Читать книгу Eltern Stärken. Die Dialogische Haltung in Seminar und Beratung - Johannes Schopp - Страница 23
Von der passiven Haltung zur aktiven Lebensbewältigung
ОглавлениеDie individuelle Fähigkeit, gestärkt durchs Leben zu kommen, entspricht einer Persönlichkeitseigenschaft, die Antonovsky „Sense of Coherence“ (SOC) nennt. Eckhard Schiffer übersetzt dies mit „Sinn für Kohärenz“ und meint damit „das sichere Gefühl eines inneren Zusammenhaltes, […] das zur Identität gehört, um gesund zu bleiben“ (Schiffer 2001, S. 90). Die Kernbegriffe des „Kohärenzgefühls“ (in der Übersetzung von Alexa Franke) beschreibt Antonovsky wie folgt: die Zusammenhänge des Lebens „verstehen“, die Herausforderungen, die es immer wieder an uns stellt, annehmen und „handhaben“ können und dem eigenen Dasein eine entsprechende „Bedeutung“ beimessen. Sinn für Kohärenz meint also eine aktive Haltung und einen eigenverantwortlichen Umgang mit dem eigenen [49] Leben im Gegensatz zur passiven Opferhaltung. Auf eine Kurzformel gebracht, meint die Idee vom Kohärenzgefühl den Ausdruck positiver optimistischer Lebenseinstellung sowie Zuversicht im Umgang mit den Schwierigkeiten des Lebens. Diese Haltung mobilisiert Selbstheilungskräfte auch dann, wenn sie mal blockiert, lahmgelegt oder fehlgeleitet sein sollten. Diesen Sinn für den inneren Zusammenhalt und die Bindung zur „Außenwelt“ zu schärfen, ist ein Anliegen von ELTERN STÄRKEN.
„Kinder sollten mehr spielen, als viele Kinder es heutzutage tun. Denn wenn man genügend spielt, solange man klein ist, dann trägt man Schätze mit sich herum, aus denen man später sein ganzes Leben lang schöpfen kann. Dann weiß man, was es heißt, in sich eine warme, geheime Welt zu haben, die einem Kraft gibt, wenn das Leben schwer wird. Was auch geschieht, was man auch erlebt, man hat diese Welt in seinem Innern, an die man sich halten kann.“
Astrid Lindgren Folgerichtig wird in den Seminaren bei der Aktivierung der Potenziale der Blick auf die Stärken der Eltern gerichtet. Die Reflexion ihrer eigenen Verhaltensmuster, ihrer Zweifel, Sorgen und empfundenen Unzulänglichkeiten haben dabei ebenfalls Raum.
Auf dem Bewusstsein für die eigenen Fähigkeiten kann man aufbauen. Und es hat sich in jahrelanger Erfahrung mit Dialogischer Elternarbeit gezeigt, dass eben dies eine Quelle der Kraft für Eltern ist, Alltagssituationen, oder einfach ihr Leben mit ihren Kindern besser zu bewältigen. Hier beispielhaft einige Äußerungen von Eltern:
„Ich habe begriffen, dass ich zunächst einmal über mich selbst reden, also bei mir anfangen muss.“
„Ich habe gespürt, dass ich nicht alleine bin.“
„Ich bin verunsichert, weil ich jetzt weiß, dass ich nichts weiß, aber das ist auch in gewisser Weise beruhigend.“
„Ich habe festgestellt, dass ich es schon ganz richtig mache, so wie ich meine Kinder erziehe.“
„Manches kann man offensichtlich nur laufen lassen und hoffen, dass es gut läuft.“
„Es ist ernüchternd, dass es keine Rezepte gibt, aber ich weiß, dass sie nicht wirken würden.“
„Ich muss nicht mein Kind verändern wollen, sondern meine Einstellungen verändern.“
Eltern werden auf diese Weise in ihrer Kompetenz in Beziehung zu treten gestärkt und damit auf lange Sicht unabhängiger von „Rat-Schlägern“ aller Art, auch den wohlmeinenden.
[50] Die Orientierung an Ressourcen hilft uns, zu erkennen und nachzuvollziehen, dass jeder und jede von uns – zwar unterschiedlich stark ausgeprägt und gewichtet – Sinn- und Lebenskräfte in sich trägt. Sie lässt uns begreifen, wie wichtig die Suche derselben für uns als Menschen ist, dass zum Leben zwangsläufig Höhen und Tiefen gehören und dass Krisen auch Wachstumschancen beinhalten. Nicht zuletzt wird uns durch das Erleben im Seminar bewusst, welche Faktoren eine besondere Rolle bei der Entfaltung dieser jedem innewohnenden schützenden Faktoren spielen. Die kognitive Einordnung, also die Bewusstheit über diese Zusammenhänge werden die Teilnehmenden immer dann besonders spürbar erfahren, wenn es gelingt, die sehr persönlichen Lebensgeschichten in einem „echten“, in einem „wahrhaftigen“ Dialog mitzuteilen. Wenn dieser Prozess annähernd gelingt, kann der Dialog auch als eine Art Katalysator für „gefühlte Einsichten“ (Reifarth) verstanden werden.
Eltern im Karussellgespräch
„Wenn man die Aufmerksamkeit konsequent auf Ressourcen und Lösungen statt auf Fehler und Defizite richtet, regt man Lösungsprozesse an, so lautet ein Wirkprinzip systemischer Kommunikation in Therapie und Beratung“
Christa Hubrig Die Elternseminare sollen zu förderst einen „Raum“ für eine Begegnung schaffen. Hartkemeyer und Dhority bezeichnen diesen „Raum“ als „Container“ (con-tenere lat.: zusammenhalten). Damit ist eine sichere, angstfreie Atmosphäre, eine lebendige Mitte gemeint, die es allen Anwesenden ermöglicht, sich offen und vorbehaltlos in der Gruppe einzubringen und in die Gedankenwelt eines Anderen zu begeben, mit Bubers Begrifflichkeit gesprochen: dem Anderen „von Wesenskern zu Wesenskern“ zu begegnen. Mein Anliegen ist es, Ihnen im nächsten Kapitel zu erläutern, was den Dialog zu eben diesem Katalysator macht und wie sich der Dialog auf die Stärkung der Persönlichkeit auswirkt.