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2.5.2 Ein frühes Beispiel: Christliche Frauen als Autoritäten kleinasiatischer Gemeinden des 1. und 2. Jahrhunderts

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Das Wirken früher Christinnen als Autoritäten kleinasiatischer Christengemeinden des 1. und 2. Jahrhunderts ist ohne den Kontext der zeitgenössischen kleinasiatischen Gesellschaft nicht denkbar. Wie Inschriften dieser Ära bezeugen, sind Frauen dieses Raums in Handel und Gewerbe selbständig tätig und verwenden einen Teil ihres Vermögens bisweilen für Projekte, die in ihrer Heimatstadt ihrem Sozialprestige dienen. So treten beispielsweise in Ephesus Frauen als Wohltäterinnen auf, indem sie auf eigene Kosten prachtvolle öffentliche Gebäude errichten lassen. Darüber hinaus steigen kleinasiatische Honoratiorentöchter des 2. Jahrhunderts in ihren Heimatstädten zu höchsten öffentlichen Ämtern auf. Nollé erklärt dieses Phänomen mit den personellen Engpässen dieser Familien, die zur Behauptung ihrer Position darauf angewiesen sind, auch weibliche Familienmitglieder auf der politischen Bühne ihrer Heimatstadt agieren zu lassen, zumal z.B. im kleinasiatischen Selge „der Familienclan [der Plancii Magniani] weitgehend mit der als politische Körperschaft agierenden Stadt identisch [war]. Die Stadt war zum überdimensionalen Haushalt (oikos) dieser Familie geworden. Damit schwächt sich natürlich das Anstößigste an der Amtsführung von Frauen, [nämlich] das Heraustreten aus dem Oikos, merklich ab. Die Frauen blieben, folgen wir dieser Betrachtungsweise, gewissermaßen doch im Oikos, in einem Oikos, der [… freilich] an Größe und damit auch an Bedeutung gewonnen hat.“41 Außerdem ist die damalige Bevölkerung Kleinasiens den Anblick öffentlich fungierender Frauen in priesterlichen Ämtern gewöhnt. Denn in vielen kleinasiatischen Städten sind Göttinnen die ersten Stadtgottheiten und ihre erstrangigen Kultdienerinnen sind folglich Frauen, während männliche Priester einer solchen Göttin oft nur als Gehilfen einer Frau amtieren (vgl. Abb. 12).

Mag die geschilderte Öffnung der kleinasiatischen Gesellschaft für öffentlich tätige Frauen auch in erster Linie die Frauen der dortigen Mittel- und Oberschicht betreffen und mag diese Öffnung auch die Grenzen des antiken Oikos nicht überschreiten, so dürfte das zugehörige Milieu doch einen gut vorbereiteten Boden für die nicht zuletzt die Frauen aufwertende Botschaft Jesu darstellen. In diesem Licht ist es jedenfalls besser verständlich, warum das wohl im kleinasiatischen Raum entstandene Johannes-Evangelium eine Gemeinde des ausgehenden 1. Jahrhunderts spiegelt, in der eine Frau namens Maria Magdalena im Auftrag Jesu und mit Billigung der Gemeinde die Auferstehung Jesu öffentlich bezeugt, in der eine Samariterin die Frohe Botschaft Jesu empfängt und mit Erfolg in ihrer Heimatstadt verkündet und in der eine Frau namens Martha als Repräsentantin der Gemeinde das Messiasbekenntnis ablegt.

Des Weiteren wirken hier von der Mitte des 1. bis zur Mitte des 2. Jahrhunderts eine Reihe von Christinnen, die man zweifellos als Gemeindeautoritäten bezeichnen kann. Denn seit den christlichen Anfängen lassen sich in Kleinasien bis in die Mitte des 2. Jahrhunderts einige Prophetinnen nachweisen. So gelten die im 1. Jahrhundert in Ephesus und Hierapolis lebenden Töchter des Philippus noch der kleinasiatischen Kirche des ausgehenden 2. Jahrhunderts als Autoritäten apostolischer kirchlicher Überlieferung. Ammia wirkt in der ersten Hälfte oder in der Mitte des 2. Jahrhunderts in der Gemeinde von Philadelphia als Prophetin und erfreut sich noch im Kleinasien der 60er Jahre des 2. Jahrhunderts eines hohen Ansehens. Wie am Beispiel dieser Prophetinnen deutlich wird, sind es also nicht zuletzt Frauen, die das zu den urchristlichen Gemeindeautoritäten zählende Prophetentum bis zur Mitte des 2. Jahrhunderts in der kleinasiatischen Kirche aufrechterhalten.42 Die Ursache für ihr fortan beobachtbares Verschwinden dürfte in dem allmählich zum Abschluss kommenden Ausbauprozess der kleinasiatischen Kirchenorganisation zu suchen sein, in der das im Urchristentum übliche charismatische Prophetentum keinen Platz mehr hat.

Abb. 12 Am Prunktor von Perge befindet sich eine Statue der Plancia Magna, die als Priesterin des städtischen Kaiserkults ein Diadem trägt, das mit den Büsten von Mitgliedern des Kaiserhauses geschmückt ist.

Neben Prophetinnen lassen sich in Kleinasien auch christliche Lehrerinnen namhaft machen. An erster Stelle ist hier Priska in der urchristlichen Ära als theologische Lehrerin des Apollos zu nennen. Vor allem ist es aber Thekla, eine wahrscheinlich von Paulus bekehrte Frau, die im ausgehenden 2. Jahrhundert von einem pseudepigraphischen Autor als eine im Raum von Antiochien, Iconium und Seleucia öffentlich wirkende Lehrerin dargestellt wird, was wiederum die Existenz entsprechender christlicher Lehrerinnen im damaligen kirchlichen Erscheinungsbild Kleinasiens nahe legt.

Schließlich sei noch auf die in christlichen Hausgemeinden wirkenden Frauen Kleinasiens eingegangen. In den paulinischen Gemeinden von Ephesus und Laodizea (oder Hierapolis) machen sich zunächst in Priska und Nympha zwei Frauen bemerkbar, die Paulus als Mitarbeiterinnen grüßt und als Autoritäten von Hausgemeinden charakterisiert. Folglich könnte er bei anderer Gelegenheit – neben Männern – auch Frauen meinen, wenn er etwa im Philipper-Brief die dortigen Gläubigen zusammen mit ihren anonymen „Episkopen und Diakonen“ (Phil 1,1) grüßt. Denn unter diesen sind zumindest unter den Diakonen auch Frauen denkbar, da in Röm 16,1 in der Person der Phöbe ein weiblicher Diakon bezeugt ist43 und Plinius der Jüngere um 112 im kleinasiatischen Bithynien von ähnlichen christlichen ministrae zu berichten weiß.

Wie ist die bisher behandelte Phänomenologie Kleinasiens zu interpretieren? Ohne Zweifel stoßen die ersten christlichen Missionare im Kleinasien des 1. und 2. Jahrhunderts auf ein für Frauen relativ offenes Milieu, weshalb auch das in dieser Region inkulturierte Christentum zunächst entsprechende Züge trägt. In diesem Licht wird es verständlich, warum die soeben kurz vorgestellten kleinasiatischen Frauen in ihren Gemeinden als maßgebliche Autoritäten wirken bzw. sich in kirchlichen Tätigkeitsfeldern bewegen, die seit dem Ausbau der antiken Kirchenorganisation ausschließlich von Männern wahrgenommen werden. Gerade in letzterer Erscheinung zeichnet sich aber im Kleinasien des ausgehenden 2. Jahrhunderts ein deutlicher kirchlicher Wandel ab: Die ursprünglich relativ locker miteinander kommunizierenden Ortsgemeinden, die vor allem im antiken Oikos beheimatet44 und daher für weibliche und männliche Autoritäten gleichermaßen offen sind, entwickeln sich nunmehr zu regional und überregional systematisch vernetzten Ortskirchen. Den Beginn dieses Prozesses markiert um 195 jene kleinasiatische Bischofssynode, die Bischof Polykrates von Ephesus auf Initiative Bischof Viktors von Rom zur Klärung des Osterfeststreits einberuft.45 Meines Erachtens macht sich hier nämlich ein neuer Inkulturationsvorgang des Christentums bemerkbar, indem sich die kleinasiatische Kirche des ausgehenden 2. Jahrhunderts im Zuge ihrer systematischen regionalen und überregionalen Vernetzung auf die Rezeption imperialer Verwaltungs-, Repräsentations- und Kommunikationsstrukturen einlässt und folglich auf ihre ursprünglich zumindest im Oikos für Frauen offene Position verzichtet; denn eine über die Grenzen des Oikos hinaus öffentlich wirkende Frau ist im Römischen Reich – ja selbst in Kleinasien – nicht denkbar und folglich auch nicht auf einer die Grenzen des Oikos überschreitenden Bischofssynode.

HOFMANN, Johannes, Christliche Frauen im Dienst kleinasiatischer Gemeinden des ersten und zweiten Jahrhunderts. Eine prosopographische Studie, in: Vigiliae Christianae 54 (2000) 283-308 (Frauen im Johannes-Evangelium, kleinasiatische Prophetinnen, Lehrerinnen und weibliche Autoritäten von Hausgemeinden).

NOLLÉ, Johannes, Frauen wie Omphale? Überlegungen zu ‚politischen‘ Ämtern von Frauen im kaiserzeitlichen Kleinasien, in: DETTENHOFER, Maria H. (Hg.), Reine Männersache? Frauen in Männerdomänen der antiken Welt, München 1996, 229-259 (Frauen in der antiken kleinasiatischen Gesellschaft).

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