Читать книгу Eltern Stärken. Die Dialogische Haltung in Seminar und Beratung - Johannes Schopp - Страница 13
Jeder Mensch, dem ich begegne, ist mein Lehrer
ОглавлениеDie Konzepte „Salutogenese“, „Life Skills“ und der „Lebensschule“ verbindet der Kerngedanke, dass das Leben selbst, mit all seinen Herausforderungen, die auch Krisen einschließen, die beste „Schule“ zum Erlernen konstruktiver Strategien der Lebensbewältigung ist. Von Walther H. Lechler habe ich gelernt zu sehen, dass letztlich alle Menschen, jeder auf seine Weise, um ihren „richtigen“ Weg durchs Leben ringen, auch und gerade die Menschen, die wir aus pädagogischer Sicht für emotional und sozial inkompetent, für „auffällig“, „süchtig“ oder „krank“ erachten. Erziehung verstanden als Beziehung unter dem Aspekt des Suchens und der Unterstützung der Eltern bei ihren Suchbewegungen zu betrachten, ebnet den Weg zum Dialog. In den Elternrunden geht es im Grunde immer wieder darum, [26] die eigenen Erfahrungen im Meistern des Lebens mit anderen zu teilen und die Erfahrungen anderer zu nutzen.
Der Begriff „Elternschule“, der gerne im Umgang mit Elternkursen genannt wird, ist aus Sicht des Dialogs allerdings unpassend. Mit dem Begriff Schule wird zu häufig Belehren, Bewerten und Sanktionieren von Defiziten assoziiert und löst daher entweder Abwehr oder Langeweile aus. Zum einen kann dies erklären, warum so viele Menschen, die zwar den Austausch mit anderen Eltern bräuchten, dennoch den Elternseminaren fernbleiben und dafür mit dem Etikett „bildungsfern“ stigmatisiert werden. Andererseits befürchte ich, dass bei denen, die den Weg in Elternkurse finden, anstelle von Unsicherheit eine neue Abhängigkeit auf Seiten der Eltern entstehen kann, wenn sie versuchen, die gelernten „Ratschläge“ zu befolgen. Reinhart Wolff spricht in diesem Zusammenhang von „professionellem Autoritarismus“. Die Fachleute lehren, und die Eltern sollen lernen, es gibt ein klares „Subjekt-Objekt-Verhältnis“.
Eltern reflektieren ihren Weg, und im Rahmen dialogischer Seminare tun sie dies gemeinsam mit der Dialogbegleitung. Es geht also weniger darum, dass Eltern und ihre Kinder „erzogen“ werden müssen sondern mehr darum, dass Eltern sich darüber klar werden, dass sie ein Teil dieser Entwicklungsgemeinschaft sind, dass ihr Verhalten auf Kinder wirkt und dass sie selbst auch mitwachsen und lernen müssen. Im Dialog reden wir nicht von Beschulung, sondern von gemeinsamem Lernen von Eltern, Kindern und Fachkräften, die ja oft auch selbst wieder Eltern sind. Insofern findet der Dialog in einer Atmosphäre statt, in der jede und jeder des anderen Lehrer ist und dabei gleichzeitig Lerner bleibt.