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c) Zeitgesetz (§ 2 Abs 4 StGB, § 4 Abs 4 OWiG)
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Nach § 2 Abs 4 StGB bzw § 4 Abs 4 OWiG findet das Meistbegünstigungsprinzip auf Zeitgesetze keine Anwendung. Zeitgesetze sind dabei solche, deren Geltung entweder kalendermäßig begrenzt ist oder die ausdrücklich nur vorübergehend Geltung beanspruchen. Zeitgesetzte können aber auch solche Regelungen sein, die zwar nicht explizit zeitlich befristet sind, mit denen der Gesetzgeber aber wechselnden Verhältnissen und Zeitnotwendigkeiten überwiegend nach Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit mit Bestimmungen gerecht werden will, die erkennbar nur Übergangscharakter haben.[1] In der Regel sind die Blankettvorschriften selbst auf Dauer angelegt,[2] während die Ausfüllungsnormen oftmals Zeitgesetze darstellen.[3]
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In der Literatur wird vertreten, dass es sich bei allen Regelungen in den Listenpositionen der Ausfuhrliste bzw den Anhängen zur Dual-Use-VO um Zeitgesetze handeln soll, weil diese Listenpositionen politisch motiviert und auf die aktuelle außen-, sicherheits- und wirtschaftspolitische Lage zugeschnitten seien sowie die dort genannten Waren einem ständigen Wechsel unterlägen.[4] Allerdings lässt allein die Anzahl der Änderungen einer Vorschrift noch nicht auf eine Zeitgesetzeigenschaft schließen.[5] Noch weitergehend wird vertreten, dass Exportkontrollvorschriften generell als Zeitgesetze anzusehen seien.[6] Dem kann jedoch in dieser Pauschalität nicht zugestimmt werden. Zutreffend ist zwar, dass das Exportkontrollstrafrecht in besonderem Maße ein politisch motiviertes Rechtsgebiet ist, dadurch unterscheidet es sich aber nicht wesentlich vom sonstigen Wirtschaftsstrafrecht. Einer Vielzahl der Beschränkungen, zB im Nonprolieferations- oder Rüstungsbereich, liegen grundlegende, zeitlich unbeschränkt gültige Überzeugungen zugrunde, die weder einer vorübergehenden politischen Lage entsprechen noch bei der eine Änderung zu erwarten ist. Vielmehr kann nur anhand des konkreten Inhalts und Zwecks der betreffenden Norm[7] festgestellt werden, ob sie als Zeitgesetz einzustufen ist oder nicht. Zeitgesetze sind daher beispielsweise Antidumping-Vorschriften, die regelmäßig für eine bestimmte Zeitdauer beschlossen werden.[8] Jedenfalls bei Embargobestimmungen handelt es sich trotz des Fehlens einer ausdrücklichen Befristung um Zeitgesetze, da sie erkennbar für die Dauer eines Ausnahmezustandes geschaffen sind.[9] Gleiches gilt für die Aufnahme von Staaten in eine Länderliste.[10]
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Nach zT vertretener Rechtsauffassung soll es sich bei Blankettgesetzen, die auf gemeinschaftsrechtliche Normen verweisen, stets um Zeitgesetze handeln,[11] da nur so Schutzlücken nicht entstehen können und die Pflicht zum effet utile erfüllt werden kann. Allerdings wird im Geltungsbereich von Unionsrecht die Möglichkeit von Zeitgesetzen durch Art 49 Abs 1 S 3 GrCh beschränkt.[12] Art 49 GrCh findet auch im nationalen Recht Anwendung, wenn dieses unionsrechtlich vorgegebene Straftatbestände oder andere unionsrechtlich geregelte Materien zum Gegenstand hat,[13] auch wenn sie in nationales Recht umgesetzt wurden. Zum Teil wird die Auffassung vertreten, Zeitgesetze seien mit Art 49 Abs 1 GrCh überhaupt nicht in Einklang zu bringen.[14] Da das Konzept des Zeitgesetzes in den Mitgliedstaaten grundsätzlich anerkannt ist,[15] findet Art 49 Abs 1 GrCh auf explizit von vornherein zeitlich begrenzte Gesetze keine Anwendung.[16] Das zu § 2 Abs 4 StGB entwickelte vage Kriterium des sonst erkennbar vorübergehenden Inhalts und Zwecks eines Gesetzes, ist jedoch mit Art 49 Abs 1 GrCh nicht in Übereinstimmung zu bringen.[17]
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Liegt ein Zeitgesetz vor, lässt eine Gesetzesänderung nachträglich weder eine Strafbarkeit entfallen noch kann dadurch ein abweichender Schuldspruch begründet werden.[18] Vielmehr ist nach dem außer Kraft getretenen Gesetz zu bestrafen.