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6. Pilgertag, Freitag, 18.05.2012

Biberach–Winterstettenstadt: 21 km, Gesamt: 91 km

Der Wecker klingelt bereits um 5.55 Uhr. Ich stehe auf und freue mich auf den heutigen Pilgertag. Nach dem gemeinsamen Kaffee fahre ich mit meiner Karin zum Bahnhof. Während ich auf den Zug warte, bemerke ich, dass mein Kilometerzähler im Auto liegt. Sch…, aber da kann ich jetzt auch nichts ändern.

In Biberach nehme ich im Café von gestern ein zweites Frühstück zu mir. Um 09.00 Uhr öffnet das angrenzende Sportgeschäft, und ich kaufe mir einen neuen Kilometerzähler. Es kann ja nicht schaden, noch einen zweiten als Ersatz zu haben.

Die Stadtkirche ist eine Besichtigung wert. Auch sie wird seit der Reformation von beiden Konfessionen – katholisch und evangelisch – genutzt. Das fällt mir jetzt schon zum wiederholten Mal auf. Dass eine Kirche von beiden Konfessionen gemeinsam genutzt wird, davon höre ich auf dem Jakobsweg zum ersten Mal. Neue Wege zeigen auch neue Horizonte auf. Man lernt nie aus.

Einige Meter neben der Kirche befindet sich das Pfarrbüro. Dort bekomme ich nach einer kurzen Wartezeit meinen Pilgerstempel in mein Credencial. Warum es den nur im Pfarrbüro zu den Bürozeiten gibt, bleibt mir ein Rätsel. Meistens liegt der immer hinten in der Kirche an einer kleinen Kette. So wäre er immer für die Pilger zugänglich.

Es wird jetzt langsam Zeit, mich auf den Weg zu machen. Über den Marktplatz, an der Stadthalle vorbei, bin ich schon bald außerhalb der Stadt in einem wunderschönen Wiesental. Kilometerlang geht es den Bach entlang, vorbei an der Wolfenbachmühle bis nach Reute. Vogelgezwitscher und der Duft von Wiesen und Wald. Einfach nur schön, und ich kann jeden Meter genießen, obwohl ich von gestern etwas Muskelkater mit mir herumschleppe.

Nachdem ich die moderne Kirche in Reute bewundert habe, führt mich mein Weg hinauf in den schattigen Wald. Das ist bei den heutigen Temperaturen sehr angenehm. Vor Groth mache ich eine kleine Rast. Ich habe zwischenzeitlich richtig Hunger bekommen. Mein Rucksackvesper wird bis auf den letzten Krümel aufgegessen.

Über Groth geht es zur Kirche St. Jacobus in Muttensweiler. Das Gemälde am Hochaltar zeigt das Martyrium meines Pilgerpatrons. Ich stelle fest, dass sich mein Blick auf meinen Pilgerpatron in den Kirchen bereits sehr geschärft hat. Es ist eine sehr schöne Kirche, doch der Höhepunkt des heutigen Tages steht mir noch bevor.


Rucksack

Der nächste Etappenort ist Steinhausen. Hier wird mich die schönste Dorfkirche der Welt empfangen. Ihre Größe kann ich schon von Weitem erkennen. Gewaltig ragt sie über den Ort und ist schon allein an ihrer äußeren Pracht bewundernswert.

Voll freudiger Erwartung erreiche ich die Ortschaft und gehe durch die Hauptstraße langsam auf das gewaltige Bauwerk zu. Beim Betreten des Gebäudes erwartet mich ein Prunkraum höchster barocker Baukunst. Vor dem Hochaltar ist ein wunderschöner Marienaltar aufgebaut. Die Fresken sind ganz dezent mit Farben unterlegt. Ich bin von diesem Bauwerk fasziniert. Der Begriff „schönste Dorfkirche der Welt“ ist sicher nicht übertrieben.

Wieder im Freien genieße ich die Sonne und gehe in das gegenüberliegende Café. Dort kann ich im edlen Terrassengarten mit Blick auf die Kirche einen Cappuccino und Erdbeerkuchen mit Sahne genießen. Ich dehne diese Pause jedoch nicht zu lange aus und ziehe in Richtung Unteressendorf weiter. Karin und Celine kommen mit dem Auto vorbei und nehmen mich mit.


Steinhausen

Wir wollen zusammen an den Bodensee fahren, dort das Wochenende genießen und morgen meinen Geburtstag feiern.

Nachdem ich Steinhausen verlassen habe, geht nochmals ein letzter Blick zurück auf dieses gewaltige und doch in seiner Art zierliche Bauwerk. Über Wiesenwege geht es auf sehr einsamen Wegen in Richtung Winterstettenstadt zügig voran. Ein Fuchs geht vor mir auf dem Weg und beobachtet mich misstrauisch, bevor er sich wieder in den Feldern versteckt.

Ich habe den gekennzeichneten Weg etwas abgekürzt. Passieren darf mir hier jedoch nichts, denn hier würde mich sicherlich niemand suchen, geschweige denn finden. Ich habe im Moment auch keine Ahnung, wo ich mich genau befinde und wie weit es noch bis zur nächsten Ortschaft ist. Es geht durch wildere Natur als gewünscht. Ich bereue schon mein Handeln, vom gekennzeichneten Weg abzuweichen.

Vor mir liegt ein Sportgelände mit der Kennzeichnung SVW. Die Frage ist jetzt: Steht das W für Winterstettenstadt oder gar für Wattenweiler? Ich gehe weiter und sehe nach einer Kurve wie aus dem Nichts plötzlich die Ortstafel von Winterstettenstadt. Das ist natürlich Freude pur.

Schnellen Schrittes erreiche ich die Kirche, und mein „Taxi“ kommt schon nach wenigen Minuten. Nach der obligatorischen Kirchenbesichtigung kann ich meinen Rucksack im Auto verstauen und mich auf dem Beifahrersitz von den heutigen Anstrengungen erholen. Ich genieße die Fahrt über Bad Waldsee zum Bodensee nach Meersburg. Es ist genau die Route meiner nächsten Pilgeretappen. Ich freue mich schon darauf und hoffe, dass ich bald Zeit finde, diesen wunderschönen Pilgerweg weiterzugehen.

Buen Camino - die schönste Reise meines Lebens

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