Читать книгу Martin Boos, der Prediger der Gerechtigkeit die vor Gott gilt: Sein Selbstbiograph. - Johannes Gossner - Страница 27
Erweckungsgeschichten
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1.
Michel, ein frommer Mann, aber in seinen Augen ein ängstlicher, unruhiger, verdammter Sünder, legte mehr als 30 Generalbeichten ab, wallfahrtete, gab alle Jahre zwei Eimer Most, 2 Metzen Korn [1 Metzen - ca. 75 Liter] und ein halbes Schwein den Armen, bezahlte Predigten, nahm uneheliche Kinder an, ließ sie erziehen, Alles, in der Absicht, um sein ängstliches Wesen zu entfernen, - doch vergebens. Es krepierten ihm seine Schweine oder wurden ihm gestohlen, sein Korn und Obst verdarb durch den Reif, so dass er weder für sich, noch für die angenommenen Kinder und Armen Etwas hatte. Da ward Michel stutzig, verwirrt und sprach: Was ist das? Ich gebe Gott von Allem, was er mir gibt, den Zehnten, in seinen Armen, und doch nimmt er mir nun Alles! In dieser Verwirrung ging er nun zum Pfarrer und fing an: Es ist mir, als hätte Gott an meinen guten Werken nie ein Wohlgefallen gehabt, oder als wären meine guten Werke nicht gut; es ist gerade, als ob ich der Kain wäre, dessen Opfer Gott auch nicht gefiel. Pfarrer: Warum denn das? Michel: Weil mir heuer der Streich widerfuhr: was ich sonst den Armen gab, hat mir heuer teils der Dieb, teils der Schinder, teils der Reif so ganz geholt, dass ich anderen nichts geben kann, und selbst nichts mehr habe. - -
Der Pfarrer musste Anfangs lachen - aber der ängstliche, traurige Michel, dauerte ihn und er antwortete:
Sieh, Michel, die guten Werke, die Du tatest, waren an sich recht und löblich, aber wenn Du diese guten Werke getan hast, um Dir die vor Gott geltende Gerechtigkeit oder den Himmel straksweg zu verdienen, so dass Du bloß um Deiner Werke willen und nicht umsonst und aus Gnaden, durch den Glauben an Christus, gerecht und selig werden willst, so ist’s kein Wunder, dass Dir heuer die guten Werke teils der Dieb, teils der Schinder, teils der Reif geholt hat.
Bei dieser Rede machte Michel große Augen und sagte: Ja soll man sich denn diese Dinge nicht durch gute Werke verdienen können?
Der Pfarrer: Nein, diese großen Dinge, Ablass der Sünden, Gnade und ewiges Leben, erhalten wir durch den Glauben an Jesus Christus ganz umsonst und aus Gnade. Diese Dinge hat uns Christus durch seinen schweren Gang zum Vater, durch seinen Gehorsam bis zum Kreuzestod verdient. Wer dieses durch den heiligen Geist lebendig glaubt, der kriegts und hats; wers nicht glaubt, hats nicht, kriegts nicht, wenn er auch alle Jahre, wie Du, den Armen ein Schwein, 1 Fass Most und 2 Metzen Korn gibt.
Denk nur, Michel! Wie sollte man sich denn die großen Dinge, Vergebung der Sünde, Himmel und ewiges Leben, um eine Sau, um ein Fass Most und 2 Metzen Korn kaufen können? Da kämen ja nur die Reichen in den Himmel, und die armen Schlucker müssten draußen bleiben.
Michel: Aber helfen denn die guten Werke gar nichts?
Pfarrer: Sie helfen schon etwas, z.B. im Glauben und In der Gnade Gottes getan, bereiten sie uns, wie den Hauptmann Cornelius, dass wir zur Vergebung und Rechtfertigung, zur rechten Erkenntnis Christi kommen. Aber durch all unsere guten Werke, die der Rechtfertigung vorangehen, können wir uns doch die Gnade der Rechtfertigung nicht verdienen. Denn diese Gnade wird uns durch den Glauben an Christus umsonst und aus bloßer Gnade, um Christi willen, geschenkt, und dies darum, damit Gott und Christo allein die Ehre zufalle, und nicht uns. Denn wäre Abraham oder Michel durch seine Werke gerecht geworden, so gebührte die Ehre Abraham und Michel, und nicht Gott; hat aber Abraham und Michel etc. Röm. 4,2.
Michel staunte und stutze noch über diese Rede, er begriff nicht, was da gesagt war; diese Reden waren ihm verborgen, ja verdächtig.
Jetzt nahm ich das Neue Testament, und sagte: Glaubst Du, dass dies Gottes Wort, also Wahrheit sei?
Michel: Ja, das glaub’ ich.
Pfarrer: Nun sieh und höre, ob nicht Christus und seine Apostel auch so sagen. - Ich las ihm: Joh. 3,16. 6,40. Röm. 3,20. - Gal. 2,16 Tit. 3,5. Das Alles wollte den ängstlichen Michel noch nicht beruhigen, endlich kam ich über die Stelle Röm. 5,18. - Diese öffnete dem blinden Michel die Augen auf einmal. So, sagte er, so täten wir also die vor Gott geltende Gerechtigkeit eben so erben, wie wir die Sünde und Ungerechtigkeit von Adam erbten?
Pfarrer: Ja, Michel, so ists.
Michel: Jetzt versteh ich’s.
Pfarrer: Glaubst Du nun, dass es sich so verhalte?
Michel: Ja, ich glaubs.
Pfarrer: Bist Du froh, dass Du das ewige Leben nimmer mit einem Schwein, 2. Metzen Korn und einem Fass Most kaufen und knechtisch abverdienen musst und darfst?
Michel: Ja freilich! Das ist ein Glück, dass ich dies heute eingesehen habe. Wäre ich doch früher gekommen! Jetzt ist mir geholfen; alle Angst ist weg; mir ist so wohl im Herzen usw. Gott sei Lob und Dank!
Pfarrer: Aber Michel, damit Du nicht etwa meinst, ich verwerfe die guten Werke, weil ich die Seligkeit dem Glauben zuschreibe, so sag ich Dir: sei Du jetzt so fleißig in guten Werken, als vorhin usw.
Von nun an war und blieb Michel frei von aller knechtischen Furcht, Angst und Unruhe, und wie er öfters sagte, unaussprechlich froh, selig und vergnügt. Auch zur Zeit des Glaubenssturmes blieb er fest und ruhig. Bald nach seiner Erweckung kam er und bat sich so ein Buch aus, wo das vom Glauben so schön D’rin stände, d. h. das Neue Testament. Ich gab ihm eins, und er las fleißig darin.
2.
Magdalene, eine Witwe, voll guter Werke, aber immer unruhig und ängstlich, stiftete Altartücher und andere Bekleidungen, fürchtete aber Tod, Teufel und Hölle ganz entsetzlich. Ach! wie wirds mir einmal gehen, wenn ich sterben soll?! seufzte sie öfter. Auf einmal wollte es mit ihrem Beten und Beichten nimmer recht gehen. Vor der Beichte standen ihr ihre Sünden wie Berge vor den Augen; aber wenns zum Beichten kam, konnte sie keine hervorbringen. Sie weinte bitterlich und sagte: Es ist ganz aus mit mir, ich bin und kann nichts mehr.
Endlich ward sie auch über ihren Beichtvater, den Pfarrer, aufgebracht und verklagte ihn bei einem andern alten Beichtvater, dass er alle Kirchenstiftungen und guten Werke verwerfe, weil er ihr öfter sagte: Du selbstgerechtes Ding Du, willst Dich immer selbst gerecht machen!
An Mariä Geburt 1810 aber gefiel es Gott, ihr die Augen zu öffnen, es war ihr, als ob die ganze Frühlehre für sie ganz allein wäre. Er meint ja mich, sagte sie zu sich selbst, und beugte sich vor Scham und Betroffenheit tief in den Stuhl hinab.
Nach der Frühlehre kam sie zum Pfarrer in den Beichtstuhl, noch voll Angst und Verwirrung, aber Herz und Zunge war heute gelöst. Was sie bisher nie zu beichten wagte, musste nun heraus, denn es ging auf Leben und Tod. Alle Falten und Winkel des Herzens waren aufgeschlossen, ein Tränenstrom floss. Der Pfarrer tröstete sie mit dem Glauben an Christus und sein Evangelium. Da haben wir ja die Magdalena, sprach er, glaube, bloß dass Christus auch für Deine Sünden gestorben sei, und genug getan habe, und dass er sie Dir schenken wolle, mit Allem, was er ist und hat. Tu den Mund auf und das Herz, und nimms als ein himmlisches Almosen an. Lass Dir diesen großen Brocken nicht zu groß sein, denn Gott gibt mehr, als ein Mensch fassen kann. Heute verstand sie Alles, glaubte Alles weg. Und sieh, es war ihr geholfen. Unaussprechlich war von diesem Tage an ihre Ruhe, Freude und Friede. Alle Angst und Skrupel waren weg. Sie liest beständig im N.T., kaufte 14 Exemplare desselben und teilte sie unter ihre Verwandte aus, mit dem heißesten Gebet, dass das Reich Gottes in ihre Herzen kommen möchte, wie in ihr eigenes.
Auch ließ sie sich durch Lügen und Lästerungen, Kommissionen und Inquisitionen nicht irre machen. Es steht ja so, sagte sie, dass wir durch viele Trübsale ins Reich Gottes ein- und darin fortgehen müssen. Sie trank den Kelch, als er ihr zu teil ward mit sichtbarer Freudigkeit. (Sie starb 1816 selig und so erbaulich, dass sich die Zeugen ihres Heimganges nicht genug verwundern und freuen konnten. Himmelsluft umwehte sie Alle an ihrem Sterbebette. Sie ließ allen Gläubigen zum Abschiedsgruße sagen: Selig bist Du, dass Du geglaubt hast, denn es wird Alles. etc.
3.
Eine Kohle zündet die andere an. Die Vorige brachte bald ihre Schwester mit ihrem Kinde zum Pfarrer, diese sah überaus betrübt und traurig aus, das Kind und die Magdalene voll Heiterkeit, wie Engel Gottes, neben ihr: Ei! sagte der Pfarrer, als er sie das erste mal sah, was machst Du noch für ein ungläubiges, finsteres Gesicht? Sieh Dein fünfjähriges Kind und Deine Schwester an, wie diese so heiter und fröhlich sehen! Und Du bist so finster - daran ist Dein Unglaube schuld. Es kann wohl sein! sagte sie und zitterte dabei an Händen und Füßen.
Der Pfarrer wollte sie besser zu sich selbst kommen lassen, und wandte sich zu ihrem fröhlichen Kinde:
Pfarrer: Wie heißt Du? Antwort: Clarl. (d. h. Clara)
Pfarrer: Wer hat Dich erschaffen? Clara: Gott Vater.
Pfarrer: Wer hat Dich erlöst? Clara: Gott Sohn.
Pfarrer: Wer hat Dich geheiligt? Antwort: Der heilige Geist.
Pfarrer: Bist Du also heilig? Das Kind: Ja, ich bin heilig, - und lachte.
Pfarrer: Hast Du die Heiligkeit erkauft, verdient, oder hat sie Dir der heilige Geist geschenkt?
Das Kind: Der heilige Geist hat sie mir geschenkt.
Jetzt weinte die Mutter. Der Pfarrer sagte zu dem immer heiteren Kinde: Sieh, Deine Mutter weint, hat sie denn der heilige Geist nicht auch geheiligt? Ja! antwortete das Kind.
Pfarrer: Hat sie denn Gott Sohn nicht auch erlöst, wie Dich? Ja, sagte das Kind, frisch weg. Aber sieh, fuhr der Pfarrer fort, DeineMutter glaubts nicht, darum weint sie und ist so traurig; Du aber glaubsts, darum bist Du fröhlich. Das Kind lachte immer mehr. Clarl, fuhr der Pfarrer fort: wer hat Dirs denn gelehrt, dass Dich Gott Sohn erlöst und der heilige Geist geheiligt hat? Antwort: Meine Mutter.
Pfarrer: Glaubst Du Deiner Mutter? Clara: Ja, ich glaubs ihr. Bravo! Aber sieh, wenn Deine Mutter so von Herzen glauben könnte, wie Du, dass sie Gottes Sohn von Sünden erlösen, und der heilige Geist, wie Dich, umsonst heiligen wolle, so wäre sie auch fröhlich, wie Du. Das Lamm Gottes nähme all ihre Sünden von ihr, wie von Dir - denn Gott reinigt unsere Herzen durch den Glauben. Apg. 15,9. So hat Gott die sündige, hoffärtige, geizige, wollüstige, zornige etc. Welt geliebt, dass Er ihn etc. Joh. 3,16. - Wenn nur die in den Himmel kämen, die den Willen Gottes ganz und vollkommen erfüllen, so käme kein Mensch hinein, denn kein einziger erfüllt ihn ganz und vollkommen - folglich würde Alles verdammt. Da ist nun kein anderes Mittel, als Buße tun und glauben an Christus; denn das ist der Wille des Vaters etc. Joh. 6,40.
Die Sünderin bei den Füßen Jesu hatte früher den Willen des Vaters nicht erfüllt, aber sie sah den Sohn und glaubte an ihn, und der Sohn sprach zu ihr: Weib, geh hin in Frieden, deine Sünden sind dir vergeben, dein Glaube hat dir geholfen. So der Mörder am Kreuze, so Zachäus etc.
Auf diese Rede wurde die weinende Mutter auf einmal ruhig, heiter, selig; sie sprach das Wort: Jetzt glaube ich, dass Gott auch mir verzeihe! sprachs mit Mark und Bein durchdringender Stimme und Empfindung aus; sie weinte wohl auch noch, aber vor Freude, Liebe und Dank.
Sie ging ruhig, getrost, selig heim, kam bald fröhlich eintretend wieder und sagte, sie könne ihre Freude, Seligkeit und Dankbarkeit über ihren lebendigen Glauben nicht genug ausdrücken - und ganze Nachte nicht schlafen; jetzt wisse sie erst, was es heiße, lebendig glauben etc. Ach wie blind bin ich gewesen!
Ihr Glaube wurde seit vielen Jahren verschieden angefochten, selbst von den Hohenpriestern, aber er hielt immer standhaft aus.
4.
Die Klambäuerin [Anna Klambäuerin] stand öfters schon vor der Türe des Pfarrers, um diesem ihr Herz auszuschütten, aber eine gewisse Furcht jagte sie wieder die Treppe hinab. Endlich hatte sie Mut gefasst, ging zu ihm und dankte unter Tränen für alle Predigten. Der Pfarrer, der sie aus dem Beichtstuhl kannte, dass sie noch ängstlich und unruhig im Gewissen sei, sagte ihrs frei ins Gesicht: Klambäuerin! Ob Du schon meine Predigten vom Glauben an Christus gern hörst, und heute Dich dafür bedankst, so fürchte ich doch, Du glaubst noch nicht recht, was ich predige.
Sie: O ich glaube Alles, was Sie predigen.
Pfarrer: Ich zweifle daran. Sieh, an Deiner Unruhe, Deiner Angst, die Du über Deine Sünden im Herzen herumträgst, erkenne ich, dass noch Unglaube in Dir stecke, und Du es noch nicht ganz erglauben kannst, dass Gott auch Dir um Christi willen Deine Sünden vergeben und Dir seinen heiligen Geist ins Herz schenken wolle.
Jetzt sing sie an zu weinen und sagte: Ja es fehlt freilich, noch bei mir; ich bin einmal eine zu große Sünderin, es ist nicht möglich, dass mir Gott Alles verzeihe.
Pfarrer: Klambäuerin! Ich bin ein größerer Sünder, als Du; ist es aber Gott möglich gewesen, mir zu verzeihen, der Sünderin bei Jesu Füßen, der beim Jakobsbrunnen, Petrus und Paulus, dem Mörder etc.: so wirds ihm auch möglich sein, Dir zu vergeben. Sieh, wie Du Gott eben jetzt mit Deinem Unglauben beleidigst! Schäme Dich, dass Du vor mir, Deinem Pfarrer, in meinem Zimmer hier, so sündigst! [Den speziellen Unglauben, dass Gott ihnen ihre Sünden vergeben könne, halten die meisten Sünder nicht für Sünde, sondern gar für Tugend und Demut. Sie wissen nicht, dass man Gott durch Glauben ehre, durch Misstrauen und Unglauben entehre. Darum sagen sie beim Anfang ihrer Bekehrung Alle gleich: Es ist nicht möglich, dass mir Gott verzeihe, ich habs zu arg gemacht. Alle Bekehrungen fangen mit diesem ungläubigen Kommen an. Daher ists nötig, dass man ihnen eben diesen Unglauben und Zweifel als eine große Sünde zeigt.]
Sie weinte immer ärger und konnte vor Weinen nicht antworten. Sie erschrak und getraute sich nicht mehr zu sagen, dass sie eine zu große Sünderin, und dass es Gott unmöglich sei, ihr zu verzeihen. Jetzt überwies sie der Pfarrer aus vielen Schriftstellen, dass Gott die größten Sünder durch Glauben an Jesum begnadige, dass man die Gerechtigkeit nicht durch Werke, sondern durch den Glauben erlange und erbe, dass hier kein Unterschied sei zwischen einer Bäuerin und einem Pfarrer und Mörder. Röm. 3,22. 26.
Darum sei so gut, Klambäurin! fuhr er fort, und lass Dir auch einmal ein recht großes Almosen geben für die vielen Almosen, die Du den Armen und meinen Kaplänen gibst, die bei Dir zu Mittag essen, wenn sie einen weiten Speisgang haben. - Sieh, ich sage Dir, Gott, der himmlische Vater, hat Dich so lieb, dass Dir nicht bloß ein Fass voll Geld, nicht bloß Himmel und Erde, sondern noch etwas Größeres, seinen Eingebornen mit all seiner Gerechtigkeit und Heiligkeit, als ein Almosen zum Eigentum schenken will. Auch will er Dir alle Deine Sünden auf der Stelle vergeben, und Du darfst vor der Hand nichts tun, als glauben, nichts tun, als den Sack, die Hände, das Herz, den Mund und die Ohren auftun, und das große Almosen annehmen. Glaubst Du das? -
Unter einem Strom von Tränen antwortete sie mit lauter Stimme: Ich kann nicht mehr anders, ich muss glauben.
Selig bist Du, sprach der Pfarrer, weil Du nun nicht anders kannst. Geh hin in Frieden, Deine Sünden sind Dir vergeben; Dein: „Ich muss glauben“ hat Dir geholfen.
Sie: Ja jetzt kann ich noch nicht gehen; mir ist so wohl, als wenn ich im Himmel wäre; wenn Sie’s erlauben, so bleib ich noch länger da. So ist mir mein Lebtag nie gewesen. Und sie blieb bis zum Abend im Hause und trug den Frieden Gottes mit sich fort, der über alle Vernunft geht.
Aber nach 3 Tagen kam sie wieder verzagt daher, weinte und sagte: Ach, ich habe meinen Frieden verloren! Aus ists mit mir; ich werde kaum selig werden.
Pfarrer: Warum denn nicht?
Sie: Ach, weil ich eine Bäuerin, Wirtin, ein Weib von einem betrunkenen Manne und eine Mutter von vielen Kindern bin. Ich habe der Anfechtungen, Zerstreuungen und Geschäfte zu viele, bei mir tuts nicht. -
Der Pfarrer lachte und sagte: Jetzt bin ich gewiss, dass Dein Glaube vor drei Tagen der rechte und wahre gewesen ist, weil er schon so heftig angefochten wird. Nur, frisch daran! Lass den Mut nicht sinken. Wenn man nicht in allen Ständen an Jesum glauben, und in ihm leben und selig werden könnte, hätte Jesus nie befehlen können, dass man das Evangelium allen Kreaturen predigen sollte; er hätte ausdrücklich sagen müssen: Nur den Braumeisterleuten nicht; nur den Wirtsleuten nicht; nur den Weibern nicht, die einen versoffenen Mann, viele Kinder und Gäste haben; denen predigt es nicht; die können nicht glauben, haben nicht Zeit zum selig werden. Dies hat aber Jesus nicht gesagt. Also nur frisch daran, frisch angefangen, Stand gehalten, und gerufen: Zurück Satan!
Sie: Nun so müsste ich denn noch einmal anfangen. Ich Hab schon gedacht, es sei bei mir nicht möglich. Und sie ging wieder mit dem vorigen Frieden Gottes heim. Nun äußerte sie öfters den Wunsch, wenn sie nur ihren Mann, ihre Kinder und Wirtschaft verlassen und mit diesem Glauben in Friede in eine Einöde oder in ein Stübchen ziehen dürfte.
Nicht doch! sagte der Pfarrer, bleib Du, wo Du bist, wohin dich Gott berufen hat. Mitten in der Welt haben die Apostel und ersten Christen ihren Glauben, ihre Liebe und inneren Frieden erhalten, und sie waren Menschen, wie ich und Du. - So ging sie jedesmal wieder frisch und fröhlich ihre Wege und glaubte immer fort. Selbst selig im Glauben, suchte sie auch Andere zu beseligen. Bei ihrer Dienstmagd und ihren Töchtern, bei ihrer Schwester und etlichen Nachbarinnen gelang es ihr wirklich. Im Jahre 1814 starb ihr Mann; da hätte sie sich ins Stübchen setzen können. Doch nein! sagte sie, ich habe nun schon 5 Jahre bei der Wirtschaft in meinem Glauben selig gelebt, meine Kinder sind noch klein, ich erziehe sie zu Christen, und Gott wird mein Mann und meiner Kinder Vater sein. Mulierem tam fortem quis inveniet? Sprich. 31,10.
Nachher war sie nicht mehr so allgemein beliebt wie vorher; sie hatte viele Feinde, ohne dass sie wusste, warum. Kein Abel ohne Kain. Christ sein und ohne Ursache gehasst sein, gehört zusammen. Frisch fort!
5.
Der Löffelmacher lachte mir, als ich ihm das heilige Abendmahl brachte, totenblass und beide Arme nach mir ausstreckend aus dem Bette entgegen. Nun, das ist recht, sagte ich, dass Du den großen Gast, Jesum, den ich dir bringe, wie Zachäus, mit Freuden und beiden Händen in Dein Herz aufzunehmen bereit bist. Da wollen wir gar bald vor Gott gerecht und selig werden. Jetzt weinte er und sagte: Ja, Jesum will ich; wenn meine Augen den gesehen haben, will ich gern sterben, wie Simeon.
Pfarrer: Löffelmacher! Wenn wir ihn haben, sterben wir gar nicht. Denn Er sagt: ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der stirbt nicht. etc.
Er: Ja das glaub’ ich auch - aber Sünden habe ich mehr, als ich mein Lebtag Löffel gemacht habe.
Pfarrer: Selig bist Du, dass Du’s erkennst, bereust Und bekennst. Denn Christus, das Lamm Gottes, nimmt sie Dir alle weg und mit fort; denn er nimmt hinweg die Sünden der ganzen Welt, und weil der Löffelmacher auch ein Stücklein von der Welt ist, so nimmt er auch des Löffelmachers Sünden weg, sei es, dass ihre Zahl die der Löffel übersteigt, so übersteigen sie doch die Zahl der Sandkörner am Meer nicht, und sollten sie auch dies, so ist noch Barmherzigkeit und Gnade da. Wir sind allzumal nichts nütze, Keiner ist gerecht vor Gott. Röm. 3,10. Aber wer Buße tut und glaubt an den Herrn Jesum, der ist auf der Stelle gerecht und selig. Röm. 10,10. Christus macht den barmherzigen Samariter an uns Allen, er trifft uns ausgezogen, nackt und bloß, voll Blut und Wunden, voll Sünde und Laster an der Straße dieser Welt liegend an - voll Mitleid und Erbarmen geht Er zu uns hin, wäscht unsre Wunden aus, gießt Öl und Wein hinein, verbindet uns, nimmt uns auf sein Lasttier, bringt uns in die Herberge der Rechtgläubigen, übergibt uns dem Wirt, dem Pfarrer, mit dem Auftrage: Sorge für ihn - kommt wieder und trägt uns zuletzt in den Himmel.
Der Löffelmacher weinte und sagte: Ja wahrhaftig, ich bin wohl ein Mensch, der unter die Mörder fiel und jetzt voll Wunden da liegt, aber ich hoffe zu Gott, dass er sich meiner erbarme!
Zeige mir nur Deine Wunden, sagte der Pfarrer, im Namen Jesu heile ich sie Dir alle zu. Jetzt fing er an mit vielen Tränen aufrichtig zu beichten, war aber so voll Zuversicht, dass ihm Gott seine Sünden vergebe, dass er keines weitern Trostes mehr bedurfte.
Acht Tage lang ging ich täglich zu ihm, nicht um ihn zu trösten, sondern um bei ihm Glauben und Trost für mich zu holen. Denn er war voll Trost, er tröstete sein Weib, seine Kinder, Schwester, Nachbarn so, dass Alles um sein Krankenbett sein wollte. Nach acht Tagen kamen Anfechtungen (wie gewöhnlich, wenn der Kranke gar so außerordentliche Tröstungen hatte). Jetzt musste der Pfarrer ihn trösten. Dies dauerte auch acht Tage. Die letzten drei Tage aber blieb er ruhig und bis ans Ende voll Zuversicht, Liebe und Trost. Alles sagte: Ach, wenn ich nur sterben könnte, wie der Löffelmacher!
6.
Ein Mann hatte das Unglück, dass er drei Tage vor seinem Tode einen Ehebruch beging. Als der Pfarrer in sein Sterbezimmer trat, sprach er finster drein sehend: Ich werde wohl verdammt werden? Pfarrer: Warum das? Er: Ach, ich bin so ein alter Mann, und habe erst vor drei Tagen die Ehe gebrochen, und es heißt ja, weder die Hurer, noch die Ehebrecher werden in den Himmel kommen.
Pfarrer: Ich habe Mitleiden mit Dir, mit Deinem Fall und Unglück, aber verdammt darfst Du deswegen nicht werden. Nur die unbußfertigen Ehebrecher können ohne Buße und Glauben nicht in den Himmel kommen, aber die Bußfertigen, die Erschrocknen, die ihre Zuflucht zu Jesus nehmen, kommen hinein. Denk nur an David; er war Ehebrecher und Mörder zugleich, und doch sitzt er mit Tausenden seines Gleichen im Himmel. Denk an alle Heiden, die Christen wurden; sie begingen diese und noch abscheulichere Sünden, und doch sagt Paulus: Ihr seid abgewaschen, gereinigt durch den Namen Jesu Christi 1.Kor. 6,11. Verzage also nicht, Du triffst viel tausend Ehebrecher im Himmel an; ja ich möchte sagen, es ist fast kein Heiliger im Himmel, der (nach Jesu Worten Matth. 5,28.) nicht wenigstens innerlich vor Gott ein Ehebrecher war, der nicht ein Weib begehrend angesehen hat; warum solltest Du gerade allein verdammt werden? Richte Dich auf, fasse Mut! Sieh, Jesus, der die Ehebrecherin Joh. 8., welche die Juden steinigen wollten, vom Tode lossprach, ist eben jetzt in Deinem Hause da (durchs Abendmahl), nicht um Dich zu verdammen, sondern selig zu machen. [Die Einwendungen, die Freunde und Feinde über diese und ähnliche schnelle Bekehrungen machten, hat Boos selbst in einem seiner Briefe widerlegt.]
Jetzt richtete der Mann sich in seinem Bette auf, weinte, dankte und freute sich unaussprechlich, und starb noch denselben Tag ruhig und getrost. Sein Weib sagte: wenn ich sterbe, müssen Sie auch zu mir kommen: mein Mann wird auf einmal ganz anders. O Weib! sagte der Pfarrer, wenn nur ich komme, so ist Dir nicht geholfen; bete, dass Christus zu Dir komme, und tue ihm auf, wenn er kommt, wie dein Mann, dann ist Dir geholfen.
7.
Eine ledige Magd lebte von Kindheit an fromm, abgesondert von aller Welt; ihre Freude war Beten, Lesen, Hören, Beichten, Kommunizieren; nie hielt sie es mit der lustigen Welt, und doch war sie stets ängstlich, traurig, niedergeschlagen, überaus sündig in ihren Augen, ihre Hauptversuchungen innerliche Anfechtungen von unreinen Gedanken. Dieser Satanas schlug und plagte sie Tag und Nacht; sie konnte ihn mit und durch Nichts vertreiben; es brannte stets wie ein wildes Feuer in ihr, obschon sie von Außen nicht den geringsten Anlass gab; denn sie sah keinen Menschen an, schlug die Augen immer nieder oder hielt sie gar zu, ließ sich nie in eine Bekanntschaft oder Liebschaft ein, war die eingezogenste, frömmste, keuscheste, unschuldigste Jungfrau; man sah sie nie lachen, hörte sie ohne Not kein Wort reden; sie hatte vom Kopfhängen einen krummen Hals bekommen.
Zu dieser sagte der Pfarrer einmal: Dein krummer Hals, deine beständige tiefe Traurigkeit kommt nach meiner Einsicht bloß von Deinem Unglauben. „Ich meine ja doch nicht,“ sagte sie. Pfarrer: Aber ich meine ja doch. Sag mir aufrichtig: Du meinst sicherlich, Du müssest Dich selbst gerecht beten, beichten, fasten, kommunizieren; und ich sage Dir, das wirst Du nie zuwege bringen, sondern Du musst durch den Glauben an Jesum Christum gerecht und selig werden. Wie Dir Adam die Erbsünde im alten Testamente vermacht hat, und alle an dieser Sünde klebende Wehen und Strafen, so hat Dir der zweite Adam, Christus, alle seine Gerechtigkeit und Verdienste wie ein Erbteil vermacht. Wenn Du dieser seiner vor Gott allein geltenden Gerechtigkeit teilhaftig werden willst, so musst Du glauben, dass es so sei, wie ich Dir sage, musst dreist zugreifen und nehmen, das Vertrauen nimmer aufDich und Deine befleckte Heiligkeit setzen, sondern allein auf Ihn. Wenn Du Dies glauben kannst, so wirst Du Ruhe und Friede in Deiner Seele haben; Dein krummer Hals wird gerade werden, Deine zugedrückten Augen werden sich öffnen, Dein Mund wird einmal lachen usw.
Auf diese Reden sah sie den Pfarrer das erste mal freundlich an, fing das erste mal an zu lächeln, und sah heiter drein.
Pfarrer: Nun, das wäre einmal ein anderes, fast gläubiges Gesicht. Glaubst du also, was ich Dir sagte?
Sie: Sie wissen, dass ich schon seit vier und ein halb Jahr auf Niemand mehr Vertrauen setze, als auf Sie. Ich glaube Alles, was Sie mir sagen; Ich wollte mich selbst gerecht beten, beichten etc., habs aber nie zu Stande gebracht. Aber wie froh bin ich, wenn, wie Sie mir sagen, ich die vor Gott geltende Gerechtigkeit von Christo erben, und nur im Glauben nehmen darf. Jetzt ist, mir geholfen; jetzt will ich gern lachen. Das habe ich nie so recht verstanden.
Und von dieser Stunde an war diese aller-traurigste Seele die aller-fröhlichste; der nachmalige Lästersturm über den Pfarrer schadete ihr am wenigsten; sie ist und bleibt fest in ihrem durch viele, und nach vielen Ängsten und Leiden erprobten Glauben. Sie ist unter Allen die standhafteste, fröhlichste, heiterste Verehrerin und Bekennerin Jesu Christi. Sie hat den Glauben in der Schule des heiligen Geistes nach vielen Leiden und Demütigungen aller Art gelernt. Ihresgleichen sind noch Viele, die ich der Kürze wegen übergehe. Nur muss ich noch bemerken, dass dieselbe zwei und eine halbe Stunde weit in die Kirche zu gehen hat, und doch alle Sonntage die Erste beim Beichtstuhle steht. Sie dient einem alten 90-jährigen Manne. Ich halte sie für die seligste und unschuldigste Person in der ganzen Pfarre; sie hält sich aber für die größte Sünderin, jetzt aber auch für eine Begnadigte.
6.
Sepl, ein Einfüßiger, lediger Mensch, ein Müller, wohl belesen in der Schrift, die er den ganzen Tag in Folio auf dem Tisch oder Fensterbrett neben sich liegen hat, und worin er bis es in der Mühle schellt und leer geht, fleißig liest. Als ihn der Pfarrer einmal in der Bibel lesend fand, fragte er ihn: Verstehst Du auch, was Du liest?
Sepl: Ja, da Hab ich gerade Etwas, worüber ich schon lange kopfe, und wozu ich einen Philippus, einen Ausleger, brauchte.
Pfarrer: Was denn?
Sepl: Das hier, Gal. 1,10f.
Pfarrer: Da bist Du gerade auf die rechte Ketzerei gekommen.
Sepl: Ja, ich Hab mirs schon gedacht. Wie verstehen Sie denn dieses?
Pfarrer: Ich will Dirs wohl sagen, aber Du musst Dich nicht ärgern und mich nicht verketzern.
Sepl: Ei, so ein Narr bin ich nicht.
Der Pfarrer erklärte es ungefähr so: Kein Mensch tut Alles, was das Gesetz fordert und du, Sepl, auch nicht; folglich ist nach dem Gesetz kein Mensch gerecht, Alles steht unter dem Fluche, unter der Verdammung; wollen wir dem Fluche und der Verdammung entkommen, so müssen wir an Christum für uns glauben, durch diesen Glauben werden wir gerecht und fromm vor Gott, sündenfrei, straffrei, fluchfrei etc., der Gerechtigkeit Gottes und des ewigen Lebens teilhaftig. Darum sagt Paulus recht, der Gerechte hat seine Verzeihung und sein Leben aus dem Glauben, denn Niemand ist gerecht, als Gott und den er gerecht macht. Er macht aber nur den gerecht, lässt nur dem die Sünde nach, der an Jesum glaubt, wie der Mörder am Kreuz.
Das Gesetz will uns aber mit seinen Flüchen und Schelten, Drohungen und Forderungen zu diesem Glauben und Gnadenstuhl, zu diesem Armensündertürchen hinein schrecken und hinein treiben.
Sepl, mit seinen zwei Krücken dastehend, merkte hoch auf, begriff und ergriff Alles mit Freuden. Inzwischen kam seine Schwägerin mit ihren Kindern und Nachbarn in die Stube hinein. Diese trafen die zwei Schriftgelehrten voll Freude bei der Bibel an. Sepl, der seine Freude und seinen Glauben gern der ganzen Welt mitgeteilt hätte, bat den Pfarrer, dass er die Stelle noch einmal lesen und erklären möchte, damit die Andern auch hörten, wie armselig wir wären, aber auch, wie wir reich werden und in den Himmel kommen könnten. Der Pfarrer ließ sichs nicht zweimal sagen. Und diese ergriffens, wie Sepl; Alle wurden voll Glauben, voll Trost und Freude. Denn die auf uns liegende Trübsal lehrte sie aufs Wort merken und dasselbe verstehen, so dass ich sagen möchte, es ist ja wohl notwendig, dass um des Worts willen Trübsal und Verfolgung entstehe, sonst merken die schlafenden Leute nicht aufs Wort. - - Seit derselben Stunde lesen diese Müllerleute täglich in der Bibel und der Pfarrer kam auf ihr Bitten alle Sonntage und öfter, um sie ihnen zu erklären.
Sepl nahm einmal seine Bibel und seine Krücken, und stelzte in seines Nachbars Haus, da er wusste, dass daselbst viele selbstgerechte Leute waren, und bewies ihnen seinen Glauben aus der Bibel. Allein Sepl fand keinen Glauben, seine Zuhörer wurden zornig auf ihn, weil sie aber viel Gutes von ihm genossen, wagten sie es nicht, ihm ins Gesicht zu fahren, sondern Einer nach dem anderen stahl sich weg, so dass der Glaubensprediger zuletzt allein da saß, und weil Niemand Amen sagte, wieder traurig heimstelzte.
So musste der einfüßige Prediger erfahren, dass der Glaube nicht Jedermanns Ding sei...
Der Pfarrer fragte ihn: Hast Du auch vorher den heiligen Geist angerufen? Nein, sagte er, ich Esel meinte, es gehe gleich so. Aber das Ding geht anders. Ich will kein Glaubensprediger werden, ich will für mich glauben.
9.
Bachlin, eine verwitwete Bäuerin, die Schwester von Br’s. Dienstmagd, ward öfter von dieser und Br. auf Pöstlingberg eingeladen; aber weil sie wusste, dass man sie daselbst nur vor dem Pfarrer und seinem Glauben warnen wolle, gab sie der Einladung kein Gehör. Dafür ging sie einmal zum Pfarrer und klagte ihm ihre Gewissensangst, dass sie nämlich bei all ihrem Beichten und Streben nach Frömmigkeit doch keine Ruhe und keinen Frieden im Herzen hätte. Daran, sagte der Pfarrer, ist Niemand Schuld, als Dein Unglaube.
Bachlin: Mich ziemt (dünkt) aber doch, ich glaube Alles, was Sie predigen.
Pfarrer: Nein, Alles glaubst Du nicht.
Bachlin: Ja doch, Alles glaube ich.
Pfarrer: Sieh, ich will Dir gleich Etwas predigen, das glaubst Du gewiss nicht.
Bachlin: Das müsste doch was Komisches sein!
Pfarrer: Sieh, ich sage und predige Dir jetzt im Namen Gottes: Sei getrost, Bachlin! Dir sind Deine Sünden vergeben, denn Christus hat für Dich gebüßt, bezahlt; Du darfst es bloß glauben, so ists richtig. Glaubst Du mir das?
Bachlin, betroffen und verlegen, konnte nicht ja sagen. Statt dass sie froh hätte sagen sollen: Ja, ich glaube, kam sie mit der alten Leier, der Selbsthilfe, daher, und sagte: Ja, ich möchte aber zuvor noch eine rechte Beichte ablegen.
Pfarrer: Dass hast Du schon oft getan, und bist noch zu keiner Ruhe in Deinem Gewissen gekommen; tu’s wieder, und Du wirst wieder zu keiner Ruhe kommen.
Bachlin: Ja warum denn?
Pfarrer: Weil Du die Vergebung Deiner Sünden um Deiner Werke willen (ex opere operato), wie die Juden, und nicht aus dem Glauben an Jesum Christum, wie die Christen, erlangen willst. Aber nicht bloß Du bist so beschaffen, fast Alle meinen, Gott vergebe ihnen ihre Sünden bloß wegen ihres Beichtens, Bereuens, Fastens, Büßens etc., kurz wegen ihres Tuns, und nicht wegen des Tuns und Leidens, Büßens und Sterbens Christi, und wegen des Glaubens daran; und weil ihnen ihr schwaches, elendes Tun, ihre Reue, ihr Beichten und Büßen nie recht gelingen will, sondern immer zu schlecht, zu mager, zu dürr, zu trocken und zu unvollkommen ausfällt, so kommen sie nie zu einer wahren Ruhe, weil sie dieselbe auf ihr elendes Machwerk bauen. Und Bachlin! So gehts auch Dir. Aber sieh, betrachte es doch selber; was ist denn Dein Tun bei der Buße? Wir wollen alle fünf Stücke zur Buße durchgehen, und sehen, ob Du Ursache hast, auf Dein so elendes Tun viel zu bauen und zu vertrauen.
1. Das erste Stück zur Buße heißt: (nach Anrufung des heiligen Geistes) Erforschung des Gewissens. Aber sieh, wie elend geht das her; wie wenig erkennt der Mensch sich selbst, seine Sünden und Pflichten? Wie unzufrieden bist Du selbst oft mit Deiner Gewissenserforschung gewesen? Gelt! wie schlecht, wie mangelhaft war sie? Bachlin: Ja, das ist wahr.
2. Das zweite ist Reu und Leid. Aber eben diese ist oft so lau, so kalt, dass Du gewiss schon öfters Reue und Leid über Deine Reue und Leid erweckt hast. Bisweilen hast Du die Reue und Leid vor der Beichte gar vergessen, gelt? Bachlin: Ja, das ist geschehen.
3. Das dritte zur Buße erforderliche Stück ist der ernste Vorsatz. Aber eben der ist wieder oft so schwach, dass er denselben Tag noch bricht, wo Du ihn machst. Bachlin: Ja, ja, ist wohl wahr.
4. Das vierte ist die Beichte. Diese ist wieder gar oft so unvollständig, so mangelhaft, so verwirrt, trocken, unaufrichtig, dass Du selber oft sagst: Mich ziemt (dünkt), ich hab’ mein Leblang noch nie recht gebeichtet. Du bist so unzufrieden mit Deinen 6000 Beichten, dass Du jetzt noch nach 50 und 60 Jahren eine General-Beichte ablegen möchtest. Bachlin: Ja, ja, es ist nicht anders.
5. Das fünfte Stück zur Buße ist Genugtuung. Dass sich Gott erbarme! Mit dieser sieht es eben so erbärmlich aus, als mit den vorigen. Wie kannst Du also hoffen und erwarten, dass Dir Gott um dieses Deines elenden Tuns, Bereuens, Beichtens, Büßens willen Deine Sünden nicht zurechnen und Dir die Gerechtigkeit Gottes und Christi anrechnen werde?
Darum sei denn demütig und glaube dem Worte Gottes, das Dir sagt: a) der Mensch gelangt durch den Glauben zur Gerechtigkeit, d. h. zur Vergebung der Sünden, nicht durch die gesetzlichen oder um der gesetzlichen Werke willen, b) Die Gerechtigkeit Gottes kommt durch den Glauben an Jesum Christum in Alle und über Alle, die an Ihn glauben. Von Ihm müssen sie Alle ohne Verdienst, aus lauter Gnade sündenfrei, straffrei, höllen- teufel- und angstfrei, und auch gerechtfertiget werden. Nur Gott ist gerecht und der, den Er gerecht macht. Also nicht wegen Deines Bußgangs in die Kirche werden Dir Deine Sünden vergeben, sondern wegen des schweren Bußgangs, den Christus am Karfreitag für Dich in den Tod gemacht hat. Sei Deine Buße so streng sie wolle, so werden Dir Deine Sünden doch nicht wegen Deiner strengen Buße, sondern wegen der strengen Buße, die Christus für Dich getan hat, vergeben.
Ich hebe damit Deine Buße, Dein Bereuen, Dein Beichten nicht auf. Das soll und muss bleiben. Ich sage das Alles nur, damit Du an Jesum Christum glauben und durch den Glauben die Vergebung der Sünden, und die Ruhe des Gewissens erlangest. Denn so lange Du nur auf Dich und Dein elendes Tun bauest und trauest, kannst Du weder zum Einen noch zum Andern kommen.
Also merke Dirs! Nicht wegen Deines Tuns und Leidens werden Dir Deine Sünden vergeben, sondern allein wegen des Tuns und Leidens Jesu Christi. Merk’s und glaub’s!
Um deswillen und durch den werden Dir Deine Sünden vergeben und nachgelassen,
1 der empfangen ist vom heiligen Geiste, um deinetwillen,
2 der geboren ist aus Maria, der Jungfrau, um deinetwillen,
3 der gekreuziget, gestorben und begraben ist, um deinetwillen,
4 der auferstanden und gen Himmel gefahren ist, um deinetwillen.
Und merk’s: Wegen Seiner
1 empfängst Du den heiligen Geist,
2 kommst Du in die allgemeine christliche Kirche,
3 in die Gemeinschaft der Heiligen,
4 zum Nachlass der Sünden, zur Auferstehung des Fleisches und zum ewigen Leben. Amen.
Glaubst Du es so?
Bachlin: Ja, jetzt glaube ichs. Gott Lob und Dank! Jetzt ist mir ein Stein vom Herzen. Jetzt seh ich, was ich vorhin nicht geglaubt habe, dass ich zu viel auf mein Tun, und zu wenig auf das Tun und Leiden Jesu Christi vertraut habe. Darum hatte ich nie Ruhe. Buße habe ich wohl getan, aber geglaubt habe ich nie. Wie ist doch der Mensch so blind! Bin schon über 50 Jahre alt, und habe das noch nie verstanden. Gott wird mirs ja verzeihen. Vergelts Gott tausendmal!
Mit diesen Worten ging die gläubig- und sehendgemachte Bachlin fort.
Sie bekannte nachher, dass sie am Sonntage zuvor den ganzen Tag habe weinen müssen, weil die Frühlehre sie so sehr traf, als wenn sie nur für sie allein gewesen wäre.
Hier hat sich Boos am deutlichsten erklärt. Wer ihn hier nicht versteht, der will ihn nicht verstehen. Denn es ist ja sonnenklar, dass er kein gutes, frommes Werk, kein Mittel, keine Übung der Buße und Gottseligkeit verwerfen will, sondern nur das Vertrauen und Bauen auf sich selbst und sein eigen Verdienst will er entfernt wissen, weil man dadurch sich und seine eignen Werke zum Selbsteiland und Erlöser, und also Jesum überflüssig und entbehrlich macht. Wenn ihr Alles getan habt, was ihr zu tun schuldig seid (und wer tut das?), so sagt, wir sind unnütze Knechte; sagte Jesus. Wer Boos nicht versteht, versteht auch diesen Spruch Christi nicht, und Paulus nicht, versteht das ganze Neue Testament nicht, (judaizat) der ist ein Jude und Pharisäer oder Sadduzäer.
10.
Nandl war ihr Lebenlang fromm, eingezogen, still und gottesdienstlich, lebte bei ihrem alten verwitweten Vater, dem sie die Wirtschaft führte, mit aller Gewissenhaftigkeit und Treue. Aber bei alle dem war sie immer ängstlich und unruhig in ihrem Gewissen. Sie plagte die Beichtväter viel mit Beichten, und es half nichts; sie konnte sich nie ruhig beichten. Endlich wurde ihr eines Tages ihre Gerechtigkeit als ein beflecktes Tuch, Christus aber als ein Geschenk vom Vater mit vielen Schriftbeweisen dargestellt. Ihre Stunde hatte geschlagen. Sie konnte alsdann fassen und ergreifen, sie fiel nieder auf ihre Knie, fing an zu weinen und zu danken. Ihr altes Wesen, die Angst, war in’s neue Wesen des Geistes, der Liebe und Freude umgewandelt. Ihr Glaube wurde bald darauf durch innere und äußere Anfechtungen stark geprüft und bewährt; aber nichts war im Stande, ihren Glauben und ihre Liebe zu erschüttern.
Anders ging es bei ihren beiden Mägden, die mit ihr erweckt wurden. Diese glaubten eine Zeitlang, und zur Zeit der Anfechtung fielen sie ab.
Von solchen, welche eine Zeitlang glaubten, könnte ich eine Litanei erzählen. Aber ich wollte nur von solchen reden, die den großen Glaubenssturm aushielten, und bis diese Stunde noch im Glauben standhaft leben oder bis ans Ende beharrt haben. Es wären aber deren so Viele, dass ich nicht fertig werden könnte.
Obige Nandl ließ Brunner zweimal zu sich kommen, weil er sie für verführt und verketzert hielt, und sie aus Mitleid wieder auf den rechten Weg (des Unglaubens!) bringen wollte. Nandl aber ging nicht zu ihm, und sagte: Ich gehe nicht zu ihm hin, denn er möchte mir mein Gläublein und meine Seligkeit nehmen, wie ers Andern schon getan hat. (Der war also der offenbare Glaubensdieb und Räuber!)
Brunner beteuerte allen Gallneukirchern, der Pfarrer und sein Timotheus [Rechberger] seien Ketzer und Verführer. Und Viele glaubten ihm eine Zeitlang. Im Beichtstuhl musste man damals öfter hören: Eine Woche, zwei Tage lang, eine, eine halbe, eine viertel Stunde lang habe ich wirklich geglaubt, der Pfarrer sei Ketzer und Verführer, weil Brunner aus die Brust schlug, und dieses mit der Faust und mit dem Munde bekräftigte.
Anmerkung.
Bei diesen Erweckungen sind (wie Boos selbst bemerkt) die Worte und Windeln, in welchen Christus eingewickelt den Leuten dargeboten und gegeben wurde, zwar schlecht und manchmal anstößig; aber den Geist, den diese Worte sowohl im Herzen des Predigers, als im Herzen der Hörer anzündete, war nicht schlecht; es war ein Feuer- und Liebesgeist, er lebte und belebte; und diesem Geiste allein ist aller Segen zuzuschreiben. Der Mensch ist nichts und kann nichts, außer es sei ihm von oben gegeben. Die Stunde muss da sein.
Die Dezembertage 1810.
(Aus dem Briefe eines Freundes.)
Maria Oberndorfer hörte einmal bei einem guten Freunde die Frühlehre vom 8. Sept. lesen, ohne dass sie ihn kannte, noch er von ihr wusste; und sie gefiel ihr sehr. Weil sie nun Vieles auf dem Herzen hatte, worüber sie mit Niemand bisher sprechen, noch sich Trost, Rat und Beruhigung holen konnte, so stieg ihre Sehnsucht, Boos kennen zu lernen und zu sprechen, aufs höchste. Im Dezember 1810 ward ihr Wunsch gewährt. Sie kam auf wunderbare Weise nach Gallneukirchen, fand in den ersten Stunden Trost, Rat und Beruhigung. Denn Boos kam ihr in Allem zuvor, sagte alle seine Erfahrung, Leiden, Demütigung etc., und der Herr kam dazu, der Geist wurde ausgegossen, und das ganze Haus wurde angefacht; Alle fühlten einen göttlichen Zug, göttliche Anregungen an ihrem Herzen. Die Gnade des Herrn kehrte ein.
Alle Abende rief er seine Hausleute zusammen, und las ihnen vor vom Glauben, vom neuen Leben mit Christo in Gott, von der Freudigkeit und Tätigkeit des Glaubens in der Liebe, wenn er einmal von oben im Herzen angezündet und vom Geiste des Vaters und des Sohnes belebt ist. Es wurden die Briefe Pauli Röm. 1,16. 3,20ff. 4,2ff. 5,1f. 9,3ff. usw. gelesen, und ferner gesagt, wenn Paulus einmal befriedigt sei, so werde Jakobus gewiss auch befriedigt werden. Gott sieht nicht zuerst auf das Opfer, sondern auf den Abel. Wäre Kain gut, so würde sein Opfer auch gut und Gott gefällig werden. Lass zuerst dein schlechtes Herz von Christo gut machen, so werden auch gute Werke aus deinem guten Grunde hervorgehen. Ihr müsst von Neuem geboren, neue Menschen werden, dann bringet ihr viel Früchte des Glaubens, der Liebe und Gerechtigkeit.
So redete Boos in seinem und in allen Häusern, wo er einzukehren Gelegenheit hatte. Die Leute zerflossen in Tränen und erkannten, dass Christus Alles in Allem und der Mensch nichts sei. Er sank dann mit ihnen auf die Knie nieder in den Staub zu den durchbohrten Füßen des gekreuzigten Versöhners, und gab sich und alle diese zerknirschten und aufgeweckten Seelen ganz hin in die Arme ihres Erbarmers. Da wurden sie dann froh und voll Dank, so dass Boos sie immer nur von sich weg und zu Christo hinzuweisen hatte.
O das waren unvergessliche Dezembertage! Da erschien die Gnade Gottes Allen, die das Zeugnis von Christo hörten und im Glauben annahmen; sie wurden der Vergebung ihrer Sünden, der Kindschaft Gottes gewiss, denn sie erhielten den Frieden Gottes.
Auch an Anfechtungen und Prüfungen des Glaubens fehlte es nicht, daher wurden Einige schwach, und wankten, aber von den Stärkern wieder angefacht und ermuntert.
A. R., die mehr als ein halbes Jahr traurig und bis zum Verzweifeln betrübt war, wurde endlich im lebendigen Glauben an Christus auch so unaussprechlich selig und getröstet, dass man ihr die Freude im Herrn in den Augen lesen konnte. Sie wurde aber auf einmal wieder so versucht und betrübt, dass man fürchtete, sie möchte darüber Schaden leiden. Endlich aber entdeckte sie dem Pfarrer ihre Anfechtungen, und gestand, dass sie der T. mit dem Gedanken plage, es könnte wohl auch Alles vom T. sein, was im Evangelio stehe, das Papier sei geduldig und nehme Alles an. Der Pfarrer benahm ihr diesen und alle andere Zweifel, und bestärkte sie im Glauben, so dass sie wieder fröhlich und selig ward.