Читать книгу Eltern Stärken. Die Dialogische Haltung in Seminar und Beratung - Johannes Schopp - Страница 12
Mein persönlicher Weg zum Dialog
ОглавлениеDer Entwicklungsprozess zum hier vorliegenden Konzept ELTERN STÄRKEN vollzog sich über mehrere Jahre. Geformt und gefestigt wurde mein Dialogisches Verstehen in zahlreichen selbsterfahrungsbezogenen Lernprozessen auf Fortbildungen und in therapeutischen Intensivphasen, in die auch philosophische Auseinandersetzungen einflossen. Die theoretische Reflexion der Praxis mit Hilfe der wissenschaftlichen Literatur, vor allem die Lektüre der Schriften von Martin Buber, halfen mir zu verstehen, wie meine neue Seminarpraxis auszusehen hatte. An einem Beispiel wird es vielleicht nachvollziehbarer.
Im Frühjahr 2000 kehrte ich mit einer Seminargruppe in Heppenheim für ein paar Stunden in dem Haus ein, in dem Martin Buber bis zu seiner Emigration nach Israel im Jahr 1938 mit seiner Familie gelebt und 1923 sein bekanntestes Werk „Ich und Du“ verfasst hatte. Der Besuch in der heutigen Gedenkstätte berührte mich tief. Während der einwöchigen Seminararbeit lasen wir uns in einer Runde von knapp vierzig Frauen und Männern Stück für Stück aus eben diesem „Ich und Du“ vor, etwa sechs bis achtmal jeden Absatz. Jede und jeder las in der eigenen Tonlage, der eigenen Mundart oder in der Sprache des Herkunftslandes. Zunächst hatten wir Schwierigkeiten mit der Sprache Martin Bubers, da sie uns ungewohnt fremd vorkam. Doch mit der Zeit und fast unmerklich, wurde jedem von uns, ohne [25] die Worte zu analysieren, auf seine Art klar, was sie ihm bedeuteten. Jeder für sich nahm aus ihnen mit, was für ihn wichtig war. Ich spürte, es war mein Verständnis der Worte von Buber und nicht das Verständnis unserer deutsch-israelischen Seminarleitung, es war auch nicht die Interpretation der übrigen 38 Augen- und Ohrenpaare im Raum. Wir lasen nur gemeinsam, ohne uns gegenseitig von unserer Sicht in endlosen Diskussionen überzeugen zu wollen.
Es geschah etwas Merkwürdiges in jenen inspirierenden Tagen im April 2000. Bubers Idee vom „Dialog“, von „Begegnung“, von dem, was er das „Zwischen“ nennt, und von der „Anderheit des Anderen“ bekamen für mich durch das gemeinsame Lesen einen tieferen, ungeahnten Sinn. Aus den Worten Vertrauen, wachsen lassen, achtsam sein, Liebe, den anderen nicht verändern wollen, allein sein, anders sein und Respekt füreinander haben, wurden lebendige Begriffe.
Im Laufe der Jahre flossen bei der Entstehung des vorliegenden Buches nicht nur die Philosophie des Dialogs von Martin Buber, David Bohm, William Isaaks, Peter Senge und Freeman Dhority, Johannes und Martina Hartkemeyer, sondern auch Ansätze der humanistischen Psychologie, der konstruktivistischen Erkenntnistheorie, des systemischen Denkens, der ressourcenorientierten Konzeption der Salutogenese nach Aaron Antonovsky, der Präventionsansatz der Förderung allgemeiner „Lebenskompetenzen“, der durch Botwin und andere als „Life Skills“-Ansatz bekannt wurde und das Therapiekonzept der „Lebensschule“ von Walther H. Lechler für mich sinngebend zusammen.