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Kapitel drei

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Der Mann holte einen dunklen Anzug von der Garderobe.

Das Hemd saß perfekt und war noch warm vom Bügeln, das ihn vierzig Minuten gekostet hatte. Er probierte alle Schuhe sorgfältig an, bevor er sich für die glänzenden, etwas zu engen Lackschuhe entschied. Dann sah er sich die Einladung an, prägte sich die Wegbeschreibung ein und machte sich auf den Weg.

Er fuhr durch die menschenleere Stadt, überschritt nie die Höchstgeschwindigkeit, blieb bei Gelb stehen und fuhr nur bei Grün weiter. Heute war der Tag des Triumphs. Er wurde erwartet und würde so selbstverständlich dazu passen wie alle anderen Gäste. Niemand hätte einen Verdacht. Das deprimierte ihn zuerst, aber schon bald nahm er es als einen weiteren Beweis für seine Sonderstellung. Er war auserwählt.

Die Kirche lag auf einem kleinen Hügel und war von einer Steinmauer und schwankenden Birken umgeben. Er stellte das Auto auf dem halbvollen Parkplatz ab, warf einen Blick in den Rückspiegel, strich sich über die Haare und stieg aus. Die Sonne stand bereits hoch am Himmel. Ein warmer Wind blies über sein Gesicht. Als spazierte man in einem Föhn, dachte er und ging die leichte Steigung hinauf. Eine Wolke aus Staub wehte vom Weg hoch in sein Gesicht. Sein rechtes Auge tränte. Er nahm das frisch gebügelte Taschentuch aus der Brusttasche und drückte es fest auf das Auge. Das linderte den Schmerz und entfernte ein bisschen von dem Dreck. Er blinzelte mehrmals krampfhaft und sah mit zusammengekniffenen Augen auf das Nummernschild des Wagens. Trotz der Tränen war die Autonummer klar zu lesen, die Kontaktlinsen saßen also noch richtig.

In der Kirche war es kühl und angenehm. Der Wind und die Wärme drangen nicht durch die dicken Steinwände. Er zog seinen Mantel aus und öffnete die Tür zum Mittelgang. Auf der Empore über ihm ging jemand über knarrende Holzbalken. Die Schritte hörten auf, und unter weiterem Knirschen und Knacken setzte sich dieser Jemand hin und richtete einen Hocker oder Stuhl aus. Wahrscheinlich ein übergewichtiger Organist, dachte er und lächelte vor sich hin.

In einem der Seitenschiffe stand der Priester und sprach leise mit einem der Angehörigen. Er ging nach vorn, stellte sich vor und wurde mit den üblichen Phrasen begrüßt. Nichts wich von dem Erwarteten ab. Er wählte einen Platz weit hinten, mit einem guten Überblick, blätterte zerstreut in einem Gebetbuch und hoffte, dass sich niemand in dieselbe Bank setzen würde.

Die Zeremonie begann. Er sang die Lieder ohne Mitgefühl mit und lauschte den Worten des Priesters. Ein rascher Blick über seine Schulter und er wusste, dass niemand hinter ihm saß. Vorsichtig öffnete er seinen linken Manschettenknopf, schob die Hemdsärmel hoch und sah auf die Uhr. Oskar Bylunds Uhr gehörte nun ihm. Er lächelte; wenn sie das wüssten. Der Sekundenzeiger zuckte zielstrebig vor. Eine Art von Heldenmut überkam ihn, den ganzen Körper durchlief es heiß, er hatte Lust zu schreien. Niemand ahnte etwas, das Vertrauen war absolut.

Ein Menschenleben ist wie eine Welle, dachte er. Es wird aus dem Nichts geboren, erhebt sich aus der Wasseroberfläche, wächst langsam heran und erreicht seine maximale Größe. Dann wird es nach und nach weniger, um sich schließlich in nichts aufzulösen. Das, was ich tue, überlegte er, ist bloß, den Wellenkamm kurz zu berühren, bevor der sein letztes Stadium erreicht.

Nach der Beerdigung kam der Leichenschmaus. Als alle nach einer Stunde voller nichtssagender Gespräche aufstanden, kam die Witwe zu ihm.

»Hallo, vielen Dank, dass Sie gekommen sind.«

»Keine Ursache. Es war schön in der Kirche.«

Die Witwe wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel.

»Irgendwie ist es gut, dass jetzt alles vorbei ist«, schniefte sie.

»Das verstehe ich.«

»Es war schon schön für Oskar, dass er einfach einschlief und keine Schmerzen hatte.«

Er nickte zustimmend. Die Frau in Trauerkleidung atmete tief ein. Ihr Gesicht verzog sich unglücklich.

»Glauben Sie, dass er gegen Ende sehr gelitten hat?«, fragte sie.

»Nein, das hoffe ich nicht. Er ist doch ruhig und friedlich eingeschlafen?«

Wenn sie nur wüsste, dachte er.

»Ja, nachts. Armer Oskar. Dass ich nicht da war, als es passierte.«

Ihre Stimme war dünn und die ganze Zeit kurz davor zu brechen. Sie sah ihn bittend an und riss sich zusammen, um fortzufahren.

»Glauben Sie, dass er mich vermisst hat . . . ich meine am Ende selbst?«

Er legte ihr tröstend eine Hand auf die Schulter.

»Nein, Sie haben wirklich alles, was Sie tun konnten, für ihn getan.«

Sie blieben ein paar Sekunden schweigend stehen.

»Auf Wiedersehen, Sie können mich immer anrufen, wenn Sie etwas möchten«, schloss er.

Sie begleitete ihn hinaus.

»Noch mal danke, dass Sie gekommen sind.«

Draußen hatte sich der Wind ein wenig gelegt, die Sonne war hinter Wolken verschwunden und die Landschaft ganz ruhig. Er fühlte sich rein und einfach. Nummer drei. Eine herrliche Zahl. Ein ewiger Kreis, wieder und wieder. Das nächste Mal würde es schwerer werden, aber er hatte mehrere Tage, um sich vorzubereiten. Genug Zeit wie immer, wenn man plant und weiß, was man tun muss. Und in welcher Reihenfolge. Er spürte die Uhr schwer und warm an seinem Handgelenk.

In seinem Kopf tickte es gleichmäßig und still.

Herzversagen - Ein Schweden-Krimi

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