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2.1.3 Diffusion von Neuerungen

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Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde eine Gruppe englischer und deutscher Anthropologen, die die Ausbreitung einzelner Kulturelemente in verschiedenen Gesellschaften untersuchten, als “Diffusionisten” bekannt. Sie gingen davon aus, dass die menschliche Kultur an einem Ort ihren Ausgangspunkt gehabt und sich dann über die ganze Erde verbreitet habe. Allerdings hielten die Belege für diese These einer genaueren Überprüfung nicht stand, und so waren die Diffusionisten schon am Anfang des 20. Jahrhunderts wieder in Vergessenheit geraten. Erst 1953 griff H.G. Barnett in seinem Buch “Innovation - the Basis of Cultural Change”13 den Gedanken wieder auf, dass sozialer Wandel durch die Verbreitung von Innovationen ausgelöst werde.

Diffusionsstudien waren zuvor in den USA hauptsächlich angewandt worden, um beispielsweise die Verbreitung neuen Saatgutes unter amerikanischen Farmern14 oder die Verbreitung neuer Medikamente in der amerikanischen Ärzteschaft15 zu untersuchen.

Die Diffusion von Nachrichten wurde später an unvorhergesehenen Ereignissen, die bekannte Persönlichkeiten betrafen, untersucht, so beispielsweise bei den Attentaten auf Johannes Paul II, Ronald Reagan und Olof Palme16. Zwar gibt es nur wenige dieser Nachrichtendiffusionsstudien, aber auch andere Formen der Diffusionsforschung beschäftigen sich zwangsläufig immer mit kommunikativen Prozessen und belegen, dass Kommunikation bei der Verbreitung von Neuerungen und im Prozess gesellschaftlichen Wandels eine wesentliche Rolle spielt. Diese Erkenntnis überrascht kaum, aber es ist diesem Forschungszweig das Verdienst zuzusprechen, auf die unterschiedliche Bedeutung von medialer und interpersonaler Kommunikation aufmerksam gemacht zu haben. Die Entscheidung für oder gegen eine durch mediale Kanäle verbreitete Innovation verläuft laut Rogers in den Phasen “Kenntnisnahme”, “Persuasion”, “Entscheidung”, “Anwendung” und “Bestätigung”. Für die Kenntnisnahme seien die Massenmedien von besonderer Bedeutung, für die Phasen der Persuasion und der Entscheidung hingegen die interpersonale Kommunikation17. Nicht nur der Medieninhalt, sondern auch die “Empfangssituation” und die Umgebung des Empfängers seien also wichtig.

Dies ist, so generell formuliert, sicherlich richtig, aber gemäß der “linearen Perspektive” der Diffusionsforscher wurde daraus gefolgert, dass eben auch die “Empfangssituation” geregelt werden müsse (gemeinschaftlicher Empfang mit anschließender Diskussion unter Leitung eines Animateurs beispielsweise), um sozialen Wandel mittels Massenkommunikation erfolgreich, steuerbar und vorhersehbar zu machen.

Zwar waren einige kleinere Medienprojekte in Entwicklungsländern, die auf Grundlage dieser Theorie konzipiert wurden, durchaus erfolgreich und schienen das Konzept zu bestätigen. Aber es ist zu beachten, dass es sich beim Modell der Verbreitung von Innovationen, im Gegensatz zur Modernisierungs- und Dependenztheorie, um eine Mikrotheorie handelt, die sich in kleinen Untersuchungsobjekten bestätigt findet, aber in größerem Rahmen scheitert und dort auch als “Rezept” nicht mehr anwendbar ist (es dürfte kaum möglich sein, jedem Fernsehzuschauer einen Animateur an die Seite zu stellen). Weitere Kritik an der Diffusionsforschung richtet sich dagegen, dass Innovation nur als materielle Neuerung verstanden wird, die ebenso ungefragt erstrebenswert ist wie bei der Modernisierungsforschung. Überdies würden Normen und Werte der betreffenden Gesellschaft und auch ihre ökonomische Lage zu wenig beachtet.

So mancher afrikanische Bauer würde womöglich gerne den im Fernsehen gezeigten Traktor kaufen - aber wenn das Geld dazu fehlt, hilft die medial verursachte Landmaschinenbegeisterung auch nicht weiter.

Die Einführung des Fernsehens im Senegal

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