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1. Inhaltliche Bestimmtheitsgebot

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Aufgrund des Bestimmtheitsgebots des Art 103 Abs 2 GG muss eine Strafnorm die Voraussetzungen der Strafbarkeit so konkret umschreiben, dass Tragweite und Anwendungsbereich des Straftatbestands unmittelbar zu erkennen sind oder sich durch Auslegung ermitteln lassen. Die Normadressaten müssen im Regelfall bereits anhand des Wortlauts der gesetzlichen Vorschrift voraussehen können, ob ein Verhalten strafbar ist oder nicht.[1] Bei Blankettvorschriften müssen sowohl die Strafnorm an sich als auch die diese ausfüllenden materiellen Exportkontrollvorschriften die Voraussetzung der Strafbarkeit hinreichend deutlich umschreiben.[2] Dabei muss zum einen die Blankettvorschrift hinreichend klar erkennen lassen, worauf sich die Verweisung auf die außerstrafrechtliche Rechtsnorm bezieht.[3] Zum anderen muss auch die jeweilige materielle Ausfüllungsvorschrift dem Bestimmtheitsgrundsatz entsprechen.[4] Unzulässig ist insbesondere eine Verweisung auf nicht näher spezifizierte Vorschriften des Gemeinschaftsrechts.[5] Nach der Rspr ist es verfassungsrechtlich auch nicht zu beanstanden, wenn Straf- und Bußgeldvorschriften in einer Rechtsverordnung wie der AWV konkretisiert werden; allerdings erfordert dies, dass Strafgrund und Grenzen in einem Gesetz hinreichend beschrieben sind.[6] Keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen darin, die von exportkontrollrechtlichen Beschränkungen betroffenen Waren in der Ausfuhrliste zu bezeichnen.[7] Zudem geht das BVerfG ohnehin davon aus, dass geringere Anforderungen an die Bestimmtheit einer Norm zu stellen seien, wenn diese sich an einen fachkundigen Adressatenkreis wenden.[8] Ob diese Einschränkung auf alle Vorschriften des AWG zutrifft, ist allerdings zweifelhaft, da sich diese gerade im Bereich der Sanktionen nicht nur an im Exportgeschäft Tätige wenden, sondern an jedermann.

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Die Blankettnormen enthalten Verweisungen auf außerstrafrechtliche Vorschriften, die entweder als statische oder als dynamische Verweisungen ausgestaltet sein können. Welche Art von Verweisung vorliegt, kann sich ausdrücklich aus der Norm ergeben. So verweisen beispielsweise § 18 Abs 4 S 2 und Abs 5 S 2 AWG auf Anhänge der EG-Verordnung „in der jeweils geltenden Fassung“. Auch bei dem Verweis auf bestimmte Positionen der Ausfuhrliste, zB in § 17 Abs 1 AWG, handelt es sich um eine dynamische Verweisung. Anwendbar ist aufgrund dieser ausdrücklichen Anordnung die Ausfuhrliste in der Fassung, die zum Zeitpunkt der Vornahme der Tathandlung Gültigkeit besitzt. In allen anderen Fällen stellt der Verweis auf sonstige Rechtsakte, insbesondere auf Verordnung der EU oder EG unter Nennung von Datum, Fundstelle der Veröffentlichung und letzter Änderung wie zB in § 18 Abs 3 und Abs 4 S 1 AWG eine statische Verweisung dar.[9] Bei statischen Verweisungen sind die Ausfüllungsnormen mit dem im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Blankettgesetzes gültigen Inhalt maßgeblich; spätere Änderungen der Ausfüllungsnorm bleiben unberücksichtigt.

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ZT wird die Auffassung vertreten, dass dynamische Verweisungen generell unzulässig seien.[10] Demgegenüber steht der Bestimmtheitsgrundsatz des Art 103 Abs 2 GG einer dynamischen Verweisung allerdings nicht generell entgegen.[11] Auch dynamische Verweisungen auf Normen eines anderen Gesetzgebungsorgans sind verfassungsrechtlich nicht per se ausgeschlossen, aber nur in begrenztem Maße zulässig.[12] Keine Bedenken gegen die Bestimmtheit dynamischer Verweisungen bestehen dann, wenn durch die Blankettnorm das verbotene Verhalten hinreichend bestimmt ist und die Ausfüllungsbestimmung auch für den Rechtsunterworfenen mit zumutbarem Aufwand auffindbar ist.[13] Die Verweisung auf Positionen der Ausfuhrliste in ihrem jeweils geltenden Stand verletzt nicht das Bestimmtheitsgebot, da es den am Außenwirtschaftsverkehr teilnehmenden Personen zuzumuten ist, sich über den jeweiligen Stand der Ausfuhrliste zu unterrichten.[14] Die Anlagen zur Ausfuhrliste und deren Anmerkungen sind integraler Bestandteil der Liste und nehmen am normativen Geltungsanspruch teil.[15]

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Bei statischen Verweisungen können Sanktionslücken dann entstehen, wenn die jeweilige ausfüllende Norm aufgehoben wird oder außer Kraft tritt und nicht rechtzeitig die Verweisung auf die Nachfolgenorm angepasst wird. In diesen Fällen sind Zuwiderhandlungen während des Übergangszeitraums nicht ahndbar, selbst wenn die aufgehobene Verweisungsnorm durch eine inhaltsgleiche andere ersetzt wurde.[16]Eine spätere Aktualisierung kann diese Lücke wegen des Rückwirkungsverbots nicht heilen. Ob vor der Lücke begangene Zuwiderhandlungen verfolgt werden können, hängt davon ab, ob es sich bei der außer Kraft getretenen Regelung um ein Zeitgesetz handelt.[17] Die Bezugnahme auf eine außer Kraft getretene Vorschrift hat der BGH dann als unschädlich erachtet, wenn es sich bei der Strafvorschrift nicht um einen Blanketttatbestand gehandelt hat und die Verweisungsnorm nicht die Zuwiderhandlung, sondern lediglich das geschützte Rechtsgut bezeichnet hat.[18]

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Bedenken gegen die inhaltliche Bestimmtheit einer Norm bei Verweisungen auf außerstrafrechtliche Ausfüllungsvorschriften vor dem Hintergrund, dass diese Ausfüllungsvorschriften schwer aufzufinden sind, bestehen hingegen im Bereich des AWG nicht. Teilweise werden die Ausfüllungsvorschriften, soweit sie Gemeinschaftsrecht betreffen, mit Fundstelle im Amtsblatt bezeichnet (zB § 18 Abs 3–5 AWG). Teilweise wird jedoch nur darauf verwiesen, dass unmittelbar geltende Rechtsakte der EU im Amtsblatt veröffentlicht sind (zB § 18 Abs 1 AWG). Wird auf Ausfüllungsvorschriften in Rechtsverordnungen Bezug genommen, fehlt es idR an einem entsprechenden Hinweis (zB § 17 Abs 1 AWG). In der heutigen Zeit sind allerdings entsprechende Rechtsakte in den auch online abrufbaren Amtsblättern relativ leicht aufzufinden, iÜ weist das Auffinden der außerstrafrechtlichen Ausfüllungsnormen nicht mehr Schwierigkeiten auf als das Auffinden sonstiger Rechtsvorschriften.[19]

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Umstritten ist, ob dem Bestimmtheitsgrundsatz durch sog Rückverweisungsklauseln hinreichend Rechnung getragen wird. So legt bspw § 18 Abs 1 AWG fest, dass ein Verstoß gegen eine Bestimmung in einer Rechtsverordnung nur dann strafbar ist, wenn diese Rechtsverordnung für einen bestimmten Tatbestand auf die Strafvorschrift zurückverweist. Die Rspr geht überwiegend davon aus, dass derartige Rückverweisungsklauseln dann dem Bestimmtheitsgebot genügen, wenn die verbotenen Verhaltensweisen selbst durch Gesetz hinreichend umschrieben sind.[20] Ist dies, wie zB bei § 17 Abs 1 AWG nicht der Fall, führt dies zur Unbestimmtheit der Strafnorm.[21] Trotz eines Falls der Rückverweisung mit einer Entsprechungsklausel hat der Gesetzgeber keinerlei, auch keine rudimentären Vorgaben gemacht, welche Verhaltensweisen so schwerwiegend sind, dass sie mit Kriminalstrafe zu ahnden sind.

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Zulässig ist es auch, eine Straf- oder Bußgeldbewehrung an den Verstoß gegen verwaltungsrechtliche Anordnungen anzuknüpfen wie zB in § 18 Abs 1a. Allerdings muss auch in diesem Fall der Gesetzgeber Typus und Regelungsumfang des betreffenden Verwaltungsakts jedenfalls so weit festzulegen, wie der Verstoß gegen die entsprechende Verhaltenspflicht strafbewehrt sein soll.[22] Zudem muss der Verwaltungsakte selbst auch inhaltlich hinreichend bestimmt sein.

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