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2.2.3 Komplexe Innovationssysteme

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Das Modell der “Komplexen Innovationssysteme” ist das Resultat der Bemühungen, die Ergebnisse früherer Kommunikationsmodelle und deren Misserfolge in der Entwicklungspraxis in einer neuen und wohl zwangsläufig weniger präzisen Theorie zusammenzufassen. Die Tatsache, dass isolierte Medienkonzepte nur selten Erfolg haben, führte zu der Erkenntnis, dass Wandel und Entwicklungsprozesse sehr viel komplexer sind als von der bisherigen Forschung angenommen - und dass in diesen Prozessen Kommunikation jeglicher Art immer nur ein Faktor unter vielen anderen ist.

“Sozio-kultureller Wandel [wird] als Funktion eines komplexen Innovationssystems verstanden [...], innerhalb dessen verschiedene Subsysteme miteinander interagieren. Das Innovationssystem erbringt seine Leistung um so besser, je konsistenter die Ziele der verschiedenen Subsysteme sind. So ist z.B. der Entwicklungserfolg dann gefährdet, wenn die Problemperzeption der Planungsinstanzen mit derjenigen der Bevölkerung konfligiert”26.

Oder einfacher gesagt: die unübersichtlich vielen Faktoren, die den Wandel beeinflussen, sollten besser aufeinander abgestimmt werden. Folglich müssten zunächst diese Faktoren erkannt und dann einzeln untersucht werden - was in einem utopisch anmutenden, interdisziplinären Kraftakt gipfeln dürfte.

Verständlicherweise beschränkte sich die Kommunikationsforschung auf Untersuchungen des ihr ureigenen, meist massenkommunikativen “Subsystems” und dessen Beziehungen zu anderen “Subsystemen”, die als für den Entwicklungsprozess wesentlich eingestuft wurden. Katz und Wedell untersuchen beispielsweise statistisches Material aus 91 Entwicklungsländern und vergleichen die in Radio und Fernsehen gesetzten Erwartungen mit den erzielten Resultaten, um sich so den Beziehungen zwischen Entwicklungs- und Medienpolitik zu nähern27. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass - abgesehen von Peru und Tansania - in keinem der untersuchten Länder die Rolle von Radio und Fernsehen im Entwicklungsprozess definiert wurde, als diese Medien etabliert wurden, und betrachten diese Tatsache als Grund für das Scheitern zahlreicher Entwicklungsbemühungen.

Um diesem Problem zu begegnen, beauftragte die UNESCO Alan Hancock mit einer Studie, die einen Rahmen für die Kommunikationsplanung in Entwicklungsländern aufzeigen sollte28. “Entwicklung” ist für Hancock der Abbau von Ungleichheiten - und “Entwicklungskommunikationsplanung” könne diesem Ziel dienen, indem sie zwischen den drei Hauptbereichen “Entwicklungspolitik”, “Kommunikationsinfrastruktur” und “Technologie” einen bestmöglichen Ausgleich herstelle. Wünschenswert sei ein “Bottom-Up Planning” - aber Hancock zweifelt berechtigterweise an dessen Durchführbarkeit beispielsweise auf nationaler Ebene und räumt überdies ein, dass seine Ausführungen über die partizipative Planung mangels empirischer Basis eher spekulativ seien.

Saxer und Grossenbacher untersuchten 1987 viele Aspekte moderner und traditioneller Kommunikationssysteme in Benin und entdeckten auch dort Diskrepanzen zwischen den Zielen von Kommunikations- und Entwicklungspolitik und schließen, dass nicht zuletzt die Komplexität des Entwicklungsprozesses die “Grenzen der Funktionalisierung von Mediensystemen für gezielten gesellschaftlichen Wandel in Entwicklungsländern” erkennen lasse29.

Das größte Verdienst des Modells “Komplexe Innovationssysteme” ist zweifelsohne das Eingeständnis der Komplexität von Wandlungsprozessen, die eine exakte Steuerung dieser Vorgänge unmöglich machen dürfte. Und so ist dieses Modell wohl auch weniger als Leitfaden für zukünftige Entwicklungspraxis zu verstehen, sondern vielmehr als konzeptioneller Rahmen für die Forschung, um sich einem Verständnis von Wandlungsprozessen (und der Bedeutung von Kommunikation innerhalb dieser Prozesse) zumindest zu nähern. Wer wie Hancock dieser Prämisse folgt und trotzdem der Versuchung erliegt, “das” Rezeptbuch der Entwicklungskommunikation verfassen zu wollen, kann nur im Bereich der Spekulation enden.

Die Einführung des Fernsehens im Senegal

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