt und den Frieden Gottes im Herzen wirket und erhält, der höher ist, als alle Vernunft. Wer außer und ohne dieses göttliche Zeugnis, welches ja eine spezielle Offenbarung und Versicherung ist, dass uns Gott die Sünde nachgelassen, und zum Kinde und Erben angenommen habe, die Gewissheit des Gnadenstandes glaubt, dessen Glaube oder Zuversicht ist freilich eitel - fiducia vana et ab oni pietate remota - ist Vermessenheit.
Allein, wenn man sich auf diese spezielle Offenbarung oder auf dieses innere göttliche Zeugnis (das Gott von seinem Sohne in uns zeuget l. Joh. 5,9ff.) vor Richtern beruft, die dasselbe nicht selbst an ihren Herzen erfahren haben, so glauben sie es nicht, halten es für Schwärmerei, Phantasie, Betrug oder machen gar eine Ketzerei daraus. Darum besteht man damit vor keinem menschlichen Richterstuhl, sondern muss es sich gefallen lassen, von Menschen verdammt zu werden, wie Christus und seine Apostel.
Folgen der II. Inquisition.
Aus einem Briefe von Boos, im März 1811.
Die nämliche Verfolgung ist auch bei denen in Ap. und E. - H. und H. wurden zwei Tage zuvor von ihrem Superintendenten konstituiert und inquiriert, und mit dem Davonjagen bedroht. - Ihre täglichen Erbauungsstunden wurden ihnen untersagt. Dies Alles bewirkte der unerleuchtete Prediger von Thenning vor seiner Abreise, der mit Eifersucht bemerkte, dass Höchstetter und Heide mehr Jünger hatten, als er. - Siehe da, wie das lebendige Christentum nicht bloß in unserer, sondern sogar in anderen Kirchen seine Feinde hat. - Man nahm mirs übel, dass ich Dir, und durch Dich dem Sailer meine propositiones [Aussagen] zusandte, ich hätte sie dem Ordinariat zusenden sollen, hieß es. - Alle Prediger dürfen und sollen nur predigen, was das Ordinariat will und billigt - wer was Anderes predigt, vagatur extra Ecclesiam [irrt von der Kirche ab]. - Tot darf ich den Glauben heißen, aber ja nicht lebendig. Dies Wort wollte Bertgen anfangs auch nicht hören, jetzt aber lacht und schmäht er über Generalvikars Dummheit, dass er keinen lebendigen Glauben will gelten lassen. - Bernier sei in Rom in indice librorum prohibitorum [auf der Liste der verbotenen Bücher in Rom], ein Hauptschwärmer. - Aus dem Allen wirst Du schon genug ersehen haben, dass das Ordinariat beinah ein bisschen blinder sei in rebus divinis [in den göttlichen Dingen], als jenes in Augsburg, und dass ich also mein meistes Brot in Österreich schon gegessen habe. Gib mir daher Nachricht, wie es denn mit Weigl stehe, ob er noch mit mir permutieren wolle? und ob es ratsam sei, dass ich mich ins Salzburgische begebe. - Timotheus [Rechberger] möchte mit mir gehen, aber sie werden es schwer gestatten. Bertgen will hiervon noch immer nichts hören, und uns schön und sauber machen, wo und wie er nur kann. -
Schon öfter, und auch heut wieder, kamen Bürger und Bauern zu mir, sich selbst antragend, dass sie Alle deren 1000 noch gen Linz gehen, und uns nicht nur verteidigen, sondern sogar postulieren wollten. Bei und unter der Bauerschaft sei keine Seele wider uns. - Wir werden uns aber hüten, dass wir sie zum blinden Konsistorio senden, als welches im Stande wäre, zu sagen: dass wir sie nur lutherisch machten. Dann würden sie freilich Alle von Christo abfallen. Denn lutherisch will kein Mensch sein, werden, [Die Lust dazu wurde erst lange nach der Entfernung des Pfarrer Boos durch die Lästerungen des Herrn Brunner und Anderer erweckt.] oder heißen. Wies nun gehen werde, wird sich zeigen. Durch Herrn Parzer, mein Gartenmensch und Brunner ist das ganze Feuer wider uns aufgebrannt, Gott wird und muss es löschen, wir sinds nicht im Stande. Um Wegnahme Parzers Hab ich das Konsistorium gebeten, und sie haben mirs beinah versprochen; indes stellt sich Parzer, und will nicht weg; denn er will allein Recht und Orthodox sein, und sich nicht strafen lassen.
Denk doch, Bertgen verdross es, dass mich die zwei heiligen Inquisitoren bloß mit dem concilio tridentino plagen und schlagen wollten. - Er nennt es einen Schulquark, - das hätte ich mir nicht zu sagen getraut, er sagte es vor Herzog und mir. Mit Bertgen wäre leicht zu machen, weil sein Geist heller und freier, und mit keinem Schulstaub verdunkelt ist. - Aber die Andern seufzen unter der Sklaverei der Hierarchie und des Schulstaubes, und meinen, die katholische Religion kippe über einen Haufen. Sie sehen unsre Sache für äußerst wichtig an; sie wäre es freilich wohl, aber sie halten sie nur in der Hinsicht für wichtig, weil ihre Menschensatzungen in Gefahr stehen. Unsere Sprache kommt ihnen so fremd und närrisch vor, dass sie meinen, sie hörten was Nagelneues, wir mussten ihnen unsre Worte immer verdolmetschen, z.B. was Christus für und in uns sei und heiße? Was lebendiger Glaube sei? usw.
So eben kommt ein langes strenges Schreiben vom Herrn Generalvikar an mich, worin er mir aufs strengste aufträgt: a. Dass ich den lebendigen Glauben nimmer lebendig, sondern in der Liebe tätig nennen soll. b. Dass ich die Lehre von der Rechtfertigung meinen Pfarrkindern ganz nach der Lehre des Kirchenrats von Trient Kap. VI. u. VII. begreiflich zu machen hätte, c. Dass in diesen Kapiteln vom lebendigen Glauben gar keine Silbe vorkomme etc. d. Dass man nicht begreife, warum ich diesen Artikel so sehr betreibe. e. Dass ich alle Protestanten, besonders die Maria Oberndorfer, von meiner Pfarre verbanne und den Schaden und den Skandal, den sie etwa angerichtet, an meinen Pfarrkindern verbessern und gut mache.f. Dass meinem Begehren, H. Parzer von mir zu nehmen, dermal nicht gewillfahret werden könne, g. Dass man übrigens meine guten Eigenschaften nicht verkenne, und von mir nur noch soviel Gelehrigkeit wünschte, dass ich nicht etwa meinte, wider die heilige Schrift und wider das Gewissen zu handeln, wenn ich durchaus predigte, was das Ordinariat verlange und vorschreibe, etc. - Dass mir dies Schreiben nicht sonderlich gefallen habe, kannst Du Dir leicht vorstellen; sie nehmen und geben nichts Rechtes dafür, sie verlangen, man soll predigen, was sie wollen und nicht, was Christus befohlen und die Apostel geprediget haben. Kurz, weil ichs gesehen und begriffen habe, dass sie in der Finsternis sind, so tun mir all ihre, und ihnen alle meine Reden wehe. Ich gab ihnen eine kurze Antwort, dass ich ihre Aufträge und Befehle nach Möglichkeit befolgen werde, inzwischen werde ich schweigen, leiden und warten bis es Tag werde.
Zugleich ward Timotheus [Rechberger] (den sie als einen hitzigen Kopf mehr fürchten als mich) zu einem gütlichen Verhör mit Prof. Arnet und Bertgen berufen; eben da ich dies schreibe, ist er in Linz und lässt sich verhören und vernehmen - und sieh: heute Nacht halb 12 Uhr kam ein Bote an mein Bett als Erpresser von Leo, von dem Du mir schriebst, dass er mich aufsuche, von E. ausgesandt, mit der Bitte, dass ich aufbrechen und ihn daselbst besuchen solle - allein weil ich krank, und Timotheus zum Verhör sollte, musste ich mich entschuldigen, ich gab aber dem P. H., und dem M., die bei ihm auf mich warten und Alles, was vorging, wissen, den Auftrag, dass sie ihm Alles erzählen sollten. Dieser Leo sprach uns zu, dass wir nichts fürchten sollten. Derselbe Leo sandte uns auch ein Büchlein, Einleitung zum Gottseligen Leben, mit Beantwortung der Frage: Was muss ich tun, dass ich selig werde? ganz aus und nach unserm Herzen. Da steht der lebendige Glaube gleich auf dem ersten Blatt zweimal. Timotheus nahm es mit nach Linz, um es dem Konsistorio als seinen Leitfaden vorlegen zu können. Dieses Büchlein ward erst neulich in Wien bestens rezensiert, und admittiert [zugelassen]. Nun will ich doch sehen, was Timotheus ausrichte? Es war gerade, als ob der Engel des Herrn zu Joseph in der Nacht käme. Der Bote war auch erweckt, er grüßte mich wie ein Engel ins Bett hinein; und brachte mir von einem Engel eine englische Botschaft. Timotheus gab gestern Abend auf die Frage: Bereiten Sie sich gar nicht auf die Inquisition? zur Antwort: Nein, ich verlasse mich ganz allein auf das Wort: Es wird euch in derselben Stunde gegeben werden, was ihr reden sollet. Und siehe, Nachts zwölf Uhr wards gegeben; wir staunten vor Freude. - Leo schrieb selbst: Der Geist ließ mir keine Ruhe, er nötigte mich, Ihnen durch einen Expressen zu schreiben, und dies Büchlein von der Gottseligkeit zu senden.“ Da greift mans wieder mit Händen, dass der droben wisse, was da unten geschehe, wie es zugehe und was man brauche. - Wie hätten denn wir an einen Fremdling gedacht? Wir setzen uns ja gegen ihn dort, wo Du uns nur von ihm schriebst, wir wollten nichts mit ihm zu tun haben. Sieh, so setzt sich der sündhafte Mensch gegen die Gnade und Gabe. - Da ließ uns aber der Herr vorher recht klein zusammen lästern, ließ uns innerlich allen Trost ausgehen, und Püffe vom eignen Herzen geben - und sieh, wo wir recht klein und elend beisammen waren, schickte Er uns Nachts zwölf Uhr den Engel daher, und mit ihm das, was wir vor Gericht reden sollen. - Nun hoffte ich, es soll dem lieben Timotheus gut gehen bei seinem Verhör. Sein erster vorgenommener Gang ist zu Bertgen - sein zweiter zu Prof. Arnel, sein dritter zu Can. Hasileder. - Nun wollen wir sehen, ob er hineinkomme? Es plagt mich zum voraus der Gedanke, sie werden mir ihn wegnehmen, und anders wohin translozieren [versetzen], denn seine Frau Mutter weint Tag und Nacht, weil sie wähnt, in ihrem Alter ihre Stütze an ihm verloren zu haben, indem er jetzt im allgemeinen Konsistorial-Misskredit steht, und also alle Aussicht verliert, dass er einmal Brot bekomme. Diese läuft nun alle Konsistorialräte mit Tränen an, man soll ihn doch bekehren, und von mir, seinem vermeinten seductor [Verführer], wegnehmen, und Alles verspricht ihr Hilfe. Timotheus aber ist entschlossen, eher Vater und Mutter zu verlassen, als seinen Glauben. Weil man weiß, dass nur Bertgen und Arnet noch etwas mit ihm ausrichten können, so steht er heut vor diesen; - die Andern haben alle den Kredit bei ihm verloren, die will er gar nimmer anhören. Bertgen und Herzog haben uns gestern Sonntags besuchen wollen, da kam aber der den Wagen bestellende Brief zu spät an mich, und so blieben sie aus, weil um acht Uhr früh der Wagen nicht eintraf. Dieser Besuch wäre wahrscheinlich tröstlich ausgefallen. Denn wenn Bertgen nichts Tröstliches hat, so kommt er nicht. Sonst sind wir eine Zielscheibe des Widerspruchs. Einige sagen: Der heilige Geist rede aus uns, andere der T. - rede aus uns; wer uns glaube, werde selig, Andere: wer uns glaube, werde verdammt -, und das sagt man weit und breit in allen Landen, quod igitur felix faustumque sit! - Wie klein, wie unansehnlich, wie ängstlich und zitterhaft dieser große Ruhm in unsern Ohren klinge, kannst Du Dir gar nicht vorstellen - und dann sind wir doch auch wieder wie die Löwen. Der, qui vivit, et regnat ad dexteram Dei patris, [der lebt und regiert zur Rechten Gottes, des Vaters] wolle diesen Handel gnädig ausmachen; die Schelle ist nun einmal den Katzen angehängt, aber sie raullen und krallen entsetzlich in allen Landen. Vae nobis, wenn uns der Allmächtige nicht schützt; die liebe Not wird uns treiben und lehren, und weil die Bankzettel alle fast nichtsmehr gelten, so kommen wir auch schön arm und recht apostolisch außer Land, ohne Ehr, ohne Geld und ohne lange Hosen etc. Sieh, wie schön uns der Herr aufputzt; das ist ja vortrefflich, wer’s versteht, wie Du und Dein Zobo.
Aus einem Briefe vom 18 - 23. März.
Den 18. März
Timotheus kam gut, aber doch auch geschwächt im Glauben zurück. Sie schwächten ihn mit lauter guten Worten und Vorstellungen wegen seiner Mutter, künftigen Versorgung etc. Arnet (Prof., nachher Prälat im Kloster St. Florian) begleitete ihn zu Fuß fast bis hierher (Gallneukirchen) und machte ihm tausend reizende Vorstellungen [So viel Mühe gibt sich der T. und die Welt, eine Seele von Christo wegzulocken! Sie haben ihn so lange bearbeitet, bis sie ihn am Ende ganz verwirrt und verrückt machten. Gott aber hat sich seiner wieder erbarmt.]. Bertgen gefiel ihm am besten; denn dieser hatte den Blitz der Gnade im Herzen; er ists allein, der da sieht und uns versteht. Die anderen haben den Blick in die Wunden und auf das Kreuz Jesu nicht. Gott sei Dank, dass er uns doch Bertgen geschenkt hat. „Legen Sie ihnen nur nichts Schriftliches vor, sagt er immer, sie finden nichts, als Ketzereien.“ Timotheus sieht erst jetzt recht ein, dass sie blind sind und ihn nur in die Grube hätten führen wollen. Er erholte sich gleich wieder.
Von H. Leo hören wir, dass er geradewegs zu Dir sei. Sag mir doch von diesem Leo etwas, denn ich sah außer seinen Briefe Nachts 12. Uhr nichts von ihm. Mir aber war er damals ein Engel des Herrn, der uns mit den Büchlein große Freude machte zur rechten Zeit. - Beruhige den S[ailer] und sag ihm nicht, was sie in Linz von ihm alten. Der Bischof und Andere denken wohl besser von ihm. Es liegt auch nichts daran, was die Blinden von der Farbe sagen. - Da kannst Du sehen, wie die hochgelehrte Welt Alle Schwärmer heißt, die nicht so in der Finsternis sitzen, wie sie. Das ist doch entsetzlich, dass die Finsternis; auf dem Leuchter sitzt und das Licht Finsternis heißt. Kein Wunder, dass unser Licht nach Linz musste, ihnen zum Zeugnisse, und uns, dass wir inne würden, wie finster diese verwirrten Sterne sind. Ach wüsste ichs noch nicht!
Den 20. März
Meine Hausleute sind zu dieser Pestzeit, wo nicht ganz abgefallen, doch äußerst schwach im Glauben geworden, dagegen sind viele, viele Andere auferstanden. Christus ist diesen zum Fall, jenen zur Auferstehung. Timotheus grüßt, liebt und bittet Dich um etwas Trost und Stärkung von Dir. Tempus enim pessimum (die schlimmste Zeit). Wir sind wie Schlachtschafe. Alle Tage wissen wir nicht, wenn man uns jagt und schlachtet; indes bau ich Haber, Gerste und allerlei Kräuter, als ob ich noch ernten wollte. Bin nun bald 5 Jahre hier, lang genug! Ich grüße alle Deine Leute, sie sollen frischan glauben, dass sie durch Jesu Tod strafsündenfrei und selig werden, aber dafür sollen sie Ihm frischan gehorsam sein, fromm leben, brav arbeiten und alle guten Werke tun; das ist allein der Beweis, dass sie recht und wahr glauben. Gnade und Friede Christi mit Dir.
Eine Stimme aus der Ferne für Boos.
Sailer an Bertgen.
[Dieses Schreiben darf nicht in dieser Geschichte fehlen, da es das hellste Licht über Boos verbreitet und von einem Manne kommt, der unter allen Zeitgenossen des verfolgten Boos der genaueste Kenner seine Herzens und seines Glaubens, also der kompetenteste Richter in seiner Sache ist.]
Den 10. Mai 1811.
Länger kann ich nicht mehr schweigen. Die Mannhaftigkeit, die Klugheit und die Liebe für das apostolische Christentum, womit Sie unsern hart gequälten Boos in seiner Gewissens- und Glaubens-Angelegenheit aufrecht gehalten haben, hat mich mit so viel Freude, Verehrung und Liebe gegen Sie durchdrungen, dass ich Gott dafür nicht genug danken kann, und gegen Sie selber mein Herz ausgießen muss.
Es gibt Einen heiligen katholischen Glauben, aber dieser katholische Glaube kann 1. mechanisch auswendig gelernt, 2. scholastisch begriffen, 3. im geistlichen Sinn (der Geistige richtet Alles geistig) erfasst werden, d. h. es gibt unter uns Katholiken a) mechanische, b) scholastische, c) geistliche Christen.
Boos ist geistlich-katholischer Christ. Was dem mechanischen Christen Buchstabe, was dem scholastischen Begriff, das ist ihm Geist und Leben, sein Gemüt ist geistlich katholisch; denn er fasst und beurteilt alle Lehren der katholischen Kirche aus dem Gesichtspunkte des Geistes, des innern Lebens, der Innigkeit, der Gottseligkeit. (Was nicht wohltätig auf das Innere wirkt, das ist ihm nichts.) „Darum verketzert ihn der scholastische Begriff, darum fürchtet sich vor ihm der Buchstabe des mechanischen Christentums. Seine Ausdrücke sind dem mechanischen Christen anstößig, und manche mögen nach strenger Form geprüft, auch nicht waagerecht sein. Aber nach dem Geiste geprüft (tiefer durchforscht), sind sie es.
Sagt das Tridentinum, selbst Sess. VI. c. 7. (Sailer führt es wörtlich lateinisch an - ich wills für deutsche Leser deutsch geben.)
1. Der Zweck oder die Absicht der Rechtfertigung ist die Ehre Gottes und Christi und das ewige Leben.
2. Die hervorbringende Ursache ist der barmherzige Gott, der uns umsonst von Sünden abwäscht, heiligt, versiegelt und salbet mit dem versprochenen heiligen Geiste, der das Pfand unseres Erbes ist.
3. Die verdienende Ursache ist der allerheiligste eingeborene Sohn Gottes U. H. Jesus Christus, der, da wir noch Feinde waren, aus übergroßer Liebe durch sein allerheiligstes Leiden am Kreuze uns die Gnade der Rechtfertigung verdiente und seinem himmlischen Vater für uns genug tat.
4. Das Instrument oder Denkmal, wodurch uns diese Rechtfertigung zufließet, ist das Sakrament der Taufe, welches das Sakrament des Glaubens ist.
5. Endlich die Wirkung davon ist die Gerechtigkeit Gottes, nicht womit Gott selbst gerecht ist, sondern womit er uns gerecht macht.
Wenn man diese Worte erwägt, fährt Sailer fort, so sagen sie: Die Rechtfertigung ist das Werk des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes durch die Verdienste Christi, d. h. Gott durch Christus im heiligen Geiste macht gerecht.
Im 8. Kap. sagt der Kirchenrat: Wir sagen, dass wir durch den Glauben gerechtfertigt werden und dies darum: weil der Glaube der Anfang des menschlichen Heils ist, das Fundament und die Wurzel aller Rechtfertigung, ohne welche es unmöglich ist, Gott zu gefallen, und zur Gemeinschaft seiner Kinder zu gelangen. Umsonst aber werden wir gerechtfertigt, weil wir die Gnade der Rechtfertigung durch nichts verdienen können, weder durch den Glauben, noch durch die Werke, die der Rechtfertigung vorhergehen.
Wenn also Boos nach der Inquisition von guten Werken spricht, so muss man noch unterscheiden: a) Betrachtet man diese guten Werke in so fern sie der Mensch aus sich und durch sich vollbringt, so sind sie sicherlich von Selbstsucht befleckt, und haben also vor Gottes Augen keinen bestehenden Wert. b) Betrachtet man aber diese guten Werke in so fern sie der Geist Christi, der in Christo wohnt, in und durch den Menschen vollbringt, so sind sie allerdings in Gott getan, sind köstlich vor Gott, haben einen göttlichen Wert; aber dieser Wert kommt vom Geiste Christi, den der durch Christus beseelte Wille in sich schalten und walten lässt; diese guten Werke sind merita Christi applicata (angewandte Verdienste Christi) selber. [Sed pauci electi - wenige sind auserwählt, sunt bona mixta malis. Sed mala plura bonis. Boos musste doch sagen, dass Gott die faulen Fische hinaus werfen werde.]
Aber auch der frömmste Mensch ist Mensch, und nicht immer lässt er den guten Geist in sich schalten und walten, oft treibt ihn die Selbstsucht, oft ein böser Geist. Es ist also wohlgetan, dass auch der Gerechte oder Gerechtfertigte sich nicht auf seine guten Werke verlässt, nicht darauf baut, denn da baute er auf Etwas, das keine Haltung hätte; aber auf Gott, auf Christus, auf den Geist Christi (den Hüter Israels, der nicht schläft, noch schlummert) bauet er seine Zuversicht, und dieser Bau steht fest. Das ist auch genau die Lehre der Väter. Justus ex fide vivit. Der Gerechte lebt aus dem Glauben. [Darum pflegte Boos zu sagen: Wer mir meinen Glauben angreift, der greift mein Leben an.]
Wenn also Boos vor ein kirchliches Gericht sollte gestellt werden, so kommt es darauf an, was seine Richter für Christen (Katholiken) sind, a) Sind sie mechanische, so werden sie den schuldlosen Boos als Schwärmer verdammen. Sind sie b) scholastische, so werden sie ihn als Ketzer ausrufen. Er ist aber kein Ketzer, weil er den Zusammenhang mit der katholischen Kirche nicht nur nicht zerreißt, sondern vielmehr mit seinem Glauben alle Offenbarungen Gottes, mit seiner Hoffnung alle Verheißungen Gottes, und mit seiner Liebe alle Führungen Gottes umfasst; also ist sein Glaube, seine Liebe, seine Hoffnung wahrhaft katholisch. [Aber die meisten Katholiken sind es nicht.]
Boos ist kein Schwärmer, denn er hält nicht die Werke der Selbstsucht (oder der Einbildung) für Werke des heiligen Geistes, sondern das offenbare Gute, im Glauben und in Liebe, aus und durch Gott gewirkte, was offenbar nach der Schrift der Geist Christi im Menschen wirkt, das schreibt er in dankbarer Demut dem heiligen Geiste zu.
Übrigens wollte ich lieber sterben, als einen Mann, der so viele ausgezeichnete Geistesgaben besitzt, den Gott so wunderbar geleitet, der so viel tausend Menschen zur Buße, zum Glauben, zur Gottseligkeit erweckt, der in Gebet und Demut, in Verfolgung und Leiden, sich als einen treuen Diener Christi erwiesen hat, und dem die weisesten und besten Menschen seiner Zeit die Schuhriemen aufzulösen sich nicht würdig achten, um einiger Ausdrücke willen, die offenbar noch einen orthodoxen Sinn zulassen, und auf die er nicht hartnäckig versessen ist, verdammen.
Ich trete Heuer in mein sechzigstes Jahr, und ich würde zittern, vor Gottes Richterstuhl zu erscheinen, wenn ich vor meinem Tode nicht laut bekennte: Die große Angelegenheit des frommen Boos ist aus Gott!
Denn sie besieht darin:
1. Es ist kein Mensch gerecht (justificatus), der nicht hat den Glauben in Liebe tätig.
2. Es kann aber der Glaube in Liebe nicht tätig werden, solange er selber kein Leben hat.
3. Der Glaube wird aber nur lebendig durch Gott, durch Christus, durch den Geist Christi.
Diese drei Sätze sind 1. rein christlich, 2. rein katholisch, 3. die Hauptsache der Boosischen Angelegenheit.
Alles Übrige ist entweder unbedeutend, oder nach dieser Hauptsache gedolmetscht, unanstößig.
Da nun die Boosische Sache eine wahrhaft gute Sache ist, da jeder Bischof die teuere Pflicht auf sich hat, die gute Sache des Christentums weder dem blinden Eifer mechanischer, noch dem stolzen Eifer scholastischer Christen preiszugeben, sondern auf den Tag des Herrn ungeschwächt zu bewahren; und da Gott Sie zum Werkzeug gewählt hat, die gute Sache zu retten, und zu bewahren; da Sie allein in der ganzen Diözese Boos aus genauerm Übergange kennen, da Sie der Wahrheit, die Ihr Herz einnahm, weiten Raum in Ihrem Innersten gaben, so segne ich Sie dafür, und beschwöre Sie, Alle ihre Klugheit, Mannhaftigkeit und Liebe daran zu wagen, dass der von Christi Geist getriebene Boos auch ferner noch weder in seiner Person, noch in seinem Wirkungskreise angetastet werde. Denn wenn man ihm den Glauben an Christus frei lässt, so wird er die Ausdrücke, die zur Sache nicht gehören, gern auch frei geben.
Ich danke Ihnen, im Namen aller Christen, dass Sie für Boos gesprochen und die Invidiam [Missgunst], die auf ihm liegt, nicht gescheut haben. Gott der Herr wird es Ihnen vergelten. Ich bleibe in ausgezeichneter Verehrung etc.
Michael Sailer, Prof.
Heil dem Manne, der also schreibt und spricht, der der Wahrheit, und dem verkannten und verfolgten Zeugen der Wahrheit, solches öffentliche Zeugnis gibt! Wer sollte ihn nicht lieben? Er wusste Alles vom Anfange an, seit 1796, und früher, kannte Boos als Schüler, als Muster aller Studierenden und dann als Muster aller Seelsorger. Wenn er auch später nicht so laut für ihn sprach, sich seiner nicht mehr anzunehmen schien, so tat er es nicht, weil er voraussah, dass es nicht zur Zeit, nichts getan wäre, was er täte. Achtung und Liebe gegen Boos und seine Sache, über die er sich hier so schön aussprach, kann er nie, auch jetzt noch nicht verloren haben, sondern nimmt sie gewiss mit hinüber, wo Alles klar und offenbar werden wird.
Boos an Herrn Professor Sailer.
Den 27. Mai 1811.
Unendlicher Dank sei Dir, lieber Vater, für das köstliche Schreiben an Bertgen und mich zum voraus, der Herr vergelte Dirs. Bertgen nahm uns gut, sehr gut auf. Auch kams gerade recht; denn der blinde Eifer der Scholastiker verklagte mich de novo [von neuem] beim hochw. Bischofe, der circa vor sechs Wochen statt Domdekan Mayr General-Vikar ward. Bischof würde eine neue Inquisition mit mir vorgenommen haben, aber der durch Deinen Brief gestärkte Bertgen hinderte es ritterlich; inzwischen will der Bischof eine Pfarrvisitation bei mir vornehmen, bei dieser Gelegenheit die Parteien pro und contra vernehmen, und mich dann als katholisch de novo bestätigen, oder als nicht katholisch verwerfen. Um diese Situation werde ich den Bischof gemeinschaftlich mit Bertgen nächstens ersuchen. Denn es haben sich leider zwei Haufen gebildet; Einige sagen: Zobo sei gut; Andere, er sei nicht gut, er sei lutherisch. Da wäre nun mein und Bertgens herzlicher Wunsch und Bitte, dass Du noch vor dieser Visitation ein ähnliches Schreiben an den Bischof ergehen ließest, wie unlängst an Bertgen. Der Bischof schätzt, liebt und ehrt Deine Person und Deine Schriften ganz außerordentlich, ein Wort von Dir, für meine Gewissens- und Glaubensangelegenheit gesprochen, schlägt alle Anklagen der mechanischen und scholastischen Christen über einen Haufen; ists also möglich, so tue mir auch diese Liebe noch, denn ich leide gegenwärtig sehr, sehr an Leib und Seele. Den 23. dieses, habe ich unter dem Beichthören den Blutsturz bekommen, bis auf diese Stunde muss ich Blut husten, und bin sehr entkräftet, vielleicht naht sich mein Ende; auf der andern Seite toben und rasen meine Feinde, und Hetzen meine Pfarrkinder täglich mehr wider mich und meine Glaubenssache auf. Gerade gestern den 26. Mai gab es einen großen Auflauf. Bertgen und Expeditor Herzog besuchten mich, weil sie hörten, dass ich am Blutbrechen gefährlich krank liege. Als nun das Pfarrvolk den Bertgen Messe lesen sah, stürmten bei 300 Pfarrmänner nach seiner Messe den Pfarrhof, und begehrten bei Bertgen Audienz. Bertgen hörte sie an, anfangs mit Zittern, als er aber hörte, dass sie nichts Anderes verlangten, als dass er sich ihres Pfarrers annehmen, und denselben gegen seine und seiner Lehre Feinde schützen und ihnen denselben erhalten soll, so war er froh, und tröstete sie, er werde alles Mögliche tun. Dagegen ist aber auch wieder ein anderer Haufe, der wider diesen Haufen, und wider mich ist, und schreit und tobt; folglich ist eine bischöfliche Visitation, eine neue Inquisition, und endlich ein bischöflicher Spruch notwendig. Ich bete freilich immer: Herr! Geh mit mir nicht ins Gericht! Aber der Herr hat mich elenden Sünder einmal schon berufen, dass ich seinen Namen von einem Richterstuhl zum andern tragen muss. Gern, lieber noch als Moses, wollt ich einen Andern gehen lassen, aber da hilft nichts, ich muss das sechs und fünfzigste mal auch noch gehen. Schwer ist der Gang und durch Blutbrechen entkräftet, brauchte ich einen Simon, und ein Schweißtuch. Si quid potes, adjuva, misertus nostri. [Wenn Du etwas vermagst, erbarme Dich unser und hilf uns.] Deinen schönen, geistvollen Brief an Bertgen, hab ich unter Freudentränen abkopiert, mit Allem, was Du an Bertgen schreibst, bin ich von Herzen einverstanden, so wie Du auch mich, meine Glaubens- und Gewissensangelegenheit von Grund aus verstanden hast. So ists, wie Du sagst, es gibt nur Einen heiligen katholischen Glauben, aber dieser kann 1) mechanisch auswendig gelernt, 2) scholastisch begriffen, und 3) im geistlichen Sinne erfasst werden. In allen diesen drei Klassen war ich ja selber; in meinen Kindestagen war ich lange in der ersten; in meinen Jünglings- und ersten Priestertagen war ich in der zweiten, und erst späterhinaus kam ich durch Gottes Gnade nach vielen innern und äußern Demütigungen in die dritte Klasse, und von da aus kam ich Missverstanden in die vierte der Inquisition und des Exiliums. Was Du dem Bertgen ex Tridentino vorlegst, das Nämliche hab ich bei der letzten Linzer Inquisition ihm und den Übrigen vorgelegt, als meinen Glauben de justificatione. Mit dem Unterschied, den Du mit den guten Werken aus Selbstsucht und aus Gott getan machst, bin ich wieder ganz verstanden, so wie auch, dass die Hauptsache meiner großen Angelegenheit darin bestehe:
1. Es ist kein Mensch gerecht, der nicht hat den Glauben in Liebe tätig.
2. Es kann aber der Glaube nicht in Liebe tätig werden, solange er selber kein Leben hat.
3. Der Glaube wird aber nur lebendig durch Gott, durch Christus, durch den Geist Christi. -
So ist’s, das war und ist meine Hauptsache. Lässt man mir den Glauben an Gott, auf Christus frei, so gebe ich die Ausdrücke, die zur Sache nicht gehören, gern auch frei... Ich bin eben, wo ich dies schreibe, nach einem heftigen Blut- und Wassererbrechen in Ohnmacht gefallen, ich glaubte schon, ich werde sterben. Als ich wieder zur Besinnung kam, fragte ich mein Gewissen, ob ich mich vor Gottes Gericht nicht zu fürchten habe wegen meiner Predigt vom Glauben an Christus, und die Antwort war: Vor dem Gericht Gottes kommst du wegen deiner Christuspredigt leicht und gut durch, aber nicht vor dem Gericht der Menschen. O wie gern wäre ich eben jetzt gestorben!!! Nach dieser Ohnmacht fragte ich mich auch, ob ich mich nicht mit oder ohne Verschulden in eine fremde Manier hineingearbeitet habe? Auch auf diese Frage hatte ich keinen Vorwurf. Sed in hoc non sum justificatus. Die unklugen Ausdrücke, die mir Menschen nicht verzeihen, verzeiht mir Gott und Christus ohne allen Anstand. Ich bin in allen Zweigen der Sünde ein Sünder; aber was die Predigt vom Glauben an Christus betrifft, weiß ich mich keiner andern Sünde schuldig, als dass ich Christum nicht noch ärger geprediget habe; ich glaube und hoffe aber durch Ihn die Vergebung dieser und aller meiner Sünden, und sterbe ruhig, wie ein Kind. Die Gerechtigkeit Christi wird durch den Glauben unsre, meine Gerechtigkeit (juxta Rom. c. 3. v. 22.), und diese Gottesgerechtigkeit kommt durch den Glauben an Jesum Christum in Alle und über Alle, die an Ihn glauben. Auf diese Gerechtigkeit, die ein von Christo uns erworbenes Gut ist, wär ich so eben wieder süß und getrost gestorben, aber diese Gottesgerechtigkeit wird nicht unser durch unser Tun und Leiden, sondern durch Gottes Erbarmen, und unser Glauben daran und nachdem wir einmal umsonst gerecht und heilig sind, wie die Kinder nach der Taufe, so wird der Geist Christi die Sünde in uns kreuzigen und töten, und uns noch gerechter machen. Aber, o mein Gott, wie oft bleibt auch der Gerechte zurück, wie oft sündiget auch der Heilige, zwar nicht durch tägliche Verübung grober Verbrechen, sondern durchs Zurückbleiben im vollkommenen Gehorsam! Daher ist kein vollkommener Gerechter und Heiliger auf Erden, weil in allen Handlungen genau so viel Sünde ist, als Widerwille, oder Schwierigkeit dabei vorhanden ist. Als ich eben in meinem Blut und in meiner Ohnmacht vor dem Throne der Ewigkeit lag, sah ich mich an wie ein ungetauftes Kind, das da kommt mit Nichts und mit Sünden, das aber ruhig glauben konnte, Gott werde sich um Christi willen erbarmen und verschonen. Nur frisch hinüber, dacht ich, wenn ich einst an den Himmel komme, denk ich nicht an gut und fromm, sondern an Christus, an Gottes Erbarmen und Verschonen um Seinetwillen.
Ich habe Dir schon in den ersten Tagen dieses Monats berichtet, dass Joseph Weinhofer vom 2. bis 3. Mai bei mir gewesen, und von des Herrn Gnade ergriffen, erleuchtet und beruhiget worden sei. Gott vergelte Dir diese Adresse. Weinhofer schrieb selbst mit mir an Dich, Du wirst seinen Brief schon haben, oder doch noch bekommen durch H. „Mir ist geholfen, mir ist ein Licht aufgegangen, wenn ich nur gleich sterben könnte!!“ So sagte Weinhofer täglich, so lange er bei uns war. Wir gaben ihm aber keine andere Medizin, als den Glauben an Christus. Bis zu Dir zu reisen, ward ihm zu Linz abgeschlagen. Timotheus und P. sind noch bei mir, das Konsistorium wollte schon Beide entfernen, allein es ging nicht, ersterer will mich verlassen, aber der Herr hinderte es bisher. Bertgen wünschte es gestern wieder sehr, dass Du doch in der Vakanz kämest! Du würdest mit Deiner Gegenwart meinen ganzen Prozess entscheiden. Komm also, Bischof Hohenwart selbst wünscht es sehr. - - Das ganze Konsistorium, sagte Bertgen gestern, ist dermal ein Chaos et non ens, es liebt und versteht Keiner den Andern. O, dass doch dieses Chaos gläubig an Christum und Eins würde!!! Ich küsse Dir nochmal Hände und Füße für Deine übergroße Liebe. Vale et perge amare et tueri
amantissinum tui Zobo et ora pro preccatore aegroto
Gallneukirchen,
den 27. Mai 1811.